Der Live-Ticker zu allem außer dem EM-Finale

Stell dir vor, es ist Fußball-EM und keiner schaut hin. OK, das ist im Fall des EM-Finales nicht ganz realistisch, also sagen wir: Stell dir vor, es ist Fußball-EM und wir schauen einfach was anderes. Damit ihr es nicht tun müsst. Aber auch, damit wenigstens irgendwer an diesem Abend etwas Vernünftiges tut.

Wie zum Beispiel einen Live-Ticker zu etwas anderem zu machen als davon, wie 22 Männer nach einer Ausrede suchen, um für 10 Sekunden von über 80.000 Zuschauenden für ein Foul bemitleidet zu werden, das sie nicht mal wirklich getroffen hat. Deshalb tickere ich heute für euch alles—wirklich alles—, was mir an diesem spannenden Couch-Abend so unterkommt; außer die Fußball-EM.

Wie viel ist es jetzt eigentlich ausgegangen?

Ich habe gerade per WhatsApp die erlösende Nachricht bekommen, dass das Spiel vorbei ist. Endlich kann ich die Klammern von den Augen nehmen und die ventilatorgetrockneten Augäpfel wieder befeuchten. Ich fühle mich ein bisschen wie Robot Chicken, aber das macht nichts. Es ist vorbei. Jeder Aperol-Spritzer, den ich ab jetzt trinke, schmeckt nach Freiheit (im Gegensatz zu den letzten 4 Gläsern, die den schalen Duft von Gefangenschaft an sich haften hatten).

Meine Offline-Recherchen haben ergeben, dass Aperol angeblich doch 11 Volumensprozent Alkohol aufweist. Allerdings stammen diese Angaben von der Rückseite der Flasche und konnten bisher nicht aus unabhäniger Quelle bestätigt werden.

Zählt Aperol eigentlich als Alkohol? Ich glaube, Aperol ist eher ein Gewürz.

Das hier ist meine Beavis-und-Butthead-Unterhose. Ich hoffe, niemand von euch fängt erst hier mit dem Mitlesen an. Den blauen Fleck habe ich schon länger und er tut auch gar nicht mehr weh, danke.

Der Genauigkeit halber muss ich leicht korrigieren: Ich trage natürlich nicht gar keine Hosen. Ich trage Boxershorts mit Beavis und Butthead drauf. Immerhin habe ich Besuch.

Ich würde ja gerne sagen, dass ich nebenbei gerade am Buch Synchronicity von der Bachmann-Preis-Gewinnerin Sharon Otoo weiterlese, aber ich erzähle euch ja auch nicht, dass ich im Moment Hosen trage.

Killing and Dying ist ein sehr schöner Comic. Er besteht aus Kurzgeschichten, die auch ohne Bilder funktionieren würden, aber mit Bildern. Ihr solltet alle Killing and Dying lesen. Außerdem riecht es sogar um diese Uhrzeit gut und wer kann das schon von sich behaupten.

Meine heutige Lieblingsweisheit aus dem Internet: Bügelbretter sind Surfbretter, die die Hoffnung aufgegeben und echte Jobs angenommen haben. Das erzähle ich euch nur, damit ihr meinen Tag und meine momentane Situation insgesamt besser versteht.

Jetzt erst dämmert mir, dass meine Prognose von 4:0 nur schwer stimmen kann, wenn sich das Spiel in der Verlängerung befindet. Oder entscheidet sich sowas im Fußball nach ästhetischen Kriterien?

Die Pizza ist Vergangenheit. Ich fühle mich seit zirka 3 Aperol-Spritzern und 300 Gramm Ruccola nicht mehr menschlich. Passend dazu hier ein Tweet von Bill Murray.

People Magazine sounds like something aliens pretending to be humans would call their magazine.

— Bill Murray (@BiIIMurray)July 10, 2016

Gerade kurz zwischen vorgehaltenen Fingern auf ORF1 gespickt. Die Experten reden. Was bedeutet das? War es das? Jemand mit Babyflaum am Kopf redet etwas von "Diese halbe Stunde werden sie jetzt auch noch rumbiegen". Bitte sag, dass das nicht wahr ist. Wann ist dieses Spiel vorbei? Wird es jemals enden?

Kennt ihr das, wenn man denkt, die eigene Wohnung wäre eigentlich ganz gut schallisoliert, bis man dann nach vielen Monaten zum ersten Mal seine Nachbarn schreien hört und sich plötzlich fragt, wie laut die einen eigentlich die ganze Zeit über reden hören? Ich schätze, es muss gerade das 4:0 gefallen sein oder so. Ist diese Sache jetzt endlich vorbei?

Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich bin einigermaßen erschöpft. Draußen ist seit dem letzten Auto vor zirka einer Stunde nicht wirklich etwas passiert (obwohl vor meinem Fenster sonst zu jeder Tageszeit mindestens zwei Menschen über irgendetwas streiten) und ich entwickle hier drinnen langsam eine Imunität gegen Aperol-Spritzer. Durchhalten. Pizza essen. Mehr Trailer schauen. Mahalo.

Der Attentäter von Dallas hat laut CNN übrigens eine Nachricht in Blut hinterlassen. Ich will jetzt nicht das "Haben wir keine größeren Probleme?"-Argument der "Wir singen die Hymne sicher nicht mit Töchter"-Fraktion für die Fußball-EM bemühen, aber ich dachte, das könnte euch nachrichtentechnisch vielleicht interessieren.

Ich habe ja heute im New Yorker einen Artikel darüber gelesen, dass Glück kein Gefühl, sondern ein Prozess ist und unser Lebensgefühl sich auch auf unser Genom niederschlagen kann. Laut New Yorker sagt das ja schon Aristoteles (bis auf die Sache mit dem Genom). Das sollte man sich eigentlich immer wieder vergegenwärtigen; unter anderem dann, wenn Netfix ausfällt und die Pizza ungeschnitten ankommt.

Netflix gerade zirka ein Dutzend Mal geschlossen und neu gestartet. Immer dieselbe Meldung bekommen. Man könnte Versagen nicht besser scripten. Das muss derselbe Gott sein, der auch am Sonntagabend immer die Bandbreite von UPC drosselt.

OK, Netflix funktioniert plötzlich nicht mehr. Obwohl, genau genommen funktioniert es nach wie vor überall—außer auf dem Smart-TV meines Bruders. Ich möchte nicht sagen, dass ich leide.

Die Temperatur hat sich inzwischen merklich um mindestens 1 Grad verringert. Wir haben beschlossen, den Ventilator eine Stufe runterzuschalten—auch, weil die leere Cashew-Packung sonst so nervös raschelt und man keine Werner-Herzog-Doku schauen kann, während im Hintergrund Rascheln stattfindet. Ich fühle mich wie ein Pensionist.

Jetzt wird unsere Pizza noch zubereitet, in Kürze sollte der Fahrer sie aber schon abholen. Sonst geht sich das nie bis 22:34 Uhr aus. Gib Gas, Foodora!!!

Wir haben jetzt Pizza bestellt und verfolgen gerade gespannt auf der Foodora-Seite die Entstehungsschritte unseres Essens. Jemand sollte echt einen Live-Ticker daraus machen.

Wen jemandem von euch Männer, die sich gegenseitig zwischen die Beine grätschen, noch nicht reichen, solltet ihr dringend den Trailer zu Tickled schauen, bei dem es anscheinend um Männer geht, die sich gegenseitig kitzeln. Aber nicht auf lustig.

Wer ans Umschalten denkt, weil es inzwischen 3:0 steht (tut es das??) und der Spielstand sowieso nicht mehr einzuholen ist: Auf ORF2 läuft etwas namens Brandmal, auf ATV Erin Brockovich und auf PULS4 Alles eine Frage der Zeit. Laut TV-Programm sind das ein Krimi, ein Drama und eine Komödie. Gern geschehen.

Ich will wirklich nicht sagen, dass Fußball nicht auch irgendwie seinen Reiz haben kann, aber zeigt mir einen Kommentator, dessen Stimme an die von Werner Herzog herankommt, dann reden wir weiter.

Es ist übrigens nicht nur für euch ein besonderer Abend. Wir haben hier gerade Teil 1 und Teil 2 von Werner Herzogs Todestrakt-Doku auf Netflix geschaut und überlegen jetzt, ob wir uns auch noch Teil 3 und Teil 4 genehmigen sollen.

Wenn ihr euch fragt, was gerade im restlichen Netz passiert: Auf Twitter postet sich die Alpha-Menschen-Elite zum Thema #SongsWithLowerExpectations die Finger blutig.

Die Cashews mit Knoblauch sind inzwischen vor Nervosität fast leer. Ich dachte, ich zeige euch als Beweis ein Bild der Packung, in der sich das Licht zum Regenbogen bricht.

Falls ihr euch fragt, wie das Wrestling-Match ausgegangen ist: Enzo Amore und Big Cass haben gewonnen. Das ist nicht das blaue Team. Falls ihr jetzt eure EM-Wetten entsprechend anpassen wollt oder so.

Wir haben übrigens noch immer kein Essen bestellt, weil das WLAN-Passwort nicht funktioniert. So muss es sich anfühlen, beim EM-Finale 0:1 hinten zu liegen (ich habe keine Ahnung, wie es steht!!!).

Draußen ist gerade ein Auto vorbeigefahren. Entweder haben Zombies Autofahren gelernt oder die Apokalypse findet doch noch nicht statt.

Ich habe nach dem letzten Update sehr viele Zuschriften bekommen. Um eure Frage zu beantworten: WWE Raw hat mit Wrestling zu tun, ja. Für diejenigen, denen das noch nicht weiterhilft: Wrestling ist das, wo die Leute dann, wenn sie so tun, als hätten sie sich verletzt, nicht das Spiel abbrechen.

Das blaue Team ist eindeutig das unterhaltsamere. Nicht unbedingt technisch besser, aber doch lustiger. Vor allem der Aufzug und der Umstand, dass einer von ihnen wortwörtlich Flöte spielt, schaffen es, zu überzeugen. Und ja, ich rede natürlich über die 4.-Juli-Ausgabe von WWE Raw.

Wir scherzen über Pizza. Keine Pointe.

Das erste Glas ist leergetrunken, die Stimmung schon wieder amikaler. Umarmend überlegen wir, ob wir nicht Essen bestellen sollen. Die Antwort ist mit einem EM-würdigen "JAAA" schnell gefunden.

Die Lage hat sich nach einer sehr hitzigen Minute wieder entspannt. Jeder kocht jetzt sein eigenes Spritzer-Süppchen und schaut starr in den Ventilatoren-Wind, der unsere Augen austrocknet. Wir blinzeln trotzdem nicht.

Es wird laut. Zwischen uns ist eine Diskussion darüber ausgebrochen, ob Spritzer mit oder ohne Aperol getrunken werden sollte.

"1 Pariasek" könnte zum Beispiel den Abstand eines Österreichers von perfekten Englischkenntnissen beschreiben. Oder den Abstand eines TV-Moderators von gut.

Ich überlege, Pariasek als Maßeinheit beim Deutschen Institut für Normung vorzuschlagen. Wofür, weiß ich nicht genau, aber es kann keine große Entfernung sein.

Wenn wir schon bei Geständnissen sind (wir waren doch bei Geständnissen, oder?): Ich habe heute tagsüber auch schon ein paar Bloody Marys getrunken und klinge schon seit dem frühen Nachmittag mehr wie Prohaska als Prohaska.

Warum heißen wässrige Weinmischungen eigentlich "Sommer-Spritzer"? Ich bin mir ziemlich sicher, dass man in kaum einer anderen Jahreszeit so viel trinkt. Ich meine, im Sommer sieht man selbst in der Innenstadt Menschen, die schon um 17:00 Uhr die Hosen locker unterhalb der Arschritze tragen und jede Kontrolle über ihren Speichelfluss verloren haben. Und das sage ich nicht nur, um zu rechtfertigen, warum wir gerade Wein und Wasser 2:1 mischen.

Eigentlich ist Spritzer gar nicht so das Prohaska-Thema. Aber ich will keinen Gag mit "Hurenkinder" schreiben.

Ist es arrogant, Prohaska zu persiflieren, indem man "Machen mir sich erst einmal einen gepflegten Spritzer" sagt?

OK, ich habe gelogen. Ich bin gar nicht alleine. Ich bin zu zweit. Das lässt sich jetzt, da meine Sitznachbarin lautstark "SRPITZEEEEEEER!" schreit, nicht länger ignorieren. Ich glaube, ich muss jetzt Spritzer trinken.

Draußen ist jetzt doch ein Vogel zu hören. Ich fühle mich weniger alleine.

Der aufgrund der Hitze auf volle Geschwindigkeit geschaltete Ventilator bläst den Cashew-Knoblauch-Duft in meine Richtung. Habe also auch ganz ohne Fußball Würgereiz.

Gerade Cashews mit Knoblauch aufgestoßen. Gar nicht mal so lecker.

Ich wäre gerade wirklich gerne bei euch. Aber leider ist Fußball für mich ein Buch mit so vielen Siegeln wie der Siegerpokal Sterne hat (seht ihr, ich habe keine Ahnung). Außerdem klingt Pariasek für mich wie die Einheit, mit der man in Science-fiction-Filmen die Distanz zwischen zwei Sternen misst.

Salvia Divinorum ist übrigens keine schöne Droge. Auch wenn der Konsum meines Wissens legal ist, kann ich euch nur dringend davon abraten. Man fühlt sich dabei ziemlich isoliert (in meinem Fall: in einer postapokalyptischen Karussell-Landschaft), was nie wirklich schön ist. Allerdings kommt das auch meinem gegenwärtigen Isolationszustand recht nahe und würde einiges erklären.

Draußen ist es ziemlich still. Das letzte Mal, dass ich bei offenem Fenster so wenig Umgebungsgeräusche gehört habe, war ich auf Salvia Divinorum. Vielleicht bin ich das heute auch?

Cashews mit Knoblauch sind eine erstaunlich gute Kombination. Die Intensität erinnert ein bisschen an in Chili gewälzten Maden. Was mich aus irgendeinem Grund wieder an David Guetta erinnert.

Ich habe für heute Abend Cashews gekauft. Aber Cashews mit Knoblauch. Ich hatte noch nie Cashews mit Knoblauch, aber ich denke, das könnte ganz gut passen. Ich werde in Kürze Cashews mit Knoblauch essen.