Immer häufiger geht man in eine Bar und wird von der riesigen Auswahl an Craft Beer fast erschlagen. An der Theke stehen Männer in Kordhosen und mit starkem Bartwuchs und Frauen mit Retro-Brillen und diskutieren, welches Bier aus der langen Liste sie als Nächstes nehmen. Auf einen normalen Biertrinker, der einfach nur sein Pils liebt, wirken leidenschaftlich-verblendete Craft-Beer-Fans oft ziemlich komisch. Trotzdem ist es mittlerweile unter Millennials normal geworden, sich Craft Beer zu bestellen.
Ich wurde in Belgien geboren, das Wort „Craft Beer” gab es hier bis vor Kurzem nicht einmal. Mittlerweile gibt es viele junge Brauer, die mit Gerste und Gewürzen richtig kreativ werden – zum Beispiel einen 15-jährigen Jungen, der sein eigenes Bier nicht mal trinken darf. Doch die Belgier haben schon immer außergewöhnliches Bier gemacht.
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Den besten Beweis dafür findet man in den Kellern und Kühlschränken unserer Omas. Eine belgische Großmutter hat immer eine großzügige Auswahl guter Biere zu Hause, sie trinken es fast täglich. Ich habe ein paar biertrinkende Omas besucht, um mir ihre Biersammlung anzugucken und ein paar Tipps abzugreifen.
Denise (83)
MUNCHIES: Hi Denise. Welche Biersorte hast du immer zu Hause?
Denise: Ich habe immer ein helles und ein dunkles Leffe und St. Bernardus im Keller, auch ein Rodenbach für einen Hasenbraten oder einen Eintopf. Ein paar kalte Pils habe ich auch da, aber die trinkt keiner. Das ist eher was für die Jüngeren.
Gewöhnliches Bier ist also nicht so deins?
Nein, das hat nicht so viel Geschmack und zu wenig Malz. Ich weiß nicht, was meine Enkel so toll daran finden. Na ja, aber sie trinken Bier auch lieber aus der Dose als aus der Flasche. Ich weiß nicht so recht, warum – vielleicht weil Studenten früher Bierflaschen rumgeworfen haben? Ich bin jedenfalls nicht dafür. Wenn die Jugend hier etwas trinken will, dann müssen sie es sich erst in ein schönes Glas gießen.
Welches ist dein Lieblingsbier?
Ich mag eigentlich alle. Aber am meisten mag ich ein dunkles St. Bernadus mit sechs Prozent. Früher habe ich mehr Abteibier mit zwölf Prozent getrunken. Mein Sohn lacht mit schon aus: „Mama, jetzt musst du zwei Gläser trinken. Zwei von einem Sechser sind genauso wie ein Zwölfer.”
Der perfekte Zeitpunkt für ein gutes Bier?
Abends zusammen mit einer leckeren Stulle und einem guten Stück Käse.
In unserer Generation gibt es das Klischee, dass Frauen Wein und Männer Bier trinken. Deine Generation scheint da total anders zu sein.
Als wir noch jünger waren, kurz nach dem Krieg, gab es nicht so viel Wein. Bei uns gab es auf dem Tisch keine Flasche mit Wasser, sondern eine große Flasche Bier mit weniger Alkohol. Davon wird man groß und stark. Guck mich doch an: Ich nehme keine Tabletten und gehe jede Woche schwimmen und zur Gymnastik. Bier ist gesund. Man darf natürlich nicht übertreiben, wie das die Jugend heutzutage oft macht. Sie trinken, um betrunken zu werden, nicht wegen des Geschmacks. Aber jeden Abend ein Bier kann nicht schaden. Wenn ich Bekannte im Altersheim besuche, bringe ich ihnen ein Bierchen mit. Und auch wenn alte Menschen im Krankenhaus liegen haben sie davon mehr als von einer Schüssel mit Brei, glaub mir.
Jetzt fangen junge Leute auch an, Craft Beer zu brauen…
Die Regale sind voll mit Hunderten verschiedenen Sorten Bier. Aber ich probiere selten etwas Neues. Meine Söhne schon, aber ich nicht, nicht in meinem Alter.
Hast du noch ein paar Tipps für die jüngeren Bier-Fans?
Ein dunkles Bier gehört nicht in den Kühlschrank, sonst verliert es an Geschmack. Das sehe ich oft in Kneipen und es macht mich richtig wütend. Ein gutes Bier hat eine schöne Schaumkrone, wenn die sofort verschwindet, war das Glas nicht sauber. Wenn ich zu Hause Bier ausschenke, habe ich immer ein Geschirrtuch zur Hand, um das Glas auszuwischen.
Maria (82)
Wann hast du deine Liebe zu Bier entdeckt?
Maria: Als junge Mutter musste ich oft den ganzen Tag lang bügeln, so ist das bei einer großen Familie. Dabei habe ich immer Bier getrunken, viel erfrischender und leckerer als Kaffee.
Wann trinkst du heute Bier?
Wenn ich im Sommer mittags vom Turnen komme, sorgt mein Mann dafür, dass ein frisches Bier auf dem Tisch steht, damit ich meinen Durst stillen kann. Auch beim Kochen gönne ich mir manchmal eins. Mein Mann beschwert sich manchmal: „Du trinkst mehr Bier als ich.” Er trinkt wenig.
Welches Bier hast du zu Hause?
In meinem Keller steht immer ein Kriek, im Kühlschrank habe ich noch ein paar Craft Beer, die ich zu Neujahr geschenkt bekommen habe. Beim Kartenspielen mag ich Trappistenbier, sonst ist das zu bitter. Die sind stark, da reicht eins.
Deine Tipps für meine Generation?
Wenn ihr stärkeres Bier trinkt, solltet ihr gut essen. Niemals auf leerem Magen trinken, wie man so schön sagt. Ein gutes Stück Fleisch oder so, das hilft.
Dina (78)
Welche Biersorten stehen bei dir zu Hause?
Dina: Hoegaarden, Leffe und Grimbergen. Jetzt, wo ich älter bin, schmeiße ich nicht mehr so viele Feten und kaufe weniger Bier. Aber davon habe ich immer welche zu Hause. Leider kann ich das Hoegaarden nur noch in Dosen kaufen, weil die Flaschen zu schwer zum Tragen sind, aber zu Hause gieße ich es eh in ein Glas. Ein schönes Glas für das Bier ist das Wichtigste.
Und welches Bier ist dein Favorit?
Seit 20 Jahren trinke ich um sechs ein Hoegaarden und esse ein Käsebrot. Witbier [ein belgisches Bier mit Orangen- und Koriandernoten] schmeckt einfach so viel besser als Kaffee und das Bier ist auch nicht so stark, perfekt also zum Essen. Meine Mutter hat immer gern ein Glas Bier zum Abendessen getrunken, das habe ich also wohl von ihr.
Es gibt ja immer mehr Craft Beer. Was hältst du davon?
Ja, das sehe ich bei meinen Söhnen. Es ist doch gut, dass es so viele Sorten gibt, dann kann man selbst herausfinden, was einem am besten gefällt. Es gibt natürlich einen deutlichen Unterschied zwischen meiner Generation und der heutigen: Wir kannten nur ein paar Sorten, denen wir treu geblieben sind. Wir haben nicht oft Neues probiert. Die Jugend ist experimentierfreudiger: Wenn es etwas Neues gibt, dann müssen sie es probieren.
Ha! Und was auch schön ist: Mädchen trinken mittlerweile mehr Bier als Jungs. Als wir jung waren, konnten wir nur in eine Kneipe gehen, wenn wir mit einem Jungen zusammen waren. Jetzt können Mädchen auch allein gehen und alle möglichen Biere trinken.
Hast du noch ein paar Bier-Tipps für die Jugend?
Ich lasse mein Bier vor dem Trinken immer ein bisschen stehen, damit es weniger Schaum hat, das mache aber vielleicht nur ich so. Und ich warne meine Enkel immer, dass sie ihr Bier nicht rumstehen lassen sollen, wenn sie in der Bar auf Toilette gehen. Ich habe Angst, dass ihnen jemand was ins Glas tut.
Mia (83) und Katja (88)
Hi, ich habe gehört ihr seid zwei beste Freundinnen hier im Altersheim. Trinkt ihr oft zusammen Bier?
Mia: Manchmal, ja.
Katje: Am liebsten Kriek, aber nur eins, ansonsten seh ich wieder alles doppelt.
Mia: Zwei ist wirklich das Maximum, ansonsten steht bei mir alles Kopf
Das passiert manchmal?
Mia: Definitiv. Früher hatte ich öfter mal einen sitzen, aber seit ich geheiratet habe nicht mehr so viel. Je älter, desto weiser, sagt man doch so schön. Jetzt trinke ich Bier anders, um es zu genießen und nicht, um betrunken zu werden.
Die neuen Biere haben lustige Namen: Piraat, Deugniet [Taugenichts], Dikke Nek [Dicker Nacken].
Mia: Haha, habe ich ja noch nie gehört. Das sind Biersorten? Und die gibt es schon? Das nächste Mal bestelle ich einen Taugenichts in der Kneipe.
Katje: Und ich nehme einen dicken Nacken.
Mia: Was hältst du von Kivela? So was trinke ich gern: Bier mit Limo und Grenadine. Wunderbar.
Habt ihr noch Tipps für die Bierjugend?
Mia: Wenn du nicht trinkst, bleibt dein Glas immer voll.
Katje: Stimmt.
Monique (78)
Hi Monique. Erzähl mir was von deiner Liebe zu Bier…
Monique: Jeden Montag fahre ich mit meinem Mann 35 Kilometer nach Westvleteren und wir trinken ein dunkles Westvleteren [ein Trappistenbier]. Das Westvleteren 12 ist unsere Lieblingssorte. Wir trinken ein oder zwei, essen ein Sandwich dazu und fahren dann wieder zurück.
Und zu Hause trinkst du was?
Da trinken wir Rochefort 8, ein halbes Glas vormittags und um vier noch ein halbes Glas. Wenn man es nicht übertreibt, ist ein stärkeres Bier gar nicht so schlimm.
Prost.