Diese Pizzeria hasst sich und ihre Kunden – und ist damit erfolgreich

“Nein zu Drogen. Ja zu Pizza.”

Dieser Slogan ist auf den Pizzaschachteln von Ugi’s aufgedruckt, der legendären Pizza-Kette von Buenos Aires mit Kultstatus, bekannt für ihre billigen Pizzen. Überall in der argentinischen Hauptstadt findet die pizzaverliebte Bevölkerung eine Filiale – in Argentinien haben 60 Prozent der Einwohner italienische Wurzeln. Doch keine andere Pizzeria hat sich so einen Namen gemacht wie Ugi’s. Seit der ersten Eröffnung 1980 ist die Kette für die zentrale Lage ihrer Filialen, die ziemlich nüchterne Einrichtung und die billigen Pizzen bekannt.

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Doch erst seit es eine Ugi’s-Fanseite gibt, hat die Pizzakette das Netz mit seiner unorthodoxen Social-Media-Strategie im Sturm erobert. Die Facebook-Seite von Ugi’s Pizza nennt ihre Follower “Idioten” und “Arschlöcher”, spricht sich für den Drogenkonsum aus, trollt Trolle auf der eigenen Seite und hat mittlerweile 170.000 Fans angesammelt, die mehr Unterhaltung wollen.

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Unter dem Bild steht übersetzt: “Nur Ugi’s verwendet anstatt Oregano bestes gepresstes Gras. Ugi’s Pizza. Geh nicht zu McDonald’s. Arschloch.” Ein User schreibt: “43 Pesos? Ihr Hurensöhne verwendet doch Mozzarella von Hunden.” Ugi’s Antwort: “Wenn dir der Mozzarella nicht gefällt, leck mir doch den Ricotta von den Eiern.”

Um den Social-Media-Erfolg von Ugi’s verstehen zu können, müssen wir zuerst die Marke und ihre Geschichte verstehen. “Ugi’s ist Teil unserer Popkultur, [die Kette] ist ein Teil der urbanen Landschaft von Buenos Aires”, meint Luciano Banchero, eine bekannte Radiostimme der argentinischen Hauptstadt und Experte für Pizza. Als erste Kette hat Ugi’s die argentinischen Massen mit Fast Food in Pizzaform versorgt, das gefiel Studenten und der Arbeiterklasser. Der ursprüngliche Besitzer, Hugo Solís Sr. (“Ugi” ist übrigens die Koseform von “Hugo”) lebte und arbeitete eine Zeit lang in den Staaten und kam mit einem damals bahnbrechenden Konzept zurück: ein einfaches, günstiges Produkt zu einem wirtschaftlichen Preis in einem Laden ohne viel Schnickschnack zu verkaufen.

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Die ziemlich unspektakuläre Pizza von Ugi’s | Foto von der Autorin

“Überall gab es einen Ugi’s-Laden, immer geöffnet und immer billig”, erinnert sich Marcela Basch. Sie war die einzige Journalistin, die 2009 ein exklusives Interview – eine sehr seltene Gelegenheit – mit einem der Besitzer bekam, Hugo Sergio Sólis Jr.

Heute gibt es in Buenos Aires mehr als 30 Läden der Kette, dazu kommen noch andere Ketten wie Don Hugo, Big Muzza, Peli’s, Soffly’s und Hoogy’s, die angeblich alle von den Söhnen des verstorbenen Hugo Sólis eröffnet wurden. In den meisten Läden gibt es die zwei gleichen Sorten Pizza: muzza (Mozzarella) und cebolla (Zwiebeln) als große Pizza oder im Stück. Eine große Mozzarella-Pizza kostet 79,99 ARS [umgerechnet circa 4,15 Euro], ein Pizzaviertel kostet 19,99 ARS. Die Preise bei Ugi’s sind sogar zu einem Indikator für die Stärke der argentinischen Wirtschaft geworden, für viele sind sie der beste Inflationsindikator.

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“Cristiano Ronalado isst bei Ugi’s. Pack die Pizza weg, du fetter Hurensohn.”

Doch schon lange vor seiner Zeit als Wirtschaftsindaktor, viralen Memes und der Geburt von Facebook wurde der Pizzaladen zu einer Legende. 1998 war die Pizzeria ein wichtiger Schauplatz in Pizza, Birra y Faso, einem bekannten argentinischen Film über eine Gruppe jugendlicher Kriminelle ohne viel Geld, die regelmäßig dort Pizza aßen. Da war das Außenseiterimage und Anti-Establishment-Assoziation des Ladens geboren


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“Von da an waren sie offen auffällig und das sehen wir heute auch in den sozialen Medien. Ugi’s hat sich nie dafür geschämt, als billig zu gelten, sie waren sogar stolz darauf”, erklärt Banchero. “Ugi’s konnte mit den großen Pizzerien der Stadt in puncto Qualität und Tradition nie mithalten, also sind sie ihren eigenen Weg gegangen.” Die Läden haben einen Teil einer ganzen Generation angezogen, der gegen Snobs war, und kommunizierte mit dieser Gruppe durch popkulturelle Referenzen, obszöne Sprache und Witze, ohne dabei sich selbst zu verschonen.

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“Unsere Pizzabäcker fassen den Teig nicht mit ungewaschenen Händen an, nachdem sie auf Toilette waren. Wir haben keine Toiletten.”

Niemand kann genau sagen, wie es zu dem Motto “Nein zu Drogen. Ja zu Pizza” kam, aber irgendwie machte er sich selbstständig.

“Der Tonfall von Ugi’s, die Witze, das ist alles nichts Neues”, meint Journalist und bekennender Ugi’s-Fan Nicolás Lantos. “Dieser Ton wie im Slogan wird bei Facebook nur zugespitzt, sie vermitteln dieselbe Einstellung, nur dieses Mal mit simplen Tools wie Paint oder Photoshop.” Wegen ihres Humors, der Argentinier aller Generationen anspricht – vor allem aber MIllenials –, glaubt Lantos, dass die Seite gerade auch Fans hat, die nicht mal bei Ugi’s essen, sondern einfach nur nach Unterhaltung suchen.

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“Und ich so: ‘Setz mich vor dem nächsten Ugi’s ab.’”

Ein Witz kommt immer wieder: Ugi’s gibt offen zu, dass viele der Filialen nicht gerade sauber sind. Manche Tauben sind so oft im Laden, dass sie mittlerweile “Miguel” genannt werden und ihm werden regelmäßig Posts gewidmet.

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“Unser bester Kunde. Er heißt Miguel.”
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“Miguel und seine Freunde bewachen den Laden. Ja zu Tauben, ja zu Pizza.”
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“Miguel und Familie halfen, den Laden zu putzen”, steht neben dem Foto. Ein “Fan” kommentiert: “Die Pizza ist noch dreckiger. Tauben und Kokain pur.” Ugi’s Antwort: “Das Koks ist nicht pur, sondern gestreckt.”

Den Internetruhm hat Ugi’s auch einer neuen Bewegung in der argentinischen Food-Szene zu verdanken, wo viele Restaurants versuchen, traditionelle, einfache Gerichte so umzuwandeln, dass sie auch “Foodies” gefallen. In der Szene gibt es immer mehr so genannte “Influencer” und Kundenbewertungen werden immer wichtiger.

“Die Fanseite von Ugi’s ist ungefiltert, aufrichtig und genial, die üblichen Rollen von Kunden und Sprechern einer Marke sind vertauscht”, erklärt mir Tomás Balmaceda, der vor allem über Popkultur schreibt. “Normalerweise beschweren sich wütende Kunden bei einem Restaurant über schlechten Service und das Restaurant muss freundlich reagieren. Doch hier ist es das Restaurant, das wütend reagiert, und die Kunden erwidern das im selben Ton.”

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“Eure Pizza schmeckt nach Arsch.” “Die besten Pizzen.” “Eure Pizza schmeckt wie Opas Kotze.”

Wir haben bei Ugi’s um eine Stellungnahme zu dem Thema gebeten, aber weder das Management noch die Facebook-Seite der Kette hat auf unsere Anfragen reagiert.

Die Facebook-Seite von Ugi’s ist mit vulgären Kommentaren überflutet und empfängt Trolls und Hater, die sich regelmäßig frauenfeindliche, politisch inkorrekte und homophone Wortgefechte liefern und dabei auf dem Niveau von “Deine Mutter”-Witzen kommunizieren. Trotz dieser Macho-Attitüde fühlen sich viele Argentinier nicht davon angegriffen. “Ich glaube nicht, dass diese Leute böse Absichten haben”, meint Lantos. “Es ist einfach eine bestimmter Humor der jüngeren Generation, die zeigen will, dass sie nicht careta (hochnäsig oder falsch) sind.” Das sieht auch Banchero so und meint, dass die Fans die Polemik verstehen und eine gemeinsame Sprache teilen.

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“Was für ‘ne beschissene Pizza. Ich komme wieder.”

“Ugi’s spricht einen besonderen schwarzen und absurden argentinischen Humor an. Wenn eine andere Pizzeria so auftreten würde, wäre das das reinste Chaos. Aber hier spricht Ugi’s die gleiche Sprache wie seine Kunden.”