Drag Queens rezensieren Burger, die nach ihnen benannt wurden

In einer der belebtesten Straßen Amsterdam, zwischen Coffeeshops und einem nie enden wollenden Strom von Touristen, die Gras-Lollis lutschen, liegt das kultige LGBTQ-Restaurant Getto. Auf den ersten Blick findet man den Laden nur schwer, man muss danach suchen. Das kleine Gebäude sieht zunächst aus wie eine normale Bar, doch innen hängen Discokugeln von der Decke, es gibt eine Cocktail-Karte mit Drinks mit Namen wie „Geile Königin Maxima” und vor allem Hamburger, die nach berühmten Drag Queens benannt wurden.

John Sade leitet das 20 Jahre alte Restaurant zusammen mit seinem Freund. Er erzählt mir, welche Rolle sein Laden in der niederländischen und internationalen LGBTQ-Szene gespielt hat und immer noch spielt: „Vor 20 Jahren war die Warmoesstraat eine Straße nur für Männer, hier gab es nur Lederbars. Zu Anfangszeiten des Getto haben wir den Laden bewusste auch für lesbische Kundinnen geöffnet und unsere Partys nur für Frauenwaren ziemlich erfolgreich. Die Mädels haben die Stimmung hier im Viertel total verändert, vorher gab es hier einen Testosteron-Überschuss. Dann entwickelte sich auch die Drag-Szene, für die wir zu einem Anlaufpunkt wurden. Aus dem Restaurant in einer der dunkleren Ecken der Stadt wurde schnell ein beliebter Spot.”

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John Sade gehört das Getto. Alle Fotos von Rebecca Camphens

Das Restaurant hat bis heute ein Ziel: allen ein Zuhause zu bieten, nicht nur Homosexuellen und Drag Queens, sondern auch allen mit Leder-Fetisch. Das heißt nicht, dass Heterosexuelle nicht willkommen sind. Sade erklärt: „Getto bedeutet wörtlich ein Treffen von Gleichgesinnten. In dieser Stadt gibt es viele Restaurants, die von Schwulen oder Lesben geführt werden, die sind LGBT-freundlich. Wir sind ganz offen gay, sozusagen in your face. Wer donnerstags zu uns kommt, den erwartet vielleicht eine Drag Show. Auch Heteros sind willkommen, solange sie sich benehmen.”

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Mit seiner Karte zollt John den Drag Queens Tribut, die die Drag-Szene etabliert haben und für LGBTQ-Rechte kämpfen. „Jeder Burger ist nach einer Drag Queen benannt, die sich für unsere Community engagiert”, erklärt er. „Wenn sie das tun, bekommen sie einen eigenen Burger.” Vor Kurzem kam ein neuer Burger auf die Karte, der „Miss Olympia” zu Ehren der Gewinnerin der diesjährigen Drag Queen Olympics in Amsterdam.Ich habe mich mit drei Drag Queens unterhalten, nach denen Burger benannt sind, und mit ihnen in Erinnerungen geschwelgt, um herauszufinden, ob diese Burger wirklich ein Spiegel ihrer Persönlichkeit sind.

Jennifer Hopelezz

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MUNCHIES: Du bist in vielen LGBTQ-Initiativen engagiert, deshalb hast du auch einen eigenen Burger. Was hältst du davon? Jennifer Hopelezz: Das ist schon eine große Ehre. Viele Leute sagen mir: „Ich habe dich im Getto gegessen. Du warst echt köstlich.” Natürlich bin ich köstlich, was haben die denn gedacht.

Hast du gefeiert, als du von deinem Burger erfahren hast? Ich bin mit meinen beiden Zwillingstöchtern hier in die Küche gegangen und habe ein paar Fotos gemacht. Es gab auch einen offiziellen Launch der Burger, da sind alle Drag Queens hingekommen, wie eine große Familie.

Und welcher Burger ist deiner? Der mit Rindfleisch, Cheddar, Salat und Guacamole. Herrlich!

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Passen die Zutaten zu deiner Persönlichkeit? Ja, ich meine: eine schöne Form, zierlich, ein bisschen scharf. Lecker. Und ein bisschen schlampig, genauso wie ich. Ein großes durchgeweichtes Chaos. Das ist Jennifer. So fühle ich mich und so werde ich mich auch morgen früh fühlen.

Wenn du die Zutaten selbst auswählen könntest, welche wären es? Wahrscheinlich Tzaziki und Kalamata-Oliven, weil ich eine griechische Lady bin. Obwohl, Oliven auf einem Burger wären wahrscheinlich ziemlich ekelhaft.

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Wie lange kennst du das Getto schon? Seit zwanzig Jahren, ich war gerade nach Amsterdam gezogen. Als ich dieses Restaurant entdeckte, war ich ziemlich glücklich. Es erinnerte mich an meine Heimat Australien. Dort gibt es auch ein Café, das genauso aussieht, manchmal hatten sie auch Känguru auf der Karte. Ich habe mich also sofort wie zu Hause gefühlt. Hier trinke ich oft Cocktails.

An welchen Abend im Getto wirst du dich immer erinnern? Beim Hartjesdagen [einem mehrtägigen Cross-Dressing-Festival in Amsterdam] habe ich hier mit 20 anderen Drag Queens gegessen. Jemand hatte einen Ghettoblaster mitgebracht und wir haben draußen auf der Straße eine Art Drag Queen Olympics abgehalten. Hunderte Leute haben zugeschaut.

Warum gibt es nicht mehr LGBTQ-freundliche Restaurants in Amsterdam? Früher gab es mehr davon. Das Gleiche gilt auch für Gay Hotels, davon gibt es nur noch eines. Jedes Jahr schließen ein paar LGBTQ-Läden und nur wenige neue machen hier auf. Die gesamte Szene verschwindet langsam, das ist ein Problem. Es sollte mehr Läden wie diesen geben, wo man sich treffen, gemeinsam essen und trinken kann und zur Abwechslung einmal in der Mehrheit ist.

Miss Windy Mills

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MUNCHIES: Wie hast du reagiert, als du deinen eigenen Burger bekommen hast? Miss Windy Mills: Ich erinnere mich noch, wie Jennifer Hopelezz es 2009 auf die Karte geschafft hatte und ich mir damals dachte: „Wenn du deinen eigenen Burger im Getto hast, dann hast du es als Drag Queen geschafft.” Früher waren viele international bekannte Drag Queens auf der Karte, mittlerweile sind immer mehr einheimische Talente nachgerückt. Vor anderthalb Jahren habe ich meinen eigenen Burger bekommen, ein magischer Moment.

Wie hast du das gefeiert? An dem Tag habe ich eine kleine Schürze gekauft. Ich habe hier als Kellnerin gearbeitet, mit derselben Perücke, die ich auch heute trage. Die ganze Nacht lang habe ich Burger serviert, Bestellungen aufgenommen, Bier gezapft, die Leute an den Tischen unterhalten. Einfach toll. Ich dachte mir: Wenn ich diesen Burger bekomme, dann muss ich das auch richtig durchziehen und mir eine würdige Erinnerung an diesen Moment schaffen.

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Passt der Burger zu deiner Persönlichkeit? Ich sage ja immer: Fake it ’til you make it! Ich kann mich in jede Situation hineinversetzen und sie mir ganz zu eigen machen. Also ja! Es ist ein Sandwich mit Hähnchenbrust, eine Anspielung auf meine Brüste. Viele Drag Queens nutzen Silikonbrüste, doch mein Busen ist aus echtem Fleisch. Ich habe irgendwann gesagt: Ich arbeite nur mit großen Hühnerbrüsten. So entstand mein Burger.

Woraus sind deine Brüste? Ziegenkäse [lacht]. Nein, das bleibt mein Geheimnis.

Was ist mit den anderen Zutaten in deinem Burger? Na ja, meine Taille ist ziemlich schmal, meine Hüften ausladend. Nur wenige Drag Queens entscheiden sich dafür, ich versehe nicht warum. Eine echte Niederländerin hat nun mal ein bisschen mehr extra Fleisch. Der Speck auf dem Burger ist auch mein Speck. Mein Arsch zum Beispiel: Die Zutaten verrate ich nicht, aber ich habe ihn mit einem Brotmesser und Schaumstoff gemacht.

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Wie würde der Burger aussehen, wenn du ihn selbst zusammenstellen könntest? Früher dachte ich, dass ich unbedingt einen Lamm-Burger will. Ich bin auf [der niederländischen Insel] Texel aufgewachsen, da gibt es viele Schafe. Dann noch Mango-Chutney und Röstzwiebeln und ein Vollkornbrötchen. Vollkornbrot passt voll zu mir, ich bin schließlich keine oberflächliche Drag Queen. Ich bin ein echtes Vollkornbrötchen, mit Substanz und nicht nur leeren Kalorien. An mir hat man was.
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Welche Rolle spielt das Getto hier in Amsterdam? Ein Gay-Restaurant ist etwas anderes als eine Gay-Bar: In ein Restaurant geht man viel einfacherer rein als in eine Bar. Hier wird man nicht ständig angemacht. Heutzutage kommen weniger Niederländer her, weil sie auch an anderen Orten offen homosexuell sein können. Doch wir brauchen solche Läden für zukünftige Generationen. Jetzt kommen viele Touristen aus Ländern, wo es diese Freiheit nicht gibt.

Coco Coquette

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Koos van den Berg, aka Coco Coquette

MUNCHIES: Welchen Burger hast du bekommen? Coco Coquette: Einen vegetarischen mit Bohnen und Nüssen. Die ganzen Burger mit Fleisch waren schon vergeben, die anderen wollten ihren Namen keinem vegetarischen [Burger] geben. Mir war das egal. Ich bin zwar kein Vegetarier, aber er passt zu Cocos Stil.

Warum? Es ist ein Gegengewicht zu den Drag Queens, die alle viel Fleisch wollen. Männer und Fleisch, immer dasselbe. Coco ist eine gewöhnliche Hausfrau, die ab und zu richtig hart feiert. Und sie liebt Tiere.

Passt der Rest auch zu deiner Drag-Persönlichkeit? Eine kroket [eine Fleischkrokette] wäre mir ehrlich gesagt lieber gewesen, wenn nötig auch nur mit Gemüsefüllung. Das wäre dann die Coco-Kroket geworden, hört sich richtig gut an. Aber dafür hätten sie noch extra eine Fritteuse einbauen müssen, das war also nicht möglich. Dieser Burger ist einfach „kokett” und der schicke Spieß ist absolut Coco.

Ist dir aufgefallen, dass er wie ein kleiner Penis aussieht? Das sehe ich jetzt zum ersten Mal! Entweder ist es mir vorher nie aufgefallen oder das wurde später hinzugefügt. Ohne meine Erlaubnis! Die BBQ-Sauce ist auch neu, glaube ich. In den letzten Monaten wurde der Burger richtig aufgemotzt, so wie ich. Obst auf einem Burger ist schon ein bisschen komisch, aber das passt gut zu Coco. Sie fällt gern ein bisschen aus dem Rahmen und lässt sich nicht in die klassische Drag-Queen-Schublade stecken.

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Schmeckt er dir? Ein bisschen trocken, aber deshalb gibt es ja diese leckere Sauce. Das macht einen großen Unterschied. Und das passt auch: Coco ist auch ein bisschen trocken.

Du meinst den Humor? Ja, auch. Ich bin aber auch eine alte Drag Queen und immerhin schon 61.

Bist du ein Burger-Fan? Nein, ich finde es schwer, sie zu essen. Die fallen immer auseinander und es ist richtig anstrengend. Völlig überbewertet als Essen. Die Pommes sind gut, die erinnern mich an belgische. Das Brötchen saugt die ganzen Säfte gut auf. Das ist nicht der weltbeste Burger, aber ich würde auch nichts daran ändern. Coco ist schließlich auch nicht perfekt—und das ist auch gut so.

Was ist deine Lieblingserinnerung hier im Getto? Es gab ein paar richtig lustige Partys. An eine Motto-Party werde ich mich immer erinnern: „Weihnachten auf Hawaii”, das war im Sommer und es war total heiß. Ich bin hier aufgetreten, mit Bastrock und Weihnachtsmannmütze. Das Schönste an diesem Laden ist, dass er ein bisschen versteckt liegt. Manchmal kommen Heteros zu uns, ohne dass ihnen klar ist, wo sie hier gelandet sind. Und wenn sie dann irgendwann herausgefunden haben, dass das hier ein Gay-Restaurant ist, gehen sie am Ende mit einem positiven Gefühl. So nach dem Motto: Das war echt lustig und gesellig, auch wenn es eigentlich nicht meine Szene ist.