Das ist sicher die deutscheste aller Gesetzeslücken, Clemens Tönnies hat sie ge- oder erfunden, die Wurstlücke. Tönnies, der Mann, der sich sowohl in Stadien als auch in Gerichtssälen wohlfühlt. Der Provinzfürst aus Rheda-Wiedenbrück, der deutsche Wurstkönig. 5,6 Milliarden Euro Umsatz hat sein Konzern im letzten Jahr gemacht, 18,2 Millionen Schweine hat er dafür geschlachtet. Den Gewinn verrät er nicht, den behält er für sich. Wortwörtlich, tatsächlich. Nicht nur, dass er ihn nicht verraten mag, er hat es auch geschafft, einer Strafe zu entgehen. Herr Tönnies schafft es, mit einer Umstrukturierung seiner Firma 128 Millionen Euro zu sparen.
Von Beginn an: 2014 hatte Tönnies Ärger mit dem Kartellamt bekommen, es gab Preisabsprachen bei seiner Gruppe „Zur Mühlen”. Insgesamt wurden Strafen von 338 Millionen Euro ausgesprochen, Tönnies Gruppe hatte daran einen Anteil von circa 120 Millionen. Es gab Widerstand, es gab ein Gerichtsverfahren. Die Zeit nutzte Tönnies, um seinen Konzern neu zu strukturieren. Und fand die Lücke, die jetzt Wurstlücke heißt.
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Unternehmen können nach derzeitiger Rechtslage ihre Unternehmen so umbauen oder vom Markt nehmen, dass der Strafbescheid nicht mehr gültig ist. Das hat Tönnies getan, beim Kartellamt nennt man diese Gesetzeslücke seitdem „Wurstlücke”. Tönnies sagt, das sei alles nicht so gewesen, der Umbau hätte schon vor dem Bußgeldbescheid begonnen. Wie dem auch sei: Die Strafe von 128 Millionen muss er nicht zahlen, zudem behält er den Gewinn, den er mit den überteuerten Würsten gemacht hat.
Eines sei noch erwähnt: Bußgelder, die das Bundeskartellamt verhängt, sollen Warnungen sein und sind in der Höhe so angelegt, dass sie die Unternehmen nicht ruinieren. Immerhin: Schalke 04 hat weiterhin eine Stadionwurst.