Obwohl wir Menschen schon seit jeher unterschiedlichste Verlangen verspüren, ist es unglaublich schwer, dieses Gefühl bildlich festzuhalten. Der belgische Fotograf Jo Bogaerts hat gut eineinhalb Jahre genau damit zugebracht. Das Ergebnis sind schonungslose Bilder, die jetzt in der Fotoreihe Desire zusammengefasst wurden. “Die Fotografie ist ja auch eine Form des visuellen Verlangens”, sagt Bogaerts. “Man will etwas verewigen, das im nächsten Moment wieder weg sein könnte.”
Bogaerts fing im Sommer 2020 mit seinem Projekt an und versuchte von Anfang an, mit den Porträts die sexuellen Vorlieben, Fetische und Fantasien seiner Models einzufangen. Die Shootings, die normalerweise zwischen vier und fünf Stunden dauern, beginnen dabei immer mit einem längeren Gespräch, bei dem die Models Bogaerts von ihren Verlangen erzählen – und davon, was passiert, wenn diese Verlangen befriedigt werden.
Videos by VICE
Um die Persönlichkeiten seiner Models so intim wie möglich zu dokumentieren, sei es ihm am liebsten, sagt Bogaert, sie zu Hause abzulichten. Dort fühlten sich die Menschen am wohlsten, und es sei ihm möglich, jedes Mal andere Fotos zu bekommen. “Ich habe dann absolut keine Kontrolle darüber, was am Ende herauskommt”, sagt er.
Bogaerts hat auch keine Kontrolle, wenn er das Shooting vorbereitet und das Set aufbaut: Seine Models entscheiden, wie viel und welche Kleidung sie auf den Fotos tragen und ob die Fotos bestimmte Elemente oder Thematiken beinhalten sollen.
“Das muss gar nichts Außergewöhnliches sein”, sagt Bogaerts. “Mein erstes Shooting für dieses Projekt hatte ich mit einem Mann, der wollte, dass ich bei seinen Fotos Unterwürfigkeit abbilde. Er hatte sich schon sein ganzes Leben danach gesehnt, sich jemandem zu unterwerfen, konnte dieses Verlangen aber nie wirklich ausleben.” Ein verheiratetes Pärchen bat Bogaerts, sie wie in einer außerehelichen Affäre zu porträtieren. Eine andere Frau wollte nach einer Brustrekonstruktion ihre Sexualität wiederentdecken, und ein weiteres Model wollte das Verlangen nach dem Partner in einer Fernbeziehung darstellen.
Der Prozess sei “einfach, aber sehr intensiv”, sagt Bogaerts. Es brauche dafür schnell viel Vertrauen zwischen dem Fotografen und dem Model. “Durch die Vorbereitungsgespräche erfuhr ich, dass fast alle Frauen schon mal mit irgendeiner Form mit Belästigung und Aggression durch Männer zu tun hatten”, sagt Bogaerts. Viele Models hätten sich ihm gegenüber geöffnet, was das Thema für den Fotografen viel persönlicher gemacht habe. “Deswegen ist es mir extrem wichtig, dass sich meine Models während des gesamten Shootings wohl fühlen”, sagt er.
Bogaerts benutzt bei seinen Shootings eine analoge Kamera, die er bei den Reisen mit seiner Freundin von einem Pärchen geschenkt bekam. Weil man bei dieser Art der Fotografie keine direkten Ergebnisse sieht, und so das Verlangen nach den fertigen Bildern steigt, entschied sich Bogaerts für sein Desire-Projekt, auf Film zu setzen. “Letztendlich weiß man nie, wie das Shooting laufen wird”, sagt der Fotograf. “Und Bilder können einen schnell in die Irre führen: Sie entsprechen nur selten dem Thema, über das ich am Anfang mit den Models nachgedacht habe.”
Es folgt eine Auswahl an Fotos aus dem Desire-Projekt: