Diese Frau wird nicht eingebürgert, weil sie bei Aldi einkauft

In der Schweiz kann ein Einkauf bei Aldi als Unwille zur Integration ausgelegt werden. Das ist auf jeden Fall Funda Yilmaz passiert. Sie wollte einen Schweizer Pass haben, nachdem sie dort geboren worden ist und 25 Jahre dort gelebt hat. Der Antrag wurde abgelehnt. Einer der Gründe: “Sie fragten bei der zweiten Anhörung nach dem Einkaufsverhalten. Ich nannte Aldi und Migros – und schon warfen sie mir vor, dass ich den Dorfbeck (Dorfbäcker) oder die Dorfmetzg (Dorfmetzger) nicht kenne”, sagte Yilmaz der Schweizer Illustrierten.


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Am Ende wurde ihre Einbürgerung abgelehnt, mit 12 zu 20 Stimmen. Wer sich in der Schweiz einbürgern lassen will, muss vor einer lokalen Kommission vorsprechen. In diesem Fall tat Yilmaz das in Buch, einem kleinen Ort nahe Zürich mit 10.000 Einwohnern. Davor hatte sie bereits beim Einbürgerungstest alles richtig gemacht. Über das zweite Gespräch vermerkt die Kommission: “Sie lebt in ihrer kleinen Welt und zeigt kein Interesse, sich mit der Schweiz und der Bevölkerung in der Schweiz auf einen Dialog einzulassen.”

Von der Kommission musste sich Yilmaz viele Fragen stellen lassen, Fragen bis in die intimsten Lebensbereiche hinein: “Sie sind noch sehr jung, wohnen noch zuhause, aber haben bereits einen Kredit.” Es ging um ihre Wohnsituation, ihre Finanzen (sie hat sich ein Auto gekauft), ihre Arbeit (sie ist Tiefbau-Zeichnerin), darum, ob sie die Notrufnummern kennt und darum, ob sie schon Mal Urlaub in der Schweiz gemacht hat. Und – im zweiten Gespräch – fragte die Kommission eben auch nach den Einkaufsmöglichkeiten im Ort. Yilmaz antwortet auf die Fragen im breitesten Schwiizerdütsch, die Protokollführerin notiert: “Die Kandidatin spricht gut deutsch”.

Aber das nützt nichts. Spiegel Online schreibt: “Dass Yilmaz bei Aldi und nicht im Dorfladen einkauft, ist für die Kommission offenbar ein gravierender Missstand.” Denn – wie der Tagesanzeiger schreibt: “Die Einbürgerungskommission will von Yilmaz ein Leben, wie es kein junger Schweizer im Jahr 2017 führt. Sie soll nicht in der Migros (ein Schweizer Handelsunternehmen) einkaufen, sondern im Dorfladen.” Und so steht im Ablehnungsbescheid unter anderem: “Über die Abfallentsorgung, Einkaufsmöglichkeiten und andere Angebote der Gemeine wissen Sie nicht viel, was auf eine mangelhafte Integration im Dorf hindeutet.”

Frau Yilmaz hat noch nicht aufgegeben, sie schreibt einen Brief, in dem sie protestiert und gibt ihn an die Schweizer Illustrierte, damit ihn mehr Menschen lesen können. “Mein Einkaufsverhalten darf nicht Gegenstand einer Einbürgerung sein.” Und: “Meine Welt ist nicht klein. Diese Aussage verletzt mich.”

Für die ganze Prozedur zahlte Frau Yilmaz im übrigen 1500 Franken (fast 1400 Euro) Gebühren.