Ein Junge im Río Paraguay (Brasilien, 2015) | Alle Fotos: Mustafah Abdulaziz
Mustafah Abdulaziz: Nun ja, die Menschen aus China und Indien verkörpern einfach richtig gut, wie wir mit Wasser interagieren. In beiden Ländern bin ich einem großen Fluss durch weite Teile des jeweiligen Landes gefolgt—in Indien dem Ganges und in China dem Jangtsekiang. So konnte ich wirklich genau und umfassend beobachten, wie die Bevölkerung dort mit den Wasserressourcen umgeht, und zwar egal ob nun aufgrund des Glaubens, der Arbeit, des Transports oder der Urbanisierung. Genau darum geht es auch bei meinem Projekt: Unser Umgang mit Wasser ohne Fokus auf Ethnie oder Land.Welche Umgangsformen konntest du dabei beobachten?
Im Grunde interagieren Menschen mit ihrer Umwelt genauso, wie sie mit Wasser interagieren. Sie sehen Wasser als eine Sache an, die man manipulieren, nutzen, messen und kontrollieren muss. Und wenn man eine solch riesige Ressource kontrollieren will, dann sagt das auch viel über die Vorstellung in Bezug auf die Natur aus. Diese Vorstellung ist so oft von ausbeuterischer Art. In China ist diese Ausbeutung richtig massiv. Zwar geht man mit dem Ganges auch nicht gerade zimperlich um, aber zumindest hat das Ganze dort noch eine esoterische Note, denn für die Inder ist der Fluss rein und heilig.
Ich glaube, dass die chinesische Auffassung von Wasser in einem bestimmten Bild sehr gut eingefangen wurde, nämlich in dem Foto von den Blumen auf dem Glaskasten, in dem ein Modell der ersten Jangtsekiang-Brücke von Nanjing ausgestellt wird.
Das Diorama der Jangtsekiang-Brücke (China, 2015)
Stimmt. Ich will mit dem Foto auch genau auf diese Tatsache aufmerksam machen. Durch die Bildaufteilung soll man erkennen, wie manche Menschen ihre eigenen Vorstellungen auf den Jangtsekiang projizieren. Da haben wir zum einen die Blumen, aber dann eben auch das detaillierte Diorama—mit Schiff, aber ohne Fluss. Das soll zeigen, wie die Chinesen technologischen Fortschritt mehr wertschätzen als die Dinge, die wir eigentlich erhalten müssen.Ich finde es interessant, wie du dich in deinen aktuelleren Arbeiten darauf konzentrierst, wie sich die Leute in Umgebungen verhalten, wo das Wasser nur für kurze Zeit knapp ist.
Mich fasziniert das Banale—zum Beispiel wenn jemand während einer Dürreperiode seinen Rasen bewässert. Solche Bilder können außerdem noch eindringlicher wirken, wenn man sie zusammen mit Fotos zeigt, auf denen extremere Szenarien oder richtige Krisen zu sehen sind.
Der Classic-Club-Golfplatz (Kalifornien, 2015)
Die Golfplätze sind etwas Besonderes, weil sie Orte sind, wo man sich trifft und gesellig ist. So etwas wird natürlich immer gepflegt. Als ich in einem Helikopter über eine solche Anlage geflogen bin, wurde mir dann auch richtig bewusst, wie bizarr dieser Anblick eigentlich ist.
2012 war ich in Freetown, der Hauptstadt von Sierra Leone, unterwegs und dann gab es dort plötzlich einen Cholera-Ausbruch. Als die Neuigkeiten die Runde machten, war es eine Gruppe von freiwilligen Frauen, die als Erstes Hilfe leistete. Bei diesen Frauen handelte es sich um Einheimische, die nicht nur das Vertrauen der Gemeinde genossen, sondern auch genau wussten, was sie zu tun hatten, damit sich die Situation nicht noch weiter verschlimmert. Solches Wissen ist vor allem im Zusammenspiel mit NGOs unglaublich nützlich. So übernehmen die Einheimischen eine wichtige Rolle in der Krisenbekämpfung und können deswegen auch selbst für Veränderung sorgen.
Links die neue Wasserquelle, rechts die alte (Nigeria, 2015)
Ein Foto aus Nigeria demonstriert meinen Standpunkt doch ziemlich gut. Es ist sehr einfach gehalten und mutet fast wie eine Theaterbühne an. Viele tragische Zwischenfälle ereignen sich in wunderschönen Umgebungen und mit diesem Umstand kann man gut spielen. Die auf dem Bild zu sehende Wasserpumpe ist für 800 Menschen gedacht—was für eine einzige Quelle echt viel ist. Gleichzeitig ist sie aber auch die direkte Lösung für ein Problem, das auf einem anderen Foto zu sehen ist: eine abgestandene Wasserquelle, die zum einen weiter weg liegt und zum anderen auch noch Krankheiten verursacht.In diesen abgelegenen und verarmten Gebieten sind vor allem Frauen und Kinder dafür verantwortlich, das Wassers zu besorgen. Wenn die Kinder dafür jedoch so früh aufstehen müssen, dann haben sie für die Schule keine Energie mehr. Und wenn die Frauen so viel Zeit für diese Aufgabe opfern müssen, dann ist es ihnen nicht mehr wirklich möglich, anderweitig zu arbeiten und so auch unabhängiger zu werden.Darunter hat dann auch die Gemeinde zu leiden und es werden Möglichkeiten verbaut, etwas an das System zurückzugeben, mit dem diese Probleme gelöst werden könnten. Ein Teufelskreis.
Richtig. In Äthiopien habe ich zum Beispiel auch eine Frau kennengelernt, die im achten Monat schwanger war und trotzdem mit einem Krug einen Berg runterkletterte, um das Wasser zu holen, mit dem dann das Bier für die Feier zur Geburt ihres zukünftigen Kindes gebraut wurde. Das ist die harte Realität: Für Wasser riskierte diese Frau das Leben des Kindes, dessen Geburt sie feiern wollte. Wenn man also gefahrlosen Zugang zu sauberem Trinkwasser schafft, dann verschwinden auch diese ganzen anderen Probleme.
Uchiya Nallo, im achten Monat schwanger (Äthiopien, 2013)
Den Klimawandel und den steigenden Meeresspiegel. Bangladesch ist vor allem für das Zweitgenannte leider ein gutes Beispiel. Dabei sollte man aber nicht nur an die von den Überschwemmungen verursachte Zerstörung denken, sondern auch an die Tatsache, dass das Ganze inzwischen keine Seltenheit mehr ist.Dazu will ich mich aber auch noch mit dem australischen Bundesstaat Western Australia und der dortigen Bergbauindustrie in Zusammenhang mit der Wasserknappheit beschäftigen. Perth könnte sich schon bald in eine Geisterstadt verwandeln, wenn man diese Probleme nicht in den Griff bekommt.Welche Botschaft willst du mithilfe deiner Arbeit übermitteln?
Ich würde sagen, dass meine Motivation für dieses Projekt vor allem darin liegt, der Allgemeinheit zu zeigen, dass wir einen direkten Einfluss auf unsere Umwelt haben und welche schrecklichen Dinge täglich passieren. Dabei wirkt sich das Ganze nicht nur auf Menschen in Nigeria aus, sondern eben zum Beispiel auch auf die Bevölkerung Kaliforniens oder Westeuropas. Es geht mir darum, dass man seine Welt aus einer gewissen Perspektive betrachtet und einsieht, dass sich das eigene Verhalten direkt auf diese Welt und damit auch auf die eigene Zukunft auswirkt. Dazu haben meine Bilder immer etwas Physisches an sich, das ich dann in meinen Respekt für diese Welt verwandle. Ich halte unseren Planeten für einen wunderschönen Ort und ich will, dass sich die Betrachter meiner Arbeiten nicht nur denken, wie beschissen die auf den Fotos zu sehenden Probleme sind. Nein, ich will, dass sie durch meine Bilder dazu inspiriert werden, etwas zu ändern. Und genau hier kommt auch Hoffnung mit ins Spiel. Ich bin wirklich der Meinung, dass wir diese Krise beenden können.
Waldrodung (Brasilien, 2015)Mustafah Abdulaziz – Water
Bodenerosion im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso (Brasilien, 2015)Mustafah Abdulaziz – Water
Brackwasser (Äthiopien, 2013)Mustafah Abdulaziz – Water
Der Benue-Fluss (Nigeria, 2015)Mustafah Abdulaziz – Water
Eine Wasserstelle in Freetown (Sierra Leone, 2012)Mustafah Abdulaziz – Water
Grundschüler werden über Cholera aufgeklärt (Sierra Leone, 2012)Mustafah Abdulaziz – Water
Ein provisorisches Wasserbecken in einem ausgetrockneten Flussbett (Kalifornien, 2015)Mustafah Abdulaziz – Water
Der Dongting-See (China, 2015)Mustafah Abdulaziz – Water
Auto werden verschifft (China, 2015)Mustafah Abdulaziz – Water
Das Diorama der Jangtsekiang-Brücke (China, 2015)Mustafah Abdulaziz – Water
Seetang- und Krabbenfang (China, 2015)Mustafah Abdulaziz – Water
Brückenbauarbeiten am Ganges (Indien, 2013)Mustafah Abdulaziz – Water
Das Ganges-Flussbett (Indien, 2014)Mustafah Abdulaziz – Water
Nicht mehr benutzte Pontonbrücken (Indien, 2013)Mustafah Abdulaziz – Water
Kanalarbeiten (Indien, 2014)Mustafah Abdulaziz – Water
Ein menschlicher Schädel im Ganges-Flussbett (Indien, 2013)Mustafah Abdulaziz – Water
Verschmutztes Abwasser (Indien, 2014)Mustafah Abdulaziz – Water
Sahib Lashari (Pakistan, 2013)Mustafah Abdulaziz – Water
Eine offene Wasserstelle in der somalischen Wüste (Somalia, 2013)Mustafah Abdulaziz – Water