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Interviews

Wir sprachen mit dem Anwalt, der einen Feldzug gegen Facebook führt

"Gelyncht gehört das Vieh!" – "Benzin drüber und anzünden allesamt!" Wegen solcher Kommentare hat er das Unternehmen bereits zum vierten Mal angezeigt.

Der Würzburger Anwalt Chan-jo Jun

Alle mögen Nippel, nur Facebook nicht. Bilder mit nackten Frauenbrüsten werden von der Content-Polizei des Unternehmens gnadenlos in die digitale Mülltonne geschmissen. Bei Hassposts drückt man hingegen gerne mal ein Auge zu. Na klar, Rassisten und Hetzer meinen das schließlich alles nicht so, das sind doch keine schlechten Menschen. Aber Nippel sind gefährlich, die mauern Moscheen zu und zünden Flüchtlingsunterkünfte an.

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Immer wieder gibt es Kritik an Facebook wegen des laschen Umgangs mit Hetze auf der Seite. Ein Mann hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Unternehmen dafür zur Rechenschaft zu ziehen: Chan-jo Jun, Anwalt aus Würzburg, Spezialgebiet: IT-Recht. In Hamburg zeigte er letztes Jahr erst die Geschäftsführer von Facebook Deutschland an, dann den Nordeuropa-Chef von der Firma und schließlich elf führende Manager des Unternehmens, darunter auch Mark Zuckerberg. Nachdem die Staatsanwaltschaft in Hamburg die Ermittlungen einstellte, zeigte Jun die elf Facebook-Oberen kurzerhand in München an.

Wir haben ihn gefragt, wie er zum Rächer der Hassopfer geworden ist und was er sich von den ganzen Klagen erhofft.

Screenshot eines Facebook-Kommentares

VICE: Es scheint, als führten Sie einen Feldzug gegen Facebook.
Chan-jo Jun: Ich wundere mich einfach, dass Facebook deutsches Recht scheinbar egal ist. Ich versuche nachzuweisen, dass das Unternehmen auch für Hasskommentare verantwortlich ist. Nachdem die Staatsanwaltschaft Hamburg scheinbar keine Lust hatte auf das Verfahren und es eingestellt hat, habe ich mich eben an die Staatsanwaltschaft in München gewandt.

Was haben Sie denn für ein Problem mit Facebook?
Letzten Sommer habe ich rechtswidrige Inhalte gemeldet, aber Facebook hat die Fälle einfach ignoriert. Deshalb habe ich Strafanzeige gestellt. Da bleibe ich jetzt dran, bis die Justiz übernimmt.

Eine meiner Sekretärinnen verbringt ein Drittel ihrer Arbeitszeit damit, Kommentare zu prüfen, die uns Nutzer melden und die Facebook nicht gelöscht hat. Wir schauen, ob sie justiziabel sind, melden sie dann und gucken immer wieder, ob sie entfernt wurden. Es scheint ja kein anderer zu machen.

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Was ist Ihre Erfolgsquote?
Facebook kann löschen, wenn sie es denn wollen. Während der Ermittlungen in Hamburg entfernte das Unternehmen bis zu 80 Prozent der von uns gemeldeten Fälle. Danach ist es wieder auf unter 20 Prozent gesunken.

Allein gestern habe ich achtmal die Meldung bekommen: "Wir haben den von dir wegen Hassbotschaften und -symbole gemeldeten Kommentar geprüft und festgestellt, dass er nicht gegen unsere Gemeinschaftsstandards verstößt."

Darunter waren Kommentare zu Flüchtlingen wie "Gelyncht gehört das Vieh!" oder "Benzin drüber und anzünden allesamt!"—die sind immer noch online.

Warum ist Facebook so geeignet für Hass?
Facebook hat eine Plattform geschaffen, frei von staatlicher Einmischung und Zensur. Man kann sagen, was man will. Wenn man dort nicht mehr einfach so beleidigen darf, dann fühlen sich die Leute eingeschränkt. Sie mögen den rechtsfreien Raum, die wollen gar nicht, dass auf Facebook deutsches Recht gilt.

Sie meinen die Rechten, denen Deutschland angeblich so wichtig ist?
Auf jeden Fall! Die hissen die deutsche Fahne im Garten und fordern, dass Einwanderer deutsche Werte annehmen. Aber das Grundgesetz soll nicht für "besorgte Bürger" gelten. Das verstehe ich nicht. Zur deutschen Kultur gehört halt auch Artikel 1 des Grundgesetzes: "Die Würde des Menschen ist unantastbar."

Was erhoffen Sie sich von der Klage?
Dass Facebook zur Verantwortung gezogen wird. Momentan reicht dem Unternehmen ein wenig Lobbyarbeit und ein Besuch von Mark Zuckerberg bei Politikern, um die Wogen zu glätten. Derzeit scheint es, als könnten amerikanische Unternehmen in Deutschland machen, was sie wollen.

Bisher lief es ja nicht so gut für Sie.
Wenn der Druck anhält und das Thema nicht beerdigt wird, dann wird Facebook auch nachgeben. Spätestens wenn die Staatsanwaltschaft in München eine Anklage erhebt, wird Facebook einlenken.