Im Endeffekt fühlte ich mich wie ein Spion, ein verdeckter Lügenpressevertreter oder, schlimmer noch, wie ein Austrianer im Schafspelz.
Der erste Tipp, den ich bekam, war, mir vor dem Spiel Alkohol zu holen, da bei manchen Spielen nur Light-Bier oder nichtalkoholisches Bier ausgeschenkt wird. "Aber was bringt dich mehr zum Auszucken: A biss'l a Spitz? Oder wenn du dir Bier kaufst und kein Alkohol drinnen ist?", fragte meine Begleitung und schloss mit ein paar Anekdoten, in denen enttäuschte Fans vermeintliches Bier in verschiedenste Richtungen davonschossen.Dass vielleicht Rapid gegen die Austria zum ersten Mal im eigenen Stadion verliert, ist schon witzig ;) — Florian H. (@floxyz_)23. Oktober 2016
Alles in allem war es wirklich imposant und sehr flashig, da auf der Tribüne zu stehen, während riesige Fahnen geschwenkt, farbiger Rauch und bengalische Feuer gezündet wurden und alle gleichzeitig Fangesänge sangen. Die Atmosphäre ist etwas, das man nur schwer beschreiben kann. Auch die Fans waren während des Spiels wie verwandelt: Sie wirkten irgendwie urmenschlich. Bereits zu dem Zeitpunkt wusste ich, das war bestimmt nicht mein letztes Fußballspiel.Gleich nach dem Anpfiff fiel mir auf: Abgesehen davon, dass von der gegnerischen Mannschaft wirklich wenige Fans da waren, waren die Block-West-Leute wirklich sehr dahinter, die Austria-Spieler psychisch zu zerstören. Da wurde laut gebuht, gepfiffen und geschimpft—während jeder Ballbesitz von Rapid tobend gefeiert wurde. Da es ja auch das Rapid-Stadion ist, finde ich das weder überraschend noch sonderlich schlimm. Und damit bin ich wohl auch nicht alleine.[Wie du die Europameisterschaft überlebst, ohne eine Ahnung davon zu haben](Allerdings glaube ich nicht, dass politische Korrektheit überall einen Platz oder denselben Stellenwert hat; und ich bin mir fast sicher, dass das Brechen mit dieser Korrektheit nicht überall dasselbe bedeutet. Ich selbst habe mir zum Beispiel vor dem Spiel Sticker mit „Violette Fotzen)
Ein bisschen weniger entspannt dürften es da schon einige mit den gängigen Schimpfwörtern halten, die vom Block West aus gerne gerufen werden. "Oaschwoame Sauschwuchtel" und alle Begriffe rund um den Zusatz "schwul" gibt es da nicht nur vereinzelt. Das mag für politisch korrekte Menschen nicht sonderlich cool sein—und ich bin in der Regel ganz bei ihnen (oder bei euch).Die Block-West-Leute waren wirklich sehr dahinter, die Austria-Spieler psychisch zu zerstören.
90 Minuten absolut kein Leiberl im Derby gegen die Austria und nach Abpfiff 'Schwuler FAK' singen. Rapid hat schon Klasse, find ich. — žarko j. (@zarkojank)23. Oktober 2016
Was mich hingegen schon ein bisschen überrascht hat: Rapid-Fans sind anscheinend Freunde von Cannabis, was ziemlich sympathisch ist. Es gab dort entsprechende Sticker, einschlägige Schals und, viel wichtiger, den typischen Marihuana-Geruch. Angeblich wurde auf den Toiletten Koks gesichtet, aber man zeige mir ein öffentliches Klo, auf der kein Koks gesichtet wird.Ich habe im Endeffekt sogar Fotos machen können. Nicht offensichtlich und nicht die ganze Zeit, aber paar Fotos waren es dann doch. Ich habe selbst auch keine Gewalt mitbekommen; erst später habe ich gehört, dass sich an die 100 Hools vor dem Spiel in der 6er Straßenbahn in die Goschen gehauen haben. Und solange solche Auseinandersetzungen unter bereitwilligen Schlägern bleiben, kann ich auch das irgendwie nicht verurteilen.Lies hier, was Fredi über ihren Besuch im Volksgarten dachte
Ich weiß, es ist ziemlich einfach, Fankultur zu verachten und nicht zu verstehen. Das Ganze ist eine Parallelgesellschaft, an der viele nicht teilnehmen, weil sie nicht können oder wollen, aber die sich genau deswegen so reizvoll für die wenigen Eingeweihten herausstellt, die in der Regel auch in Sachen Gewalt unter sich bleiben.Schon alleine deshalb finde ich die Existenz dieser eigenen Kultur völlig OK. Wenn Leute keine Milka-Schokolade mehr essen, weil sie lila ist, finde ich das zwar schon komisch. Aber sogar das ist ihre Sache. Ich esse kein Quinoa, weil ich zu stolz auf meine ungesunde Lebensart bin. Viele Menschen tragen einen kleinen dummen Fanatiker in sich; egal, ob dieser Fußball oder Fast-Food mag.Viele Menschen tragen einen kleinen dummen Fanatiker in sich; egal, ob dieser Fußball oder Fast-Food mag.