FYI.

This story is over 5 years old.

Bis so guet

Wohnungen, die du niemals betreten würdest

Ich bin unersättlich, neugierig und für meine Befriedigung gehe ich durch die Hölle.
Foto von Gregor Fischer

Foto von Gregor Fischer

Ich oute mich als Umzugs-Junkie. In den letzten vier Jahren bin ich fünf Mal umgezogen—innerhalb ein- und derselben Stadt. Junkie ist eigentlich noch viel zu harmlos. Ich bin eine regelrechte Nymphomanin.

Jedes Mal, wenn ich eine fremde Wohnung betrete, kribbelt es in meinen Fingerspitzen. Ich will jede Bettdecke heben, hinter jedes Sofa schauen und alle Wäschesäcke umkippen. Ich will in Badezimmern sehen, womit sich die Leute ihre Hühneraugen entfernen und womit sie sich die Beine enthaaren. Ich will sehen, welches Gemüse im Kühlschrank zuerst verschimmelt und welcher Porno als erster in der Browserchronik auftaucht.

Anzeige

Als Umzugs-Nymphomanin begegnen dir Dinge, die du nie wieder vergisst. Die dich in deinen feuchten Träumen heimsuchen und dich bei deinem Weg zur Arbeit an jeder fremden Haustür lossabbern lassen. Dinge, bei denen Anderen das nicht aufgearbeitete Kindertrauma hochkommt. Es sind diese Dinge, die deiner Sucht den nötigen Kick geben. Ihr wollt diese Dinge? Ihr sollt sie bekommen.

Foto von Moyan Brenn

Die Müll-Insel
Eine Altbauwohnung, die wohl irgendwann einmal das Paradies für eine kleine, unschuldige Studenten-WG hätte werden können. Wäre sie nicht vor gefühlten 200 Jahren von einem kettenrauchenden Hartz-4-Messie in einen Ameisenhaufen aus Unrat und Rattenkot verwandelt worden. Die Wände im Wohnzimmer waren vom Rauch aschgrau gefärbt, das schandhaft schöne Eichenparkett von einem Meer aus halbverrotteten Zigarettenstummeln übersät. Ein Kühlschrank, der mir beim Öffnen beinahe auf die Füsse fiel und eine übelriechende, dunkelgelbe Flüssigkeit absonderte. „Das war schon vorher so, aber ich benutz den eh nicht“, sagte der Mieter mit den tennisballgrossen Pupillen und schlurfte in seinen Pantoffeln davon, wobei er sich charmant am Hintern kratzte. Er trug ein verwaschenes Paar Boxershorts und ein T-Shirt einer kroatischen Rockband. Sonst nichts.

Der Tantra-Lustmolch
Da gab es dieses Schlafzimmer, das komplett von etwas ausgefüllt wurde, was entfernt an ein Doppelbett erinnerte. Die Matratze war im Boden eingelassen und konnte hochgeklappt werden. „Für mehr Stauraum“, wie der Mieter stolz erklärte, während er bei der Demonstration des Mechanismus Ratgeberbücher für aufregenden Tantra-Sex freilegte. Die waren auch bitter nötig—das gesamte Schlafzimmer war vom Boden über die Wände bis zur Decke mit grünem Samtteppich überspannt. Ich stehe dann doch nicht dermassen auf 70er-Porno und gab die Wohnung an mögliche Lovelace-Verehrer frei.

Anzeige

Der kleine Schlingel
Die offensichtlich benutzte Dildo-Sammlung mit einem Stapel Porno-DVD's neben dem Bett, und ein Typ, mit einem Grinsen wie ein Zebra.

Foto von BJ Carter 

Die Sporen-Höhle
Das Einzimmer-Studio, das nach Schimmel roch und mit der Luftfeuchtigkeit Thailands hätte konkurrieren können. Kommentar der Vermieterin: „Die Wäsche hängen Sie besser nicht in der Wohnung auf.“

Der Zoo im Waschraum
Und zu guter Letzt: Meine gegenwärtige Waschküche, der Umschlagplatz für alles, was die letzten Hemmungen vor dem Anderen verloren hat. Da gibt es zum Beispiel den spindeldürren Inder, der den ganzen Tag da herum hängt, Folklore-Musik hört und dazu singt. Die Waschküche ist gleichzeitig sein Flur und sein Durchgang zum Bad, das er sich zusammen mit den Bewohnern der anderen Studios auf dem Stock teilt.

Sie schliessen die Tür beim Pinkeln nicht und letztens habe ich den sympathischen älteren Herrn, der uns beim Umzug geholfen hat, in Badehose und Adiletten auf dem Weg zur Dusche angetroffen, als ich die Waschmaschine gefüllt habe. Ich rede mir dann immer ein, dass es in einer Stadtwohnung in Paris wohl auch nicht viel anders wäre, ziehe die Tür zu unserer Dreizimmerwohnung auf und habe kurz ein schlechtes Gewissen, weil sie so schön und gross ist. Ich habe mich noch nie wohler gefühlt.

Wohl oder ganz unbehaglich fühlen könnt ihr euch auch wieder dieses Wochenende:

Ab heute gibt es nie wieder Krieg. Im Palace. Und heute gibt es einen Einblick in die kruden Geschäfte und die Rechnung von Ölbilanzen in A Roland for Oliver. Das ist zu viel für euren Verstand? Dann ab ans Psychfest im Bonsoir und für ganz Verwirrte, Verirrte gibt es Nachtasyl im Theater der Künste.

Anzeige

Morgen lassen wir alles raus an der Lass es Raus-Eröffnungsparty im Theater Gessnerallee. Oder wir geben es uns hart am Kornhaus Festival. Oder utopisch in der Grabenhalle. Wir zelebrieren harten, dunklen, schweissig echten Black Metal im Gaswerk und inhalieren die musikalische Asche von Kadebostany im KIFF.

Am Samstag starten wir auf der Josefwiese mit Violet and The Germs, hauen's rabiat ins OFF und geben uns Vorplay im Hive.

Am Sonntag hauen wir dem elenden Kater die Ohren ab mit Joyful Noise in The Dark in der Dampfzentrale.

Montags machen wir nix oder wir schauen Left Foot Right Foot, zum Beispiel im Kult Kino.

Den Dienstag nutzen wir, um endlich wieder einmal richtig zu bluten. Also nicht diese Warmduscher-Nasenblut-Kacke, ein echtes Blutbad, mit Hass und Sound und [Blood Ceremony](http:// http://hafenkneipe.info/mo-06-jan-2014-tuesday-sheep-ch/) in der Hafenkneipe.

Am Mittwoch feiern wir die Retrospektive der elektronischen Musik im Kraftfeld, visuelles Kammerflimmern am [Bildrausch-Festival](http:// http://www.bildrausch-basel.ch/home/) oder die Zukunft im Trommelfell am Future Sound Festival im Kaufleuten.

Für das Bildrausch verlosen wir übrigens 6x2 Tickets für einen der Filme „Violet", „The Dance of Reality" oder „Ich will mich nicht künstlich aufregen". Einfach eine Mail mit dem Betreff "Bildrausch" und dem gewünschten Film an benjamin.vonwyl@vice.com. Und weil wir gerade dabei sind, verlosen wir 2x2 Tickets für das Future Sound Festival. Einfach eine E-Mail an till.rippmann@vice.com mit dem Betreff „Future Sound“.