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Sex

Ich habe noch nie masturbiert und mir geht es trotzdem gut

Für mich gibt es einfach zig interessantere Dinge, als alleine dazusitzen und meinen Schwanz zu bearbeiten.

Foto: Woodleywonderworks | Flickr | CC BY 2.0

Ab und an bekomme ich früh morgens mein Sperma zu sehen. Meine feuchten Träume sind gelegentliche Nachtbegleiter und das Gesicht meiner Partnerin ist darin immer undeutlich—wie eine Fingermalerei. In diesen Träumen sage ich dann Sachen wie „Vielen Dank für's Kommen" und berühre dabei ihren Phantomkörper. Sie meint daraufhin jedes Mal: „Ich bin froh, bei dir zu sein. Hier fühle ich mich wohl." Dann kommt ein sexy, rosa Nippel wie ein Komet angeflogen und ich berühre ihn sanft. Schließlich wache ich auf, spüre den schwülen Morgen auf meiner Haut und merke, wie mein Bettbezug voller feuchter, weißer Flecken ist.

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Mein Körper macht das Ganze unterbewusst und im Stillen—so wie den kleinen Jubel, den ich im leeren Fahrstuhl aufführe, nachdem ich mit einer hübschen Frau geredet habe. Allerdings sind diese nächtlichen Ausbrüche oftmals der einzige Druckablass, den ich meinem Körper gewähre, denn ich bin jetzt 21 Jahre alt und habe noch nie masturbiert.

Die meisten Leute finden diese Tatsache ziemlich erschreckend: „Selbstbefriedigung ist doch etwas ganz Natürliches! Man verkrampft total, wenn man nicht ab und an mal Hand anlegt!" Andere wiederum sehen das Ganze als ein Zeichen meiner Beharrlichkeit an, so als ob es eine Art Erfolg wäre, nicht zu masturbieren. Selbst für die aufgeschlossensten Menschen bin ich nur die Pointe eines alten Witzes: „98 Prozent aller Leute masturbieren, die anderen 2 Prozent lügen."

Es ist jetzt allerdings auch nicht so, dass ich noch nie darüber nachgedacht hätte. Ich habe halt einfach nur noch nie den Drang verspürt. Vielleicht bin ich wirklich der einzige Mann dieser Welt, der sich noch nie selbstbefriedigt hat, aber ich habe auch viele andere Dinge noch nie berührt—zum Beispiel einen 2013er Subaru, ein Rentier oder einen richtigen New Yorker Bagel. Es klingt jetzt vielleicht selbstverherrlichend, aber für mich gibt es einfach zig interessantere Dinge als alleine dazusitzen und meinen Schwanz zu bearbeiten.

Welcher Typ erinnert sich nicht an den Moment, in dem ihm klar wurde, dass er durch das Rubbeln seines Penis zum Orgasmus kommt? Masturbation ist ein wichtiger Schritt beim Großwerden und später wird es dann zu einer Gewohnheit, mit der man vielleicht Krebs vorbeugt—oder zumindest dem Wahnsinn. Tod und Selbstbefriedigung sind die zwei Tabuthemen, die sich zwangsläufig wie ein roter Faden durchs Leben und durch die Kunst ziehen.

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Egal ob nun in Tallahassee oder in Paris, umgeben von heruntergekommenen Einkaufszentren oder von kunstvollen Bauten, überall lassen die Leute die Hose runter und machen es sich selbst.

Wenn man masturbiert, gehört man quasi zu einem geheimen Club: Jeder weiß sowieso, um was es geht, und deshalb ist es auch nicht nötig, offen darüber zu reden. Es gibt da zum Beispiel eine Seinfeld-Folge, in der sich George Constanza zu Jerry an den Tisch setzt und erzählt, dass ihn seine Mutter „erwischt" hätte.

Jerry fragt ihn: „Bei was?"

George verzieht daraufhin das Gesicht: „Du weißt schon … "

Das Publikum lacht lauthals los, weil alle Bescheid wissen. Die Anspielungen vereinen uns. Egal ob nun in Tallahassee oder in Paris, umgeben von heruntergekommenen Einkaufszentren oder von kunstvollen Bauten, überall lassen die Leute die Hose runter und machen es sich selbst. Und unsere Welt braucht das auch. Ohne Masturbation und die geduldige Vorfreude auf eine Friends-Reunion würde auch in den Straßen deiner Stadt bald das Blut fließen.

Irgendwie habe ich aber nie das geheime Passwort zum Beitreten dieses Clubs bekommen. Dieser prägende Moment der Pubertät, in dem man die Wunder des eigenen Körpers entdeckt, ist wohl an mit vorübergegangen. Und bis heute hat sich daran nichts geändert.

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Geilheit ist wie der Heilige Geist: Ich habe schon Leute gesehen, die davon erfüllt waren, das Ganze in den höchsten Tönen lobten und vor Altaren der Zuneigung weinten—aber ich habe es schon immer irgendwie dumm gefunden. Ich wurde katholisch erzogen und vor meiner ersten Beichte gab man mir einen Leitfaden zum Aufschreiben aller meiner Sünden. Darauf waren auch die gängigsten Fehltritte aufgelistet:

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ICH HABE MEINEN ELTERN WIDERSPROCHEN.

ICH HABE DEN NAMEN DES HERRN MISSBRAUCHT.

ICH HABE MICH SELBST BEFRIEDIGT.

Ich habe ein Fragezeichen neben die Wörter „selbst befriedigt" gekritzelt und Pfarrer Ennis den Bogen zurückgegeben. Ich hatte ja wirklich keine Ahnung, was das bedeuten sollte. Er dachte, ich wollte ihn veräppeln, und deswegen musste ich dann immer extra viel Buse tun und meine Eltern ließen mich die Kirchenbank drücken und dabei immer und immer wieder das Ave Maria wiederholen, bis es für mich irgendwann keine Bedeutung mehr hatte. „Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder … "

Irgendwann während meiner High-School-Zeit habe ich es sogar einmal versucht—der ganze Hype hat mich dann doch etwas neugierig gemacht (bei Männergesprächen dauert es nämlich meistens keine zwei Minuten und man diskutiert nur noch über schwanzbezogene Themen). Nach der Vorbereitung mit Gleitgel erinnerte mich mein Penis dann allerdings eher an einen glänzenden, feuchten Porzellandelfin. Die ganze Angelegenheit kam mir richtig absurd vor. Was sollte ich nun damit machen? Ich fand es total bescheuert, in eine Fantasiewelt abzudriften, mir eine nackte Frau vorzustellen und von Dingen zu träumen, die so nie passieren würden. Deshalb ließ ich es einfach bleiben.

Meinen ersten Orgasmus im Wachzustand hatte ich schließlich in meiner Ex-Freundin. An sie habe ich mit 20 Jahren meine Jungfräulichkeit verloren. Zum Sex kam es nach einer Party, als wir McDonald's-Eiskaffee tranken. Wir sind gleichzeitig gekommen. Unsere Körpersäfte haben sich quasi vereint. Danach war ich 15 Minuten lang erst einmal nicht ansprechbar, weil ich die Komplexität des Ganzen verdauen und verstehen musste—wie ein Anfänger bei einer Weinverkostung. Der Orgasmus fühlte sich natürlich und normal, ja fast schon banal an. Und darauf fahren andere Männer so ab?

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Am darauffolgenden Morgen kauften wir uns zur Feier des Tages neue Eiskaffees, die genau so schmeckten wie die vom Vortag. Über uns ertönte die Band The Wanted aus den McDonald's-Boxen: „My universe will never be the same. I'm glad you came. I'm glad you came." „Das bin ich auch", flüsterte mir meine Freundin ins Ohr.

Schon bald war Sex ein fester Bestandteil unserer Beziehung. Nach dem Orgasmus wurde ich jedoch immer wieder zu der unbeholfenen Person, die ich eigentlich bin. Ich war noch nie gut in gesellschaftlichen Situationen, selbst mit Freunden und Familie. Meine Freundin meinte jedoch, dass ich im Bett ein komplett anderer Mensch sei. Sie bezeichnete mich als ihren besten Liebhaber. Das machte mich stolz. Vielleicht ist es das, was Männlichkeit ausmacht.

Als wir uns trennten, waren wir uns einig, dass wir Freunde bleiben wollten. Allerdings brach sie den Kontakt kurz darauf ab. Sie meinte, dass sie nicht mit einem Menschen befreundet sein könnte, mit dem sie schon so intim geworden war—die Orgasmen haben die ganze Sache also nur komplizierter gemacht. Danach haben wir kein Wort mehr miteinander gewechselt.

Wenn ich an sie denke, dann kommen mir vor allem sexuelle Bilder in den Kopf—alleine ist diese Sexualität für mich jedoch wertlos. Ich erinnere mich kaum an meinen harten Schwanz. Allerdings weiß ich noch genau, wie wir beide total fasziniert von meinem Sperma waren und wie sie mit Tränen in den Augen meinte, dass sie den Rest ihres Lebens mit mir verbringen wollen würde. Daraufhin habe ich immer freudestrahlend gesagt, dass ich froh wäre, immer mit ihr befreundet sein zu können.

Unser Abkommen haben wir auf einem eingesauten Bettlaken getroffen. Und vielleicht ist es auch genau das, was Typen ausmacht, die masturbieren: Man bleibt mit seinem Schwanz in der Hand zurück und jagt seinen Erinnerungen nach.