Wenn der Popzirkus eine Schule wäre, dann wäre Sam Smith der Typ, der immer pünktlich kommt, sich benimmt, brav seine Hausaufgaben macht und am Ende trotzdem eine 4 bekommt. Er gibt sich so viel Mühe dieser Sam Smith, nicht wahr? Er will doch nur in einer Gesellschaft leben, in der alle gleich sind und anhand ihrer Leistungen und nicht ihrem Status gemessen werden; in einer Gesellschaft, in der es statt Tinder klassische Romanzen gibt. Ja, tun wir das nicht alle, Sam? Tun wir das nicht alle? Als Mann in der Unterhaltungsindustrie, der aus seiner Homosexualität kein Geheimnis macht, setzt Smith seine Position manchmal dazu ein, um auf gesellschaftliche Ungerechtigkeiten aufmerksam zu machen—was eigentlich auch eine sehr gute Sache ist. Das Problem bei Smith ist nur, dass er offensichtlich nicht viel von der Welt, in der er lebt, mitzubekommen scheint. Wenn er also irgendwelche Themen sozialer Gerechtigkeit anspricht, kommt das selten so gut an, wie er sich das vorgestellt hat. Sam Smith ist der Typ, der kerzengrade im Englischunterricht sitzt und aufgeregt mit seinem Arm in der Luft rumfuchtelt. „Herr Lehrer“, sagt er, seine Stimme überschlägt sich dabei vor lauter Aufregung über seine neue Erkenntnis, „Aber Herr Lehrer, ist Hemingway nicht ein bisschen sexistisch?“
Smith wurde mit einer Stimme gesegnet, die ihn weit über den Shitstorm aus Rassismus, Frauenfeindlichkeit, Transphobie und anderen alltäglichen Ungerechtigkeiten, gegen die eine Menge Menschen heutzutage ankämpfen müssen, erhoben hat. Er befindet sich inzwischen auf einer Ebene, die so weit oben ist, dass er diese Kämpfe gar nicht mehr richtig sehen kann. Gelegentlich schaut er jedoch hinunter und schnappt versehentlich etwas Trauriges auf—etwas, dass in seinen Augen eigentlich seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr existiert. Er beobachtet, wie ein Freund in London rassistisch beleidigt wird, und ist dann „absolut Sprachlos“ aufgrund der Tatsache, dass es Rassismus heute immer noch gibt—heute, der Zeit von Kendrick Lamar, Form 696 und #BlackLivesMatter.
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Ja, natürlich meint er das alles gut. Er ist das Gesicht der Hoffnung in einer ansonsten erbarmungslosen Gesellschaft er ist das eine Mitglied einer Selbstmordsekte, das tatsächlich glaubt, die Bowle sei nur zur Erfrischung gedacht. Die Lösung für das Problem liegt, wie fast immer, in der Bildung. Leider können wir ihn nicht in einen Raum mit einem Computer sperren, von dem aus er nur Zugriff auf Jstor und Gawker hat. Was wir aber tun können, ist eine Liste mit Dingen erstellen, die er nicht weiß—dann kann er sie immerhin nachschlagen. Also los geht’s!
Dass offen homosexuelle Menschen vor ihm Oscars gewonnen haben
Sam Smith hat zusammen mit Jimmy Napes den Oscar für den Bond-Song „Writing’s on the Wall“ gewonnen. Smiths Dankesrede begann dann—wie so viele andere denkwürdige Dankesreden davor—mit den Worten: „Ich habe vor Kurzem einen Artikel gelesen.“ Der besagte Artikel enthielt ein paar Zitate von Sir Ian McKellen, der Hollywood vorwarf, sich von Vorurteilen leiten zu lassen. Das könnte laut McKellen auch Schuld daran sein, dass bislang kein offen homosexueller Mann wie er den Oscar als bester Hauptdarsteller gewonnen habe. Der Artikel erschien Januar im Guardian, also gehe ich mal davon aus, dass sich zwischen Lektüre und Dankesrede folgender Gedanke in Sam Smiths Kopf verfestigt hat: „Kein offen Homosexueller hat jemals irgendeinen Oscar gewonnen.“ Das hätte ihn zweifelsohne in eine prominente Position gerückt, nicht wahr? Tja, so war es aber nicht. Bei seiner Dankesrede tat er dennoch so, als ob. Um fair zu bleiben, geschah das immerhin mit der Einleitung: „Wenn das der Fall sein sollte, und selbst wenn dem nicht so ist.“ Wir können ihm also nicht vorwerfen, einfach dreist irgendwelche Sachen behauptet zu haben.
Was wir aber tun können, ist ihm freundschaftlich in die Rippen zu piksen, weil er keine Ahnung von den ganzen homosexuellen Menschen hat, die für unterschiedlichste Dinge mit Oscars geehrt wurden. Dazu gehören unter anderem: Drehbuchautor, Regisseur, Produzent und LGBT-Aktivist Dustin Lance Black, der 2009 den Oscar für das beste Originaldrehbuch für das gefeierte Schwulenrechts-Drama Milk gewonnen hatte. Und dann gab es da noch Bill Condon, Alan Ball, Melissa Etheridge, John Schlesinger, Stephen Sondheim und Elton „Jesus war ein mitfühlender, superintelligenter schwuler Mann“ John. Es ist also nicht ganz unverständlich, warum einige Menschen aus der LGBT-Community vielleicht etwas sauer sind, dass die Errungenschaften all dieser Menschen ausgelöscht und vom aktuellen Bond-Song ersetzt wurden—gerade Bond! Smith wurde wenig später darauf hingewiesen, dass er nicht der erste schwule Oscar-Gewinner war, woraufhin er dann antwortete: „Scheiße! Verdammt! Zwei ist meine Glückszahl, also kein Problem. Wer war der andere?“ Also Sam, vielleicht kannst du dir jetzt wenigstens einen von den anderen merken.
Dass Tom Daley nicht mehr zu haben ist, sondern mit dem Oscar-prämierten Drehbuchautoren, Regisseur, Produzenten und LGBT-Aktivisten Dustin Lance Black verlobt ist, den Sam Smith in seiner Dankesrede vergessen hatte
Wer Thom Yorke ist
Has Sam Smith listened to Radiohead’s #Spectre theme song…
Has SAM SMITH listened to Radiohead’s “Spectre” theme song? #GoldenGlobes
VarietyJimmy Napes ist der eigentliche Held der letzten zwölf Monate. Der Mann verdient einen eigenen Preis dafür, ständig neben dem kulturellen Vakuum Smith bei Preisverleihungen internationalen Renommees nebeneinander stehen zu müssen. Hier sieht man beide bei den Golden Globes und die Journalistin fragt Smith, was er davon hält, dass Thom Yorke Radioheads ungenutzten Bond-Song an Weihnachten veröffentlicht hat.
„Thom Yorke“, sagt Smith in der gleichen unbestimmten Tonlage, die meine Oma immer anstimmt, wenn sie so tut, als würde sich an etwas erinnern, was vor mehr als einer Woche passiert ist. „Radiohead“, entgegnet Napes, schluckt dabei sichtlich einen hühnereigroßen Klos Frustration hinunter und neigt seinen Blick betreten zu Boden. „Das kann doch nicht wahr sein“, denkt er sich, während vor seinem inneren Auge Überschriften aus dem FAZ-Feuilleton und Noisey dot com auftauchen: „Sam Smith zeigt sich bei der Erwähnung von Thom Yorke konsterniert“ / „LOL! SAM SMITH KENNT RADIOHEAD NICHT!“. Smith stottert sich derweil durch eine Antwort. „Nicht schon wieder.“
Dass Rassismus in Großbritannien existiert
Wie wir alle wissen, ist Rassismus seit Beginn des 20. Jahrhunderts auf der Welt eigentlich kein großes Thema mehr—vor allem nicht in Großbritannien, wo Rassismus faktisch so gut wie ausgestorben ist. Wir waren dann auch alle schockiert, als Smith in den Straßen von London etwas Rassismus erleben musste und dazu bei Twitter postete. „Ich hätte niemals gedacht, dass so etwas hier passieren könnte.“ Er schwor, „die Sache ans Licht zu bringen.“ Achtung Rassismus … Deine Tage sind gezählt!
Über Chris Brown
2014 hatte Chris Brown über Instagram ein Cover von „Stay With Me“ mit verändertem Text geteilt: „Oh, won’t you stay with me / ‘Cause I bought your new weave / Now I’d done spend my cheese / Bitch, you owe me.“ Der Song ist mittlerweile aus unerklärlichen Gründen entfernt worden. Wenn man allerdings bedenkt, dass Chris Brown vor allem für zwei Dinge bekannt ist—A) wegen Körperverletzung vor Gericht zu stehen, und B) ein ziemlich guter Tänzer zu sein—, dann würde mich nicht wundern, wenn die Anweisung direkt von seinem Anwalt kam. Wie auch immer, nachdem er den Song gehört hatte, sagte Sam (jemand, der mal twitterte: „@chrisbrown TURN GAY! PLEASE!? :-)“ in der Radiosendung In:Demand at V Festival: „Es war super. Ich liebe es. Es ist schon ziemlich komisch, weil ich ein großer Fan seiner Musik bin. Ich liebe Chris Browns Musik so sehr, ja. Ich würde ihn wirklich mal kennenlernen, also wer weiß? Es wäre cool, mal etwas zusammen zu machen.“
Diese Kollaboration steht noch aus, was hoffentlich auch so bleibt.
Wie man Segway fährt, ohne sich auf die Nase zu legen
OK, den lasse ich ihm. Uns ging es doch mal allen so.
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