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​Wohnen in der roten Flora eigentlich nur noch verdeckte Ermittler?

In Hamburgs linker Szene wurde gerade die dritte Undercover-Polizistin enttarnt.

Kurz vor Mitternacht wurde am Dienstag auf der linken Plattform indymedia die Information veröffentlicht, dass eine weitere Undercover-Polizistin in der linken Szene Hamburgs enttarnt wurde. "Astrid Schütt" (die in Wirklichkeit einen anderen Nachnamen hat) ist damit schon der dritte Fall einer jahrelang aktiven Verdeckten Ermittlerin (VE), der in den letzten zwei Jahren bekannt wurde.

Genau wie bei "Iris Schneider" und "Maria Block" flog die Tarnung allerdings erst auf, nachdem die Ermittlerin ihre Tätigkeit schon seit Längerem beendet und sich aus der Szene zurückgezogen hatte. Spannend an Astrid ist aber, dass sie laut dem Artikel auf indymedia von 2006 bis immerhin 2013 aktiv gewesen sein soll—das ist nicht nur sehr lang, das ist auch noch gar nicht so lange her. Wegen des Timings vermuten die Autoren, dass Astrid so etwas wie die Ablösung der VE Iris P. war, deren Tätigkeit nämlich genau 2006 endete.

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Besonders kurios ist, dass die beiden verdeckten Ermittlerinnen Astrid O. und Maria B. nicht nur lange Zeit gleichzeitig in der Hamburger Szene aktiv waren, sondern auch mehrere Male in den gleichen Plenen und Orga-Gruppen saßen. Auf einer Reise zum Klimagipfel in Kopenhagen 2009 wohnten die beiden Undercover-Polizistinnen sogar im selben Wohnprojekt—ob sie voneinander wussten, ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt.

Warum genau die Ermittlerin jetzt enttarnt wurde, wird in dem Artikel nicht beschrieben, ihre Tätigkeit innerhalb der linken Szene allerdings sehr ausführlich. So soll sie wie ihre beiden Vorgängerinnen über ein öffentlich zugängliches linkes Café Zugang zur Szene gefunden und dann über Jahre Vertrauen aufgebaut haben, bis sie schließlich als langjähriges Mitglied der Hamburger Antifa-Szene bekannt war.

Offenbar beteiligte sich die Ermittlerin rege an Diskussionen, machte sich nützlich, wo sie konnte (besonders gerne führte sie Protokoll), und organisierte sogar eine eigene Politgruppe, "Nella Faccia" (sie hatte ein Faible für Italien). Über diese Gruppe gelang es ihr schließlich, in eine sogenannte "Antirepressionsgruppe" eingeladen zu werden—also einer speziell gegen Polizeiarbeit und staatliche Verfolgung linker Aktivitäten gerichtete Gruppe. Dabei soll sie sich auch engagiert an Diskussionen über linke Militanz beteiligt haben.

Auch äußerlich passte die Beamte sich an: Kurz nach ihrem ersten Auftauchen ließ sie sich Dreadlocks machen, später kam noch ein großes Tattoo auf dem Rücken dazu. Das Besondere an Astrid war allerdings, dass sie ziemlich unbefangen Details aus ihrem echten Leben nicht nur in ihre Cover-Story, sondern auch in ihr Szene-Leben einfließen ließ: So erzählte sie nicht nur von ihrer Oma mit einer Dackelzucht (die es wirklich gibt und die offenbar von der Polizei auf Nachfragen vorbereitet wurde), sondern brachte sogar einmal ihren echten Freund mit. Mit einer Freundin namens Tanja ging sie sogar mindestens zweimal auf linken Partys feiern—obwohl diese Tanja auch mit ihr als Polizistin befreundet war. Anders als Iris P. ging sie immerhin keine sexuellen Verhältnisse mit Leuten aus der Szene ein.

Astrid O. arbeitet mittlerweile wieder als "normale" Polizistin im Hamburger Stadtteil Alsterdorf, genau wie ihre beiden Vorgängerinnen, die ebenfalls heute in Hamburg leben.

In den Kommentaren unter dem Artikel entlädt sich neben Enttäuschung auch eine gewisse Wut: "Solange wir uns nicht mit aller Konsequenz wehren, wird diese Bullenscheisse nie aufhören!", schreibt ein Kommentator. "Hat irgendeiner dieser miesen Bullenspitzel überhaupt nur aufs Maul bekommen? Das war früher zu Zeiten der guten alten RAF anders und da müssen wir wieder hinkommen!" Ein anderer bezieht sich ebenfalls auf die RAF und zitiert Ulrike Meinhof: "Natürlich kann geschossen werden", wenn es um "Bullenschweine" geht. Offenbar fühlen sich einzelne in der Szene von der offensiven Vorgehensweise der Polizei zunehmend provoziert.