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2015 ist das Jahr des Penis

Wenn 2014 wirklich das Jahr der Ärsche war, dann ist 2015 eine neue Ära angebrochen: Die des männlichen Glieds.
Collage via VICE Media

Beim täglichen Versuch, meinen Instagram-Feed am Klo zu bewältigen, scheitere ich in letzter Zeit immer öfter an geilem Essen, das nicht meines ist, und der fünfunddreißigsten Aufnahme einer besonders herbstlichen Herbstlandschaft. Manchmal schafft es Instagram aber auch, mich richtig zu erschrecken und mir den Angstschweiß literweise auf die Stirn zu treiben. Meine Damen und Herren, Rapper The Game und sein Schwanz. Heilige Maria.

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Foto: The Game/Instagram

Das Game-Unterhosen-Selfie hat nicht nur mir und dem Rest der Welt einen halben Herzinfarkt auf der Muschel beschert, sondern auch einen erschreckend angebracht wirkenden Begriff mit sich gebracht: Meatprint. Der Fleischabdruck. Klingt gefährlich, aggressiv und nach sehr, sehr viel. In Kombination mit den verwendeten Hashtags, die im Grunde genommen ein verschriftlichter Hardcore-Porno sind, ist das eine sehr offensive Ansage, die zum wiederholten Mal etwas belegt, das wir schon die längste Zeit vermuten: Wenn 2014 wirklich das Jahr der Ärsche war, dann ist 2015 eindeutig das Jahr der Schwänze.

Tatsächlich war 2014 für'n Arsch. Ob man wollte oder nicht—es gab einen Punkt, an dem alle und deren Mütter den Allerwertesten von Nicki Minaj aus jeder möglichen Perspektive, die gerade noch kein Enddarm-Panorama bot, zu Gesicht bekommen hatten. Sogar eine JLo, deren Arsch sowieso schon immer eine eigenständige Karriere hatte, ließ sich plötzlich bereitwillig auf diesen reduzieren. Von Meghan Trainor will ich gar nicht erst anfangen.

Und gerade als man dachte, man wäre sicher, entschied sich auch noch Kim Kardashian dazu, das Internet mit ihrem Popsch zu brechen. Erste Anzeichen für den Wandel vom Arsch zum Schwanz gab es jedoch bereits im März letzten Jahres. Die Social Media-Challenge #CockInASock sollte damals nur ein kleiner Vorgeschmack dessen bleiben, was 2015 in Bieber Peen seinen absoluten Höhepunkt finden würde.

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Erwachsene Menschen, die wegen Nacktfotos eines Popstars komplett auszucken—das war neu. Vor allem, weil es ein 21-jähriger männlicher Popstar war. Das Abartigste an Justin Biebers Penis war eigentlich die Tatsache, dass es sich beinahe erlösend angefühlt hat, ihn endlich sehen zu dürfen. Gott weiß, die Fans hatten schon lange vor seiner Volljährigkeit förmlich nach der Bieberconda gelechzt, und nachdem sein Gehänge in der Calvin Klein-Kampagne mittels Photoshop ausgestopft werden musste, war man schon irgendwie interessiert an dem Real Deal.

Dass jemand wie Justin Bieber sich da nun mal genau so in seiner Privatsphäre angegriffen fühlt wie beispielsweise eine Jennifer Lawrence, deren Nacktfotos 2014 geleakt wurden, von der breiten Öffentlichkeit aber in keinerlei Hinsicht eine ähnlich respektvolle Behandlung erfahren hat, sondern fast schon virtuell vergewaltigt wurde, sagt eben nicht nur viel über unsere Gesellschaft, sondern auch über dieses Jahr aus. Wann hat uns ein Schwanz je so fasziniert?

Nichts anderes ist Lenny Kravitz im August passiert, als während eines Konzerts seine Hose riss und sein Schwengel mal eben „Hi!" sagte. Der Vorfall war—in jeglicher Hinsicht, sorry—eine große Sache und es gab mit #penisgate nicht nur ein Trending Topic, sondern auch ein Top-GIF. Videos von dem Auftritt wurden geteilt, gepostet und mit einer fast schon ungesund hohen Menge an Zungen-, Augen- und Auberginen-Emojis versehen. Lenny Kravitz hat es wirklich nicht verdient, als ersten Google-Suchvorschlag „pants rip" zu bekommen.

Überhaupt hat die Aubergine schon mehrfach für Probleme gesorgt. Nachdem Instagram im Mai Emoji-Hashtags eingeführt hatte, wurde die Möglichkeit, Fotos mit der Aubergine zu taggen, schnell wieder verboten—weil: so leicht wollte es Instagram seinen Usern dann auch nicht machen. Wenn sie Dickpics wollen, sollen sie sich gefälligst Mühe geben (= Banane, oder mehrere Auberginen aneinander gereiht). Das Pistolen- und Messer-Emoji sind übrigens weiterhin suchbar.

Der Guardian schrieb bereits im April, dass der Penis 2015 sogar im Bereich der Männermode gerade „einen Moment" hätte. Designer Rick Owens hatte auf der Pariser Fashion Week Tuniken mit Pisslöchern über den Laufsteg geschickt, um damit die Macht des Phallus in Frage zu stellen. Eine Macht, die wir Schwänzen automatisch zusprechen, indem wir sie konsequent verbergen, und der sie womöglich gar nicht gerecht werden können. In Österreich folgte Designer Karl Michael, der bei der Vienna Fashion Week sein Glied in einem Hauch von Mesh auf dem Laufsteg präsentierte. Rock out with your cocks out! Fashion.

Ob es uns gefällt oder nicht: 2015 ist das Jahr, in dem der Penis plötzlich allgegenwärtig geworden ist. Das Jahr, in dem es völlig vertretbar zu sein scheint, wenn Belieber den Schwanz ihres Idols „Jerry" nennen. Das Jahr, in dem sich Frauen nicht mehr genieren müssen, Paparazzi-Fotos von Channing Tatums Beule mit Sätzen zu kommentieren, die streng genommen wahrscheinlich unter Belästigung fallen würden. Und warum auch nicht? Wenn es OK ist, sich an Rihannas halbnackten Swarovski-Titten aufzugeilen, dann muss es auch OK sein, wenn einem beim Anblick von (bewusst gezeigten) Meatprints einer abgeht.

Franz twittert manchmal über Penisse: @FranzLicht