FYI.

This story is over 5 years old.

Serienbunker

Das traurige Schicksal von ,Game of Thrones‘

Warum ,Game of Thrones' ein weirder Präzedenzfall in der Literatur- und Seriengeschichte sein wird.
Alle Screenshots aus dem offiziellen Trailer

Die ganze Welt hat einen riesengroßen Boner auf Game of Thrones, denn ein neuer Trailer ist im Netz aufgetaucht. Zuerst als abgefilmtes Leak aus den IMAX-Vorstellungen—die mal ganz nebenbei 1.5 Millionen Dollar eingeheimst haben—dann als richtiger Trailer in feinkörniger HD-Pornoqualität. Alleine über den offiziellen Facebook-Post wurde der Trailer mehr als 18 Millionen mal angeklickt. Die Herr der Ringe-Filme haben Fantasy als legitimes Format auf das Radar der Popkultur gebracht, Game of Thrones ist mittlerweile so mainstream wie Katy Perry beim Super Bowl oder Moneyboy im Click 2 Melkerkeller in Baden. Aber wisst ihr, worauf ich einen riesengroßen Boner habe? Auf das nächste verdammte Buch in der A Song of Ice and Fire-Reihe, der Bequemlichkeit und Konformität halber auch die Game of Thrones-Bücher genannt, auf denen die ganze Serie basiert.

Anzeige

Ja, ich habe die Bücher gelesen, ich will euch aber nicht erzählen, wie toll es ist, der überlegenen „ich weiß schon, was gleich passiert"-Fraktion anzugehören, sondern wie man sich als Buchleser beim Schauen des Trailers fühlt, während allen anderen vor Geilheit die Hose platzt, und was es bedeutet, dass die Serie mit ihrem Tempo bald die Buchreihe überholt haben wird. Ganz ohne Spoiler, versprochen.

Alle Screenshots aus dem offiziellen Trailer

Nun ja, der Trailer ist natürlich schon irgendwie cool und erfüllt seinen Job. Wir sehen (fast) all die alten Charaktere und können kaum erwarten, wohin es sie diese Staffel hinverschlägt und wer den Löffel abgeben muss. Dann sehen wir Melisandre, wie sie sich fast auszieht, Daenerys, die irgendeinen Arnold Schwarzenegger-One-Liner raushaut und irgendwann purzelt da noch Tyrion aus einer Kiste, und trägt einen prächtigen Sigmund Freud-Bart. Dazu gibt es eine eigene Version von ,Heroes' von David Bowie—hier hätte man übrigens ruhig einfach die über-epische Titelmelodie nehmen können, bei der ich jedes mal Nerd-Chills bekomme—und irgendwann gibt es noch eine Millisekunde eines Drachens zu sehen, die einem ja auch in der Serie oder vergangenen Trailern gerne über der Nase baumeln wie eine dicke Karotte. Für mehr als ein paar Minuten Drachenpower pro Staffel reicht das Budget dann aber meistens nicht.

Wenn man aber eben schon weiß, was passieren wird, hypet einen so ein Trailer kaum. Ich sitze da, und denke mir, aha okay, da sind die Lannisters, da ist Khaleesi, oh, da ist Jon Snow, der weiß noch immer nix. Insgesamt gibt es fünf Bücher, das sechste von sieben geplanten ist gerade in Arbeit, das letzte ist 2011 erschienen, fünf Jahre später als angekündigt. Nachdem Schreiber-Wundermann und Liebhaber fettiger Speisen—kein Scheiß—George R. R. Martin nun also sehr vorsichtig ist, was Deadlines angeht, wurde vor kurzem angekündigt, was eigentlich schon letztes Jahr klar war: Buch 6, The Winds of Winter, wird 2015 definitiv nicht erscheinen.

Anzeige

Stattdessen werden ein paar Kurzgeschichten aus dem Game of Thrones-Universum neu rausgebracht und der Lannister-Adventskalender ist bestimmt auch schon in Planung. Nun gut, zurück zur Serie. Die fünfte Staffel wird Elemente aus dem vierten und fünften Buch aufgreifen und dabei vielleicht sogar schon in Regionen vordringen, die noch nicht in Buchform existieren. So werden Bran und Hodor ja bekanntlich in der fünften Staffel nicht mit am Start sein, weil ihre Geschichte quasi schon am aktuellen Buchstand ist und es wäre auch nicht das erste Mal, dass die Serie unfreiwillig Buchinhalte spoilert. Groß ist daher die Angst unter Buchlesern—Staffel 6 kommt nächstes Jahr und wenn man sich ansieht, wie verkürzt—oder komplett ausgelassen—manche Storys teilweise sind, wird einem schnell klar, dass die Serie spätestens nach der 6. Staffel ein richtiges Problem haben wird. Selbst wenn das nächste Buch tatsächlich relativ zeitnah zur Produktion der Serie erscheinen wird, ist es mit dem siebten Buch—dass noch zwischen 2 und 100 Jahren dauern könnte—gegessen. Aber George R. R. Martin sieht das gelassen und sagt in einem Interview mit Vanity Fair, dass man die Staffeln splitten könnte wie bei Breaking Bad, oder eine Sequel-Staffel bringen könnte, oder dass vielleicht sogar die Lösung aller Probleme in einem großen Film steckt. Aber was hat ein zweistündiger Film, was eine 10-stündige Serie nicht hat? Wenn etwas schiefgehen sollte—ob das verpasste Deadlines oder ein toter George ist—wissen die Serienmacher jedenfalls, in welche Richtung das ganze mittelalterliche Protz-Spektakel gehen soll.

Anzeige

Das Ganze bedeutet aber auch, dass treue und begeisterte Buchleser, die eventuell schon seit dem Start der Reihe 1996 dabei sind, der realen Gefahr ins Auge blicken müssen, dass die Serie neues Material vor den Büchern zeigt und Fans weltweit aus Spoilerangst in ein selbst auferlegtes Social-Media-Exil schickt. Wenn es soweit ist, werde auch ich mich in den Wald zurückziehen und nur per Dosentelefon kommunizieren, damit ich nicht gespoilert werde, bis das neue Buch endlich da ist. Wieso auch in ein paar Stunden das sehen, was George R. R. Martin über tausende Seiten in lächerlicher Detailgenauigkeit—selbst Geschichtestudenten lesen nicht so oft über Rüstungen und Glühwein—über viele viele Jahre aus seiner Birne gezaubert hat? Eine Serie hat eben nicht die Möglichkeiten einer freien, unbegrenzten Erzählung und stößt irgendwo irgendwann an ihre Grenzen. Wenn interessiert denn schon die Hintergrundgeschichte von Jorah Mormont, wenn man sich nicht mal sicher ist, wer das überhaupt ist?

Wenn die Serie also keinen Hobbit abzieht und einzelne Staffeln in ganz kleine Teile verpackt oder uns ein paar Jahre mit Prequels belästigt, bevor Jahre später ein Mitzwanziger-Bran mit einem Zwirbelschnurrbart über die Leinwand hüpft—oder krabbelt—, wird die Serie noch vor den Büchern enden und einem damit verraten, wie die Bücher ausgehen werden, obwohl sie noch nicht erschienen sind. Das ist traurig, ärgerlich und seltsam, ist aber so.

Hier den guten alten George zu beschuldigen, bringt aber wenig. Er muss schon über sich ergehen lassen, dass andere Leute mit seinem kreativen Werk hantieren und gezwungenermaßen auch Dinge ändern, kürzen oder komplett weglassen, für die er sicher jede Menge Blut, Schweiß und Hornhaut auf den Fingern in Kauf genommen hat. Aber als Künstler schuldet er uns nichts und kann sich alle Zeit der Welt nehmen, wenn er möchte. Ich habe die Serie geliebt, bis ich die Bücher gelesen habe. Weil die Bücher einfach so viel besser sind—als eine Serie, die eh schon extrem unfassbar toll ist, könnt ihr euch das vorstellen?

Und wenn wir egomanischen Buchleser dir darüber erzählen, dann nicht, weil wir cool sein wollen (okay, vielleicht ein bisschen), sondern weil wir wollen, dass du endlich das verdammte Buch in die Hand nimmst und in die unendlich komplexe—aber geile—Welt dieser Geschichte und deren Charaktere eintauchst—eine Welt, in der Daenerys Targaryen mehr ist als eine One-Line-Domina, die gerne Städte einnimmt und Feuer macht.

Adrian versteckt sich auch auf Twitter vor Spoilern: @doktorSanchez