Als Katharina sieben Jahre alt war, befriedigte sie sich das erste Mal selbst. Sie lag im Bett und versuchte einzuschlafen, wie immer auf der Seite, aber das Gefühl ihrer aufeinanderliegenden Beine störte sie. Also klemmte sie ihr Kuscheltier zwischen die Schenkel, einen Dalmatiner. Dank seiner kleinen Plastiknase erlebte sie zum ersten Mal die Sexualität ihres Körpers.
Heute bestimmt Sex Katharina Bonks Leben. Die 29-Jährige verkauft Dildos aus Kristall und gibt Workshops, in denen Frauen im Kreis sitzen und gemeinsam masturbieren. Sie fährt nach Polen, um dort im Wald an einer Orgie teilzunehmen. Sie reist für ein dreiwöchiges Tantra-Seminar nach Nicaragua. Über die Jahre hat sie so eine faszinierende Fähigkeit entwickelt: Katharina gelangt beim Sex in einen Zustand, den andere Menschen höchstens vom LSD-Nehmen kennen.
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Katharina erzählt in der Küche ihrer Wohnung am Kottbusser Tor in Berlin davon. Ihre nackten Füße hat sie auf den Stuhl neben ihrem gestellt. Sie trägt ein pinkes Satin-Top mit Spitze und einen beigen langen Cardigan. Die Haare hat sie zu einer lockeren Tolle gedreht und zusammengebunden, ihre Wimpern mit pinker Mascara geschminkt. Sie wirkt wie eine moderne Variante jener Frauen, die auf Renaissance-Gemälden auf Sofas posieren.
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Katharina schaut an die Decke, während sie ihre Erfahrungen beim Sex beschreibt. Als transzendent bezeichnet sie die, übersinnlich. Wie aber kann etwas Körperliches wie Sex über die Empfindungen der Sinne hinausgehen?
“Ich erlebe beim Sex eine Aufhebung meiner Identität”, sagt Katharina, “meiner Ich-Bezogenheit. Es ist eine Aufhebung der Zeit, es ist stückweise auch eine Auflösung zwischen mir und meinem Partner.” Katharina hält inne. Neben ihr an der Wand hängt das Bild einer Frau, die zwei Finger in die Vagina einführt. Genitalien finden sich viele in der Wohnung, die Katharina mit ihrem Freund bewohnt. Hier ein Kristall-Penis auf dem Esstisch, da ein Silikon-Phallus neben Büchern.
Katharina spricht weiter: “Es ist die völlige Hingabe und extreme Freude, viel Lust und fern von Mechanik. Es ist alles im intuitiven Fluss. Ein Gefühl von Einssein.” Ihr ganzer Körper gerate in Wallung, ihr werde schwindelig, und die Hände kribbelten.
Ich-Auflösung, Aufhebung von Zeit, extreme Freude: Was Katharina beschreibt, klingt nach LSD-Trip – nur ohne Optics.
Ihre Erfahrungen scheinen intensiver zu sein als jene Super-Orgasmen, die Sexratgeber versprechen. Wie hat Katharina dieses Level erreicht?
Ihren ersten Freund hatte sie mit 16. Die Beziehung ging drei Jahre, und die beiden probierten so ziemlich alles, was laut Erotik-Läden als sexy gilt: sich mit der Gerte kleine Schläge geben, Slips, die man im Schritt aufschneidet, Perlentangas, Eiswürfel, Saucen, die man vom Körper lecken kann, High Heels, Sex in der Öffentlichkeit, auch in einen Latexanzug schlüpfte Katharina mal. “So viel ausprobiert habe ich nie wieder. Aber richtig hängengeblieben bin ich an nichts.”
Dann kam der “turning point”, wie Katharina es nennt. Als sie in Weimar ihren Master in Medienkunst machte, führte sie eine Beziehung mit einem anderen Mann. Im Bett war er liebevoll, zeigte ihr eine andere Art von Sex. Sie verzichteten auf Spielereien, bewegten sich stattdessen intuitiv und langsam, fühlten genau hin, was im Körper passiert.
Außerhalb des Betts aber war die Partnerschaft für Katharina schmerzhaft. “Die Beziehung hat mich in eine Krise gestürzt”, sagt sie. “Auch physisch.” Sie erkrankte an einer Autoimmunerkrankung, konnte nicht mehr laufen. Ärzte sagten ihr, die Krankheit wäre unheilbar.
Mit Yoga und Meditation zu einem anderen Sex
Katharina stieß auf ein alternativmedizinisches Buch, das buddhistische Lehren, psychologische und medizinische Erkenntnisse zusammenführt. “Das Buch hat mir das Leben gerettet”, sagt sie. Sie habe angefangen, zu meditieren und sich so aus der Krankheit gezogen. Dann machte sie mit ihrem Freund Schluss.
Danach hatte sie keine Lust mehr auf Beziehungen. Sie reiste nach Indien, verzichtete einige Monate auf Sex und machte eine Ausbildung zur Yoga-Lehrerin. “Durch all das hat sich mir eine ganz neue sexuelle Welt eröffnet”, erzählt Katharina.
Wie passt das zusammen? Hier kommt ein Begriff ins Spiel, ohne den Katharina nicht auskommt, wenn sie über Sex spricht: Energie. Das mag esoterisch klingen, aber im Gespräch mit ihr auch logisch: Energie baut sich auf, wenn ein Mensch sexuell erregt ist, und Energie ist es, die beim Orgasmus durch den Körper strömt.
Beim Kundalini-Yoga, der Art von Yoga, die Katharina vor allem praktiziert, lernt man genau das: die Energie zu steigern und durch den Körper zu leiten. Zum Beispiel, indem man den Beckenboden anspannt und auf bestimmte Weise atmet. Und Katharina experimentierte weiter. Sie ging zu einem Yoni-Mapping. “Yoni” ist ein indischer Begriff für Vulva, Vagina und Uterus. Eine Person setzte sich zwischen Katharinas Beine, führte einen Finger in sie ein und drückte verschiedene Punkte. Katharina sollte so ihre Vagina kennenlernen und spüren, wo sie Berührungen mag und wo nicht. “Auf einmal habe ich entdeckt: Meine Vagina hat nicht nur einen Raum. Meine Vagina ist eine Fünf-Raum-Wohnung!”
Muschi-Training mit dem Yoni-Ei
Auch allein trainierte sie die Muskeln ihrer Vagina mit einem Yoni-Ei, einem eiförmigen Kristall, den sie sich einführte. Katharina übte, den Beckenboden anzuspannen und die verschiedenen Muskelgruppen am Vaginalschaft zu bewegen. “Es ist Wahnsinn, was man beim Sex für Gefühle erlebt, wenn man die Muskeln gezielt spielen lässt.” “Flöte spielen”, nennt sie das.
Wie Katharina zu ihren intensiven Empfindungen gekommen ist, lässt sich nicht in zehn Tipps zusammenfassen wie in einem Lifestyle-Magazin. Weil sie eben für sich herausgefunden hat, wie es geht. Und sowohl allein, als auch mit ihrem jetzigen Partner weiter forscht. Das sei das Geheimnis: sich Zeit zu nehmen, um die eigene Sexualität zu entdecken und auszuleben. “Ich habe durch die Sexualität gelernt, dass mein Körper der Wahnsinn ist. Was wir uns durch ihn für tolle Gefühle bereiten können, das ist wirklich irre.”
Heute möchte Katharina den Genuss, den sie für sich entdeckt hat, in das Leben anderer bringen. Sie will Menschen inspirieren, sich ihrer Sexualität mehr hinzugeben. Auf ihrer Visitenkarte steht deswegen: Muse.
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