Dieter Hallervorden und seine Hymne für Verschwörungstheoretiker

Dieter Hallervorden ist eine Institution in Deutschland. Quasi der menschgewordene Humor der alten BRD. Da konnte man mal richtig lachen, wenn man abends mit ‘nem Bierchen vorm Fernseher sitzt. Immer ein bisschen schlüpfrig, weil Brüste, und ein bisschen verwirrt. Genau die Art von Humor, auf die sich die Deutschen einigen können. Weil, wer nicht über Busenwitze lachen kann, hat in diesem Land nichts verloren. Aber Schenkelklopfhumor ist ja nicht das einzige, was Deutschland eint. Antisemitismus natürlich auch. Und dann kommt irgendwann zusammen, was zusammen gehört.

Anlässlich seines 80. Geburtstags veröffentlicht Hallervorden ein Video mit dem Titel „Ihr macht mir Mut (in dieser Zeit)”. Er selbst bezeichnet das Video als Satire, wobei der satirische Aspekt irgendwie nicht so ganz klar wird. Hallervorden tritt also aus seinem Berliner Schlossparktheater und trifft auf eine Menge begeisterter Fans, denen er dann singend erklärt, dass sie ihm Mut machen, um dann damit fortzufahren, was ihn alles so stört. Und das ist so einiges. Hallervorden fühlt sich nämlich belogen von „Lügenprofis”, die ihm in einer Zeitung (die er dann später in eine Lagerfeuer wirft), anscheinend unwahre Geschichten erzählen. Sicherlich kann man Hallervorden keine Nähe zu Pegida vorwerfen (er wird die Einnahmen dieses Songs an Flüchtlinge spenden), trotzdem liegt die Assoziation zu den Lügenpresse-Rufern hier ziemlich nahe. Gemeinsam mit ihnen ist ihm auch die „Das wird mal wohl noch sagen dürfen”-Mentalität, bei der Fakten jetzt doch eher zweitrangig sind. Ganz besonders haben es aber Hallervorden Israel und die Juden angetan und da schreckt er auch vor keinem DDR-Vergleich zurück.

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„Israel macht Mauerbau, SED-Ideenklau”

Die Sperranlagen zwischen Israel und dem Westjordanland sind auch in Israel nicht unumstritten, trotzdem hinkt der Vergleich zur innerdeutschen Grenze gewaltig. Auf der einen Seite ein Unrechtsstaat, der die eigenen Bürger eingesperrt und bespitzelt hat, auf der anderen Seite die einzige Demokratie im Nahen Osten. Und mit vier Wörtern ist alles das Gleiche.

„Wenn die Börse wieder kracht, ewig bleibt die Bankenmacht. Willst ‘n offnes Wort riskieren, Spekulanten kritisiern, hängt ein Shitstorm gleich an dir.”

Aus gegebenem Anlass kann man sich heute in Deutschland nicht mehr unbedingt auf die Straße stellen und schreien „Juden sind scheiße.” Deswegen bedient man sich gerne antisemitischer Codes und faselt was von Zinsknechtschaft oder dem Ostküstenkapital. Sind wir mal ehrlich, wen könnte Hallervorden mit dieser Textzeile denn ernsthaft meinen? Wer fühlt sich angeblich angegriffen von Kritik der guten Deutschen am „Großkapital” und initiiert einen Shitstorm gegenüber dem unschuldigen Kritiker? Hallervorden wäre vermutlich empört, wenn man ihn als Antisemiten bezeichnen würde, und trotzdem benutzt er Codes, die nur eines bedeuten können. Was er am Ende damit sagen will, bleibt offen, aber das Publikum kann sich seinen Teil denken.

„Magst du Netanjahu nit, bist du schnell Antisemit.”

Den gleichen Gedanken führt er dann weiter, wenn er in anderen Worten sagt, „Man darf ja nichts sagen, sonst ist man gleich Antisemit.” Eigentlich ist es ja relativ einfach: Wenn man Netanjahu nicht mag, dann mag man Netanjahu nicht. Wenn man Netanjahu nicht mag, weil er Jude ist, dann ist man ein Antisemit. Niemand hat jemals ernsthaft behauptet, dass „man” Israel nicht kritisieren darf (oder Netanjahu). Wenn man jetzt aber wie Hallervorden argumentiert, sagt man damit auch, dass Kritik nicht möglich ist, weil man sonst zum Ziel eines ungerechtfertigten Antisemitismusvorwurfes wird. „Man” muss ständig Angst haben, das Falsche zu sagen, weil „die” (aka die Juden) alles kontrollieren und nicht zulassen, dass Kritik geäußert wird. Ist nur nicht so. Israel wird ständig kritisiert. Wenn Hallervorden Kritik an Israel üben will, dann kann er das jederzeit tun, ohne sich Antisemitismusvorwürfen ausgesetzt zu sehen, aber wenn Kritik daraus besteht zu sagen, „Israel darf man ja nicht kritisieren, weil ihr wisst schon….”, wird es direkt viel schwieriger.

„Nur wer rutscht auf seinen Knien, dem ham’ die USA verziehn”

Jetzt geht’s von antisemitischen Codes zu Antiamerikanismus, der mittlerweile in Deutschland zum guten Ton zu gehören scheint. Der in Deutschland lebende amerikanische Journalist Eric T. Hansen glaubt, dass die USA eine negative Projektionsfläche für viele Deutsche sind, auf die sie zeigen und sagen können: „Haha, die sind viel hässlicher als ich.” Nur dass das auch nicht so ganz stimmt. Während Angela Merkel sich zum Beispiel schon seit Jahren mit einer ernsten Magenverstimmung in Sachen Homoehe rumplagt, dürfen Homosexuelle mittlerweile in allen Staaten der USA heiraten. Natürlich gibt es auch dort Idioten, die damit nicht klar kommen, ändert aber nichts daran, dass LGBTs in dem Punkt rechtlich weit besser gestellt sind als in Deutschland.

Wahrscheinlich ist es besonders der Antiamerikanismus, der ihm Beifall aus einem Lager einbringt, mit dem er eigentlich gar nichts zu tun haben will:

Damit eins klar ist:Beifall und Zustimmung für meinen Song “Ihr macht mir Mut” von links- und rechtsaußen verbuche ich…
Posted by Dieter Hallervorden on Monday, September 14, 2015

Aber nicht nur RT Deutsch war ganz glücklich darüber, dass ein weiterer deutscher Promi auf den „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen”-Zug aufspringt, auch die ziemlich fragwürdige Band Die Bandbreite, zu deren Corporate Design scheinbar 9/11-Inside-Job-Hoodies gehören, hat ein Support-Video für Hallervorden veröffentlicht und unter seinen Facebook-Posts sammeln sich Mahnwachen-Freunde, GEZ-Kritiker und andere Verschwörungsideologen. Am Ende weiß natürlich niemand, was Dieter Hallervorden mit diesem Video sagen wollte, aber trotzdem brechen Menschen in Freudentaumel aus, weil endlich mal wieder jemand das sagt, von dem sie glauben, dass es alle denken.

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Foto oben: Imago/Raimund Müller