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Diese wissenschaftliche Testanlage brachte die VW-Affäre ins Rollen

Nachdem der VW-Skandal bereits Boss Winterkorn und auch die Manager von Audi und Porsche ihren Job gekostet hat, kommt das gesamte ökologische Ausmaß des Dieselskandals erst langsam ans Licht. Eine neue Analyse zeigt nun, dass die mit Manipulationssoftware ausgestatteten VW-Autos die schwindelerregende Summe von bis zu einer Million Tonnen Stickoxide pro Jahr ausgestoßen haben könnten.

Diese Zahlen sind ökologisch besonders dramatisch, weil es sich bei Stickoxiden um Abgase handelt, die Autos zwar nicht in solchen Mengen wie CO2 ausstoßen, die aber dafür den Treibhauseffekt besonders drastisch anheizen. Die weltweit bis zu 11 Millionen „getunten” VW-Modelle haben die US-Grenzwerte um das 10- bis 40-fache an Stickoxid überschritten. Die jährlichen Stickoxidausstöße der manipulierten VW-Autos übersteigen somit sogar die Menge, die ganz Großbritannien pro Jahr in die Luft pustet, wie der Guardian errechnete.

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Für die Messung benutzen die Wissenschaftler einen VW Jetta und einen Passat, mit denen sie die amerikanische Westküste von Los Angeles bis nach Seattle hoch fuhren: Im Kofferraum eine riesige mit dem Auspuff verbundene Anlage, die die Abgaswerte bei verschiedenen Geschwindigkeiten ermittelte.

Dieselgate ist auch deshalb ein solch monumentaler Skandal, weil die Software scheinbar ausschließlich in den Autos verbaut wurde, um Umweltprüfer zu überlisten. Der Bordcomputer bemerkte die Testsituation, sobald der Motor lief und sich die Räder drehten, ohne dass sich der Wagen fortbewegte (wie eben in einer typischen Testsituation)—dann wurde die Motorperformance so umgestellt, dass die Richtwerte eingehalten wurden.

Die Manipulation konnte dementsprechend nur durch ein alternatives mobiles Testverfahren aufgedeckt werden. Hier kommt das neugierige Wissenschaftsteam von der West Virginia University (WVU) ins Spiel: Die Forscher der Fakultät für Alternative Kraftstoffmotoren und Abgase untersuchten die Abgaswerte herkömmlicher VW-Modelle und verglichen diese bereits im Frühjahr mit den Ergebnissen der amerikanischen Umweltbehörde (Environmental Protection Agency, EPA). Ihre Studie leiteten sie an die verantwortliche US-Regulierungsbehörde EPA weiter, welche die Ergebnisse jedoch erst jetzt veröffentlichte.

Das Team hatte ein Gerät entwickelt, welches den Ausstoß der Abgase während der Fahrt misst und stellte bei seiner Untersuchung geschockt fest, dass die gemessenen Werte bei Tests der Umweltbehörde wesentlich niedriger ausfielen als die der normalen Fahrzeuge auf den Straßen. Für die Messung benutzen die Wissenschaftler einen VW Jetta und einen Passat, mit denen sie die amerikanische Westküste von Los Angeles bis nach Seattle hoch fuhren: Im Kofferraum eine riesige mit dem Auspuff verbundene Anlage, die die Abgaswerte bei verschiedenen Geschwindigkeiten ermittelte.

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Das Verblüffende waren Ergebnisse, welche die legalen Höchstwerte für Stickoxid um ein 20-Faches überschritten. „Als wir die Zahlen das erste mal sahen, waren sie viel höher als erwartet”, sagte Dan Carder, der Leiter der Fakultät, dem Wall Street Journal. „Als Wissenschaftler zweifelst du dann erst mal an deinen Ergebnissen.” Die Folge war eine Wiederholung der Testfahrten—die Ergebnisse blieben die gleichen.

VW bestritt zuerst, eine Software eingesetzt zu haben, die die Abgaswerte beschönigt, räumte jedoch inzwischen eine Manipulation ein und Winterkorn nahm nach der Aussage, es tue ihm „unendlich leid” seinen Hut. Die Technik hinter den „frisierten” Diesel-Karossen ist eine sogenannte Abschalteinrichtung (defeat device), mit welcher die Modelle außerhalb von Testsituation klammheimlich bis zu 40 Prozent mehr Schadstoffe ausstoßen können als erlaubt. So erreichen die Motoren jene Performance, mit denen Dieselfahrzeuge gewöhnlich vermarktet werden—spritsparend und doch dynamisch.

VW hat seine Schuld zwar inzwischen eingestanden, gleichzeitig jedoch schon jene US-Anwaltskanzlei eingeschaltet, die auch BP nach der Explosion der Bohrplattform Deepwater Horizon vertreten hatte. Eine gute Verteidigung ist wahrscheinlich auch nötig, um den Schaden des Konzerns in Maßen zu halten, denn wie der Guardian berechnete, wurde von VW der Ausstoß von fast einer Million Tonnen Stickoxide verschleiert. Italien hat unterdessen bereits eine Studie in Auftrag gegeben, welche mögliche durch Dieselabgase verursachte Gesundheitsrisiken untersucht.

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