Wenn sich die politischen Oberhäupter dieser Welt für offizielle Events in Europa treffen, stellen die Organisatoren oft Köche von Euro Toques für das Catering an.
Euro Toques wurde 1986 von den französischen Köchen Paul Bocuse und Pierre Romeyer gegründet und hat das Ziel, die kulinarischen Traditionen Europas zu erhalten. Dafür holt sich die Organisation nur die besten Köche in die eigenen Reihen.
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Der aktuelle Präsident, Enrico Derflingher, bekocht seit über 30 Jahren die mächtigsten Menschen der Welt. Derflingher wurde in der italienischen Stadt Lecco am Comer See geboren und schaffte es mit gerade mal 26 Jahren in die Küche des Buckingham Palace.
“Nach meiner Ausbildung an einer Hotelfachschule fing ich an, in Luxushotels und in mit Michelin-Stern ausgezeichneten Restaurants zu arbeiten”, erzählt Derflingher am Telefon.
Eines Tages bemerkte er eine Zeitungsannonce, in der eine Catering-Stelle in der italienischen Botschaft in London ausgeschrieben war. Derflingher bewarb sich – mit Erfolg. “Als ich dort ankam, wurde mir dann aber mitgeteilt, dass ich direkt am nächsten Tag als Koch für die königliche Familie anfangen würde. Damit hatte ich nicht gerechnet”, sagt er. Nur 24 Stunden später wurde er in die Etikette für königliche Privatköche eingewiesen, danach brachte man ihn per Auto zum Buckingham Palace.
Während seiner Zeit als Privatkoch für die britische Königsfamilie leitete Derflingher alle acht Küchen des Buckingham Palace und musste darauf achten, selbst die extravagantesten Wünschen zu erfüllen, ohne dabei selbst die altertümlichsten Regeln zu brechen.
“Unsere Aufgabe bestand nicht nur darin, die Menüs für offizielle Veranstaltungen vorzubereiten, sondern solche Menüs auch für jeden Tag der Woche zu gestalten”, sagt der Koch. “Also erstellte ich jeden Montagmorgen den Speiseplan, den jeder einsehen konnte – auch Prinzessin Diana. Ich arbeitete ja offiziell im Kensington Palace, wo Prinz Charles und Diana lebten.”
Schon lange bevor die Ökobilanz von Lebensmitteln ein Ding war, bestand die britische Königsfamilie darauf, dass die meisten Zutaten ihrer Speisen von den Familienanwesen stammen. “Vor allem Prinz Charles liebte den Gartenanbau und achtete sehr darauf, was auf seinem Teller landet”, sagt Derflingher. “Die Butter stammte von den eigenen Kühen, das Wild von den Jagdausflügen und das Gemüse aus den königlichen Gärten.”
Laut Derflingher sei die Queen kulinarisch sehr diszipliniert und auf Förmlichkeiten bedacht – das heißt, von ihr kommen weder Pizzawünsche um zehn Uhr morgens noch Bitten um extravagante Mitternachtssnacks. Der kulinarische Alltag im Buckingham Palace sei geprägt von Mahlzeiten, die auf die Sekunde genau geplant werden. “Mittags gibt es einen schnellen Imbiss, um 17 Uhr Tee. Kurz darauf folgt ein Aperitif, und eine Minute vor 20 Uhr sitzt die Queen dann am Tisch für das Abendessen”, sagt der Koch.
Wenn die Queen aus ihrem Stuhl aufsteht, muss jeder aufstehen – so lautet die Regel. Wenn du noch nicht fertig gegessen hast, wenn sie nach hinten rückt, musst du also schnell deinen Bissen herunterschlucken. Derflingher kann auch bestätigen, dass die Queen sich – genau wie ihre Mutter – gerne mal ein Glas Whisky gönnt. Zu Derflinghers Zeiten im Buckingham Palace war ihr Lieblingswhisky ein Scotch der Marke Lagavulin, der bis 2010 noch mit dem königlichen Gütesiegel ausgezeichnet war. “Für die Royals hatten sie sogar spezielle Flaschen“, sagt Derflingher. Die Queen stehe aber auch total auf Gin und soll sogar schon ihren eigenen Drink mit Pflanzen aus dem Hofgarten kreiert haben.
Aber nicht alle Mitglieder der königlichen Familie machen sich in Sachen Kulinarik so viele Gedanken. “Als Kinder wollten Prinz Harry und William oft Pizza, Hamburger und Spaghetti mit Fleischklopsen”, erzählt Derflingher. Andere Familienmitglieder verlangten da schon viel außergewöhnlichere Gerichte – etwa Erdbeeren im Januar, Rhabarber-Eis oder einen Schokobrunnen.
“Apropos persönlicher Geschmack, Prinz Charles liebte gefüllte Pasta wie Ravioli oder Lasagne, während Diana gerne Spaghetti aß”, sagt Derflingher. “Und die Queen mochte Lamm oder Rind mit einem Salat.”
Eine weitere Regel, an die sich alle Angestellten halten mussten: Sie durften nicht mit den Royals reden, wenn die sie nicht zuerst ansprachen. Einmal bestellte die Queen Derflingher ins Speisezimmer, wo sie gerade mit Gästen aß, um ihm ein Kompliment für das Risotto auszusprechen. “Sie fragte mich, was ich mir als Dankesgeschenk wünschte. Ich antwortete, dass ich eine Kupferpfanne mit dem Emblem von Queen Victoria toll fände”, sagt der Koch.
Die britischen Royals sind aber nicht die einzigen mächtigen Personen, die Derflingher bekocht hat. So war der Koch auch schon für unzählige Staatsdinner in Italien und in verschiedenen Botschaften verantwortlich. Und 1989 wurde er der britischen Königsfamilie vom damaligen US-Präsidenten George Bush Senior quasi weggeschnappt, um im Weißen Haus zu kochen. “Charles hat immer mit mir und meiner Kochkunst angegeben”, sagt Derflingher. “Einmal kochte ich für eine Veranstaltung in London, bei der George Bush Senior, Ronald Reagan und Michail Gorbatschow anwesend waren. Präsident Bush wollte mich um jeden Preis haben, also wechselte ich rüber ins Weiße Haus.”
Wie Derflingher erzählt, war die Atmosphäre an seinem US-amerikanischen Arbeitsplatz ganz anders als die an seinem britischen. “Die königliche Förmlichkeit wurde ersetzt durch die Ungezwungenheit des Präsidenten. Er liebte es, typisch texanische BBQ-Partys für 50 Leute im Garten zu schmeißen, und war wie besessen davon, dass alles sicher ist”, sagt der Koch. “Wenn Bush zum Beispiel auf die Toilette musste, schrieb er das auf einen Zettel. Die Nachricht wurde an den Sicherheitschef weitergegeben, der dann nachschaute, ob auf dem Klo alles sicher ist.”
“Natürlich hat man an einem so historischen Ort immer das Gefühl, ein Teil der Geschichte zu sein”, sagt Derflingher. So wurde dem Koch einmal aufgetragen, schnell ein Gericht für den US-Präsidenten zuzubereiten, als der gerade entschied, ob er den Zweiten Golfkrieg anfangen soll oder nicht.
Nachdem Derflingher lange an historischen Orten gearbeitet hatte, eröffnete er das Hotel Eden in Rom, wo er neun Jahre lang arbeitete und für hochrangige Gäste wie Margaret Thatcher oder George Bush Junior – den Sohn seines Ex-Arbeitgebers – kochte. Danach zog er weiter ins Palace Hotel in St. Moritz, bevor er in Japan 30 Restaurants eröffnete und leitete – darunter auch das Armani Restaurant im Ginza Tower in Tokio.
Heute arbeitet Derflingher an einem Projekt in China, das Catering-Services und mehrere Kochschulen für die italienische Küche beinhalten wird. Selbst nach all den Jahren hat der Koch anscheinend noch lange nicht genug von der Gastronomie.