Popkultur

Dieser Weihnachts-Actionfilm will zeigen, wie niederträchtig reiche Menschen sind

Der blutverschmierte Weihnachtsmann lehnt an seinem Schlitten. Im Film Violent Night tötet Santa Claus Verbrecher

Die Kernfamilie aus Vater, Mutter, Kind ist ein prähistorisches Relikt. Und um das zu verstehen, brauchen wir gar nicht den besoffenen Weihnachtsmann und auch nicht die brutalen Splatter-Szenen. Es ist die Familie selbst, die im Film Violent Night von Tommy Wirkola beweist, dass es uns als Gesellschaft besser gehen könnte, wenn wir einfach darauf verzichten würden, dem Verhältnis von Großeltern, Eltern und Kindern den Stellenwert einzuräumen, den in Deutschland sonst nur Autos haben und in den USA, keine Ahnung, Schusswaffen oder Weißkopfseeadler oder Autos.


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In dem Film spielt David Harbour den Weihnachtsmann. Der ärgert sich darüber, dass Kinder heutzutage so materialistisch geworden sind. Der Kapitalismus hat schon die Kleinsten zu gierigen Akquisiteuren von Wertgegenständen verkommen lassen. Wer hat, der erwartet, dass ihm mehr gegeben wird. 

Santa hat deshalb lieber eine gute Zeit, als seinen Job nüchtern zu verrichten. So beginnt der Film in einer Kneipe an Heiligabend, bevor Santa seine Schicht antritt. Er plaudert mit der Barkeeperin und einem anderen desillusionierten Santa Claus am Tresen. Beide wissen natürlich nicht, dass er der wahrhaftige, der echte, der seit tausend Jahren alljährlich im heiligen Dienste antretende Weihnachtsmann ist, der da komplett weggeballert Unsinn zu reden scheint. Als er schließlich aufs Dach steigt, um mit seinem Schlitten davonzudüsen, kotzt er noch auf die Kellnerin, die ihm ungläubig hinterherguckt. Damit ist der Humor des Films gesetzt.

Gliedmaßen werden zertrümmert, Köpfe penetriert und ganze Körper zusammengefaltet.

Körperflüssigkeiten werden im Laufe des Films noch eine größere Rolle spielen. Nämlich ab dem Zeitpunkt, als Santa in die Geiselnahme einer Millionärsfamilie platzt. In dem Anwesen der Matriarchin haben Räuber die Kontrolle übernommen und wollen an den dicken Batzen Cash, der im Tresor lagert. Bald schon strömt nicht mehr Weihnachtszauber durch das Haus, sondern das Blut der Geiselnehmer, als Santa sich einen Vorschlaghammer greift und damit auf die Körper der Verbrecher eindrischt, um die Familie zu retten. 

Gliedmaßen werden zertrümmert, Köpfe penetriert und ganze Körper zusammengefaltet. Santa ist ein harter Kerl mit einem Hang zu sadistischen Tötungsmethoden, die er auch dann anwendet, wenn man nicht mehr wirklich von Notwehr sprechen kann. Santa ist nicht mehr der nette Onkel mit dem Rauschebart, Santa hat Bock auf Mord.

Santa zerquetscht Santa Mörder-Körper

Und so spaltet der Film sich bald in zwei Teile. Einerseits zerquetscht Santa Mörder-Körper, andererseits streiten Familienmitglieder miteinander um das Erbe der Matriarchin. Wobei, eigentlich streitet nur die Schwester des sympathietragenden Good Guys, gespielt von Alex Hassell, den man vielleicht noch aus The Boys kennt. Denn dieser Good Guy will sich eigentlich von seiner toxischen Familie lossagen und gibt vor, das Erbe gar nicht zu wollen.

Die Actionszenen sind derweil meistens ganz geil. Es gibt zahlreiche Anlehnungen an Stirb Langsam (Der Weihnachtsmann kämpft sich alleine durch das Haus) und Kevin allein zuhaus (Es gibt brutale Fallen). Manchmal wünscht man sich noch mehr Härte, noch mehr Blut und Gedärm, weil man das Gefühl hat, dass der Film das eigentlich zeigen will, in letzter Sekunde aber wieder den Schwanz einzieht. Trotzdem ist die Action größtenteils cool choreografiert und teilweise kreativ umgesetzt.

Nur die Figuren sind mega nervig und flach, ihre Motivation bleibt weitgehend oberflächlich und schwer nachvollziehbar. Wenn sich also die ruhigen Momente an die lauten anschließen, wird es langweilig in der besinnlichen Nacht. Als Zuschauer ist es mir schlicht schnurzegal, ob die Schnösel sterben oder nicht. 

Denn Violent Night findet sich ziemlich schlau. Es gibt zwei, drei Twists, die funktionieren würden, wenn es mir nicht so egal wäre, was passiert. Durch diese Twists aber, oder besser durch inhaltliche Entscheidungen der Macher, erhält der Film eine zweite Ebene, ob er will oder nicht. Und wenn ihr die selbst entdecken wollt, dann lest ihr an dieser Stelle vielleicht nicht weiter. Spoiler:

Das besagte Erbe, das erklärt der Film irgendwann als einen dieser Twists, stammt aus Korruption. 300 Millionen Dollar liegen da im Tresor der Mutter und waren eigentlich mal dazu gedacht, im Rahmen eines dieser US-Kriege im Nahen Osten einen Öl-Deal abzuschließen. Aber statt das Geld dafür zu nutzen, hat die Mutter es gestohlen und in besagten Tresor gesperrt. 

Superreiche auf die Guillotine

Der Film impliziert schon, dass das ein Problem sein könnte, wenn auch eher lustig. Dass hier aber eine ganze Familie selbstverständlich Anspruch auf Steuergelder erhebt, thematisiert er nicht explizit. Dass Superreiche also wortwörtlich Geld stehlen, das der Allgemeinheit zusteht, einfach nur, weil es ja im Familienbesitz ist, muss man als Kommentar auf die Ungerechtigkeiten des Kapitalismus verstehen. Und wie allgemein die Allgemeinheit ist, kann man auch hinterfragen, schließlich dienen Öl-Deals ja nur allzu oft Unternehmen und deren Besitzern oder Handlangern in Politik, Wirtschaft und Militär, um hier einmal an das Kabinett der Ära George W. Bushs zu erinnern.

So wirft der Film die Frage auf: Ist nicht auch Erbschaft so etwas wie Diebstahl von Geldern, die der Allgemeinheit zustehen? Warum sollte die Tochter einer Milliardärin ein Recht auf das Vermögen ihrer Mutter haben? Es ist diese Anspruchshaltung, auf die Violent Night aufmerksam macht. 

Der Weihnachtsmann als Beschützer der Familie ist zwar konsequent, aber gleichzeitig auch missverständlich. Er steht zwar für familiäre Werte, nichts anderes ist ja Weihnachten, andererseits repräsentiert er das Gute, das Liebevolle und Gemeinschaftliche. Und nicht nur die Interessen derjenigen, denen es ohnehin schon gut genug geht. Zwar liegt seine Loyalität vor allem bei der Tochter des Good Guys, die immerhin Schwarz ist, also eine wirtschaftlich schwächere Gruppe repräsentiert, und deren Mutter. Die will offensichtlich nicht zu dem widerlichen Geldadel gehören, also dem Rest der Familie. Und doch ist es Santa Claus, der die Familie und ihre Reichtümer beschützt.

Der Weihnachtsmann ist ein Verräter

Denn, auch die Frage kann man stellen: Haben nicht auch die Verbrecher unsere Sympathie verdient? Also natürlich, bei ihrem Überfall erschießen sie die Angestellten der Familie, was man als Klassenverrat werten kann. Aber die Motivation des Obergangsters, gespielt von John Leguizamo, ist schon nachvollziehbar. Er hat halt wenig Geld.

Beim Showdown prügelt er sich mit dem Weihnachtsmann. Die beiden schlagen sich mit allem, was schnell zur Hand ist, der Weihnachtsmann gewinnt, bleibt aber tödlich verwundet zurück. Die Familie versammelt sich um ihn und nutzt einen Teil des gestohlenen Geldes, um ihn zu wärmen. Als jedes Familienmitglied daraufhin seinen Glauben an den Geist der Weihnacht bekräftigt, reicht das aus, um Santa wieder zum Leben zu erwecken. 

Die Familie erinnert sich also an die Werte, die mit Weihnachten verbunden sind. Familie. Man hatte sich schon fast komplett voneinander entfremdet über die Frage, wem das Geld gebührt, doch schließlich sehen die einzelnen Mitglieder ein, dass die Familie zusammen am wirkungsvollsten bleibt. 

Spukt der Geist der Weihnacht die Gesellschaft tot?

Die Superreichen nutzen also einen winzigen Teil ihres unendlichen Vermögens, um ihren Beschützer zu retten. Und selbst darum streiten sie sich. Am Schluss ist es aber der Glaube, der den Ausschlag gibt. 

Der Schulterschluss aus Gewalt, Religion und Reichtum zersetzt den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Denn der Glaube dient nicht nur dazu, den Reichen die Mittel an die Hand zu geben, um zueinander zu finden. Er nutzt am Ende auch nur den Reichen, wenn er diejenigen in Fetzen prügelt, die an ihr Geld wollen. 

Die Botschaft des Films ist klar: Familiäre Werte sind verlogen und dienen dem Machterhalt der herrschenden Klassen, die sich währenddessen hemmungslos am Gemeinwesen bereichern. Und der Glaube ist am Ende auch nur ein Machtinstrument des Establishments.

Kurz: Violent Night ist ein zutiefst mittelmäßiger Film, der trotzdem Spaß macht und gleichzeitig schlau verpackte Sozialkritik auf sein Publikum ballert. Auch wenn er das vielleicht selbst gar nicht weiß. Oder will.

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