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Hinter Gittern

Dieser Typ bereitet reiche Kriminelle aufs Gefängnis vor

Für manche lohnt sich Verbrechen eben doch.

"Ich bin eine Mischung aus Priester, Psychiater, Life Coach und Anwalt", erzählt Larry Levine. "Einer meiner Klienten ist heute Morgen wegen eines Hypothekenbetrugs in Haft gekommen. Er hat zu mir gesagt, dass ich ihn besser beruhigt hätte als sein Anwalt."

Wenn (reiche) Menschen keine andere Option mehr haben, rufen sie Levine an. Sie wurden geschnappt, eines Verbrechens überführt und stehen kurz vor der Verurteilung. Ihnen droht eine Gefängnisstrafe. Der Zeitpunkt ist gekommen, über die Anstellung eines Haftberaters nachzudenken. Dabei handelt es sich um jemanden, der das Gefängnissystem wie seine Westentasche kennt und alles dafür tut, die Haft so angenehm und reibungslos wie möglich zu gestalten.

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Levine lernte die Abläufe hinter Gittern kennen, als er zehn Jahre in einem Staatsgefängnis saß – wegen Drogenhandels und Aktienbetrugs. Nach seiner Freilassung im Jahr 2007 startete er mit seinem "American Prison Consultants"-Dienst voll durch und verkaufte sein im Knast gesammeltes Wissen als Expertise.

Im Laufe der Jahre kamen immer mehr Haftberatungsunternehmen auf. Das hat seine Gründe: Wirtschaftskriminalität wird niemals verschwinden und Cyberverbrechen befinden sich auf dem Vormarsch. Die kriminelle Elite der US-Metropolen besitzt genügend Geld, um sich die Dienste von Menschen wie Levine leisten zu können. Sein Job besteht daraus, seine Klienten genauestens darüber zu informieren, wie sich ihr Leben verändern wird.

"Leuten aus dem Rauschmittel- oder Medikamentengeschäft kann ich zwar auch helfen, aber die wissen sowieso schon besser Bescheid, weil sie mit der Straße vertraut sind", erklärt Levine. "Bürohengste, die Bestellungen reinbekommen und mit riesigen Geldbeträgen jonglieren, verlieren hinter Gittern plötzlich all ihre Macht. Auf einmal sagt ihnen ein 26-jähriger Ex-Militär, wo es langgeht. Für die ist das wie ein Kulturschock."


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Levine will seine Klienten davon überzeugen, dass sie in ihm einen gut informierten Freund mit rechtlicher Expertise sowie einer typischen Knast-Gerissenheit finden. Er bietet innere Ruhe durch ehrliche Rhetorik. Auf einer von Levines vielen Websites lässt sich zum Beispiel ein Survival-Guide für das Leben hinter Gittern finden – inklusive Tipps wie "Beim Telefon niemals vordrängeln" oder "Niemals ungefragt den Fernsehsender wechseln".

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"Ich erkläre meinen Klienten, was sie wissen wollen", erzählt Levine über seine Kundengespräche. "Sie stellen mir Fragen und ich erkläre ihnen, was sie mich hätten fragen sollen." Levines Service soll Managern bei ihrer Angst vorm Gefängnis helfen, doch ein Großteil seiner Dienste besteht daraus, die Möglichkeiten der Haftverkürzung voll auszuschöpfen. Der häufigste Tipp ist hier das sogenannte Residential Drug Abuse Program (RDAP), ein intensiver, sechsmonatiger Entzug für drogenkonsumierende Häftlinge. Weil bei erfolgreicher Absolvierung eine Verkürzung des Gefängnisaufenthalts winkt, sind die Plätze hart umkämpft.

Charles Burke landete wegen Überweisungsbetrug hinter Gittern. Ihm blühten 33 Monate Haft, aber Levine klärte ihn über den Entzug auf. In Verbindung mit einem Schuldeingeständnis musste Burke nur 13 Monate im Gefängnis verbringen.

"Larry hat mich wirklich vor Schlimmerem bewahrt", erzählt Burke, dessen uneingeschränkte Empfehlung sich auf Levines Website findet. "Er sagte, dass ich bei guter Führung und mit dem RDAP ganz schnell wieder draußen wäre. Das beruhigte mich ungemein."

Burke war laut eigener Aussage süchtig nach Alkohol und Marihuana. Dank Levines Rat machte er es sich dann hinter Gittern sofort zum Ziel, in das Entzugsprogramm aufgenommen zu werden. Einigen seiner Kumpels, die ebenfalls ins Gefängnis kamen und nicht von Levine vorbereitet wurden, verweigerte man die Aufnahme. "Wenn man am ersten Tag nicht ordentlich auf die Fragen des Psychiaters antworten kann, ist man sehr wahrscheinlich direkt raus", erklärt Burke.

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Dem Geschäft der Haftberatung haftet ein Hauch von kapitalistischem Nihilismus an: Rivalen haben es aufeinander abgesehen und versuchen, sich gegenseitig den Ruf zu ruinieren. Ihre Klienten sind meistens reich und mächtig. Das bedeutet, dass sie selbst im ausgleichenden Umfeld eines Gefängnisses irgendwo einen Vorteil haben. Auf gewisse Art und Weise hat Levine sein Business darauf aufgebaut, den Menschen mit genügend Kleingeld zu versichern, dass sich die Rückkehr in die goldene Freiheit mit ein paar Tricks beschleunigen lässt.

Bei der Haftberatung gibt es keine Vorgaben und die Preise variieren stark. Für die Klienten ist es da natürlich nur schwer einzuschätzen, ob sie über den Tisch gezogen werden. Und in einem New York Times-Artikel von 2012 gibt Levine selbst zerknirscht zu, dass dank des schnellen Wachstums der Branche auch immer mehr Leute mitmischen, die keine Ahnung haben, was sie da machen.

"Ich rechtfertige meine Tätigkeit folgendermaßen", sagt Levine über seinen Job. "Ich habe zehn Jahre in elf verschiedenen Gefängnissen verbracht. Dabei durchlief ich mehrere Sicherheitsstufen. Als ich rauskam, musste ich komplett bei Null anfangen. Ich habe meine Zeit hinter Gittern einfach in etwas Sinnvolles umgemünzt, das gut funktioniert."

Wissen ist und bleibt Macht. Und eingeschüchterte Topverdiener, die im Gefängnis keins von beidem besitzen, werden auch in Zukunft viel Geld für wertvolle Tipps und Tricks für ihre Zeit hinter Gittern auf den Tisch legen.

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