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Dieser Forscher lässt ein Insekt in seinem Körper heranwachsen

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Stell dir vor, eine Insektenlarve nistet sich in deinem Rücken ein. Da würdest du mit Sicherheit nicht gerade in Jubelstürme ausbrechen. Du beschäftigst dich wahrscheinlich aber auch nicht mit Entomologie, also Insektenkunde.

Für einige Entomologen und Entomologinnen ist ein Insekt im eigenen Körper nämlich das Größte, eine Art Ritterschlag. Das behauptet zumindest Phil Torres, ein Tropenbiologe und Insektenforscher, unter dessen Haut eine Dasselfliege, auch bekannt als Bremse, lebt. “Einige ältere Insektenforscher haben genau das Gleiche getan. Uns Studierenden erzählten sie damals immer davon, wer es länger mit der Fliege ausgehalten hatte”, sagt der 33-Jährige.

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Torres lebt seit zwei Jahren im Amazonasgebiet, wo er forscht, sich dem Naturschutz widmet, einen YouTube-Kanal betreibt und bei Wissensshows fürs Fernsehen mitarbeitet. In anderen Worten: Er ist viel im Regenwald unterwegs. Dort muss er laut eigener Aussage Anfang März von einem Moskito gestochen worden sein. So ist die Bremsenlarve wohl in seinen Körper gelangt. Ein Umstand, über den sich Torres ungemein freut.

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Als ihm klar wurde, dass da kein komischer Pickel auf seinem Rücken heranwächst, sondern eine Babybremse, twitterte Torres begeistert über seinen neuen Lebenspartner. “Viele Kollegen und Kolleginnen antworteten, dass sie richtig neidisch seien – und sie fragten, ob es eine Babyparty gebe”, erzählt der Wissenschaftler.

Wir haben Torres angerufen, um herauszufinden, was da in der Entomologie-Community abgeht, wie es sich mit einer Fliege im Rücken lebt, und wie lange er sein “Baby” noch mit sich herumtragen will.

VICE: Was genau ist eine Dasselfliege?
Phil Torres: Eine Dasselfliege ist eine ziemlich große Fliegenart mit einer interessanten Geschichte. In den Tropen Südamerikas existiert eine Unterart, die Dermatobia hominis, die sich besonders gerne in Menschen einnistet. Dort sind manche Affen von kleinen, vulkanähnlichen Pusteln befallen – ein eindeutiges Anzeichen.

Wie hat sich die Bremse bei dir eingenistet?
Die Bremse legt ihre Eier gar nicht selbst im Menschen ab, sondern zuerst auf einem Moskitoweibchen. Ein solches Moskitoweibchen muss mich in den Rücken gestochen und so die Eier auf meine Haut übertragen haben. Meine Körperwärme hat die Eier dann zum Brüten gebracht und die Larven sind so lange auf meiner Haut herumgekrabbelt, bis eine von ihnen das Loch vom Moskitostich gefunden hat. Im Körper angekommen, fing die Larve dann an zu essen.

Viele Entomologen und Entomologinnen haben den Wunsch, eine Dasselfliege in sich zu tragen. Für uns ist das wie ein Ehrenabzeichen. Man bekommt so die Möglichkeit, die Natur auf eine sehr intime Weise zu untersuchen. Natürlich wäre es dafür praktischer, wenn sich die Larve in meinem Arm eingenistet hätte und nicht in meinem Schulterblatt. Aber mit einem Stativ und einer Kamera kann ich das Ganze trotzdem gut dokumentieren. Hoffentlich bleibt die Larve noch lange in meinem Körper.

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Die Larve einer Dasselfliege | Foto: Wikimedia Commons | CC BY 2.0

Wie fühlt es sich denn genau an?
Manchmal ist das Ganze echt schmerzhaft: Zwei- oder dreimal täglich fühlt es sich so an, als würde mich eine Biene in den Rücken stechen – und das eine Minute lang. Außerdem spüre ich, wie sich die Larve bewegt. Ich habe auch schon mal spaßeshalber zu meiner Frau gesagt: “Jetzt tritt sie wieder!” Als ob ich schwanger wäre.

Oh mein Gott.
Ja! Sie bewegt sich! Auf dem Foto sieht man, dass da überall so Widerhaken rausstehen. Deswegen kann man sie auch nicht rausziehen, weil sie sich mit diesen Haken eingraben. Wenn sie sich bewegen, drücken sie damit auf Nerven, was dann eben wehtut.

“Vielleicht ist das übertrieben, aber näher komme ich als Mann wohl nicht an das Erlebnis, ein Lebewesen zur Welt zu bringen.”

Ich kapiere es immer noch nicht ganz. Ist das für euch Entomologen, wie wenn sich andere bei einem gemeinsamen Partyurlaub ein Tattoo stechen lassen?
Genau so ist es. Entomologen, die viel Zeit in den Tropen verbringen, machen das häufig. Wenn jemand eine Dasselfliege hat, dann ist da so: “OK, Respekt.” Das zeigt, dass sie schon länger dort sind und auch schon in Gebieten mit Bremsen waren. Auf der ersten Tour legt sich so gut wie niemand eine zu. Es ist möglich, aber im Grunde ist es ja Zufall, dass man von einer Mücke gestochen wird, die solche Eier in sich hat.

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Phil Torres bei der Arbeit

OK. Ich bin trotzdem angeekelt.
Meine Frau beschwert sich regelmäßig bei mir, weil ich immer so ein Grinsen im Gesicht habe, wenn ich davon rede. Aber irgendwie ist es cool, dass etwas aus den Tropen in meinem Rücken lebt, während ich durch Brooklyn laufe.

Wie lange soll die Larve denn drinbleiben?
Am liebsten, bis sie von allein rauskommt. Nach vier, fünf Wochen sind die Larven meist so weit, dass sie sich verpuppen – wie bei einem Schmetterling. Das machen sie nicht im Körperinneren. Sie wird dann rausklettern und sich in den Boden graben, um sich dort zu verpuppen. Es ist recht schmerzhaft, wenn sie sich rauswühlt, also merke ich das im Idealfall und kann sie einfangen, in die Erde stecken und warten, dass mein Baby erwachsen wird.

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Nahaufnahme der Wunde in Torres’ Rücken, in der die Larve lebt

Hast du schon mal Insekten großgezogen?
Seit meiner Kindheit ziehe ich Käfer und Schmetterlinge groß. Ich hatte auch eine Tarantel als Haustier. Aber dieses Insekt ist für mich was anderes. Ich habe mit einer Schwangeren gesprochen und sie davon überzeugen können, dass ich vielleicht 0,1 Prozent vom Erlebnis des Kinderkriegens teile. Ich habe gesagt, dass ich die Tritte spüre. Dass es auf verschiedene Aktivitäten reagiert. Dass es buchstäblich aus meinem Fleisch und Blut besteht. Da hat sie mir den kleinen Prozentbruchteil zugestanden. Vielleicht ist das übertrieben, aber näher komme ich als Mann wohl nicht an das Erlebnis, ein Lebewesen zur Welt zu bringen.

Gibt es außer den Schmerzen noch andere negative Auswirkungen?
In seltenen Fällen hat sich daraus bei anderen schon eine schlimmere Infektion entwickelt. Manche sagen, sie hätten Schlafprobleme, also kann es auch eine psychologische Herausforderung sein. Aber ich gehe vorsichtig damit um. Wenn es aussieht, als würde es sich entzünden, gehe ich zum Hautarzt und frage mal, ob sie dort gewillt sind, die Larve operativ zu entfernen.

“Wenn ich dusche und Wasser über das Loch in meinem Rücken läuft, spüre ich den Schmerz – dann kriegt es ja keine Luft und muss sein Hinterteil rausstrecken. Es ist einfach cool, dieses kleine Tier in mir zu haben.”

Eine Art Kaiserschnitt. Welche Optionen hättest du denn, wenn sich Ärzte weigern zu operieren?
Es gibt Hausmittel. Manche sagen, man könne Zigarettenrauch auf sie blasen und dann würden sie versuchen rauszuklettern – weil Nikotin auch ein Insektizid ist. Andere schmieren Vaseline drauf und kleben 24 Stunden lang Gafferband drüber. Das bringt die Larve dazu, ihr Hinterteil rauszustrecken, um mit den Atemöffnungen, den sogenannten Spirakeln, zu atmen. Dann kann man sie greifen und rausziehen. Ich habe auch von anderen Methoden gehört, die ich aber nicht empfehlen würde: Manche sagen, man solle sich ein Stück Fleisch auf den Rücken legen. Dann soll die Larve sich durch das Fleisch vorarbeiten und somit rauskommen. Aber rohes Fleisch auf offenen Wunden kann zu schrecklichen Infektionen führen.

Sind Bremsen missverstanden? Die meisten Leute sehen so ein Ding und denken: “Töte es!”.
Für mich sind das faszinierende Tiere mit einer sehr interessanten Geschichte. Dass sie nicht normal Eier legen, sondern sich einen Moskito schnappen und das Ei damit in einen Wirt befördern, finde ich unfassbar interessant. Und genau deshalb lasse ich das Tierchen auch bei mir bleiben und drehe ein Video drüber, um Leute darüber zu informieren.

Es ist ja nicht wie bei anderen Parasiten, die zum Beispiel am Ende ins Gehirn gelangen können. Das Ding bleibt, wo es ist. Nur wenn es mal Luft schnappen muss, streckt es sein Spirakel raus. Wenn ich dusche und Wasser über das Loch in meinem Rücken läuft, spüre ich den Schmerz – dann kriegt es ja keine Luft und muss sein Hinterteil rausstrecken. Es ist einfach cool, dieses kleine Tier in mir zu haben. Das ist mein Kleiner.

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