Ich bin in Ciechanów pünktlich zur ersten Schlacht angekommen. Hier, in dieser alten Ritterburg, soll in wenigen Augenblicken das dritte polnische Ritterturnier losgehen. Schon seit Wochen herrscht in der Region eine brütende Hitze. Und wenn ich mir die Ritter in voller Montur anschaue, frage ich mich schon, wie sie das überhaupt aushalten können. „Es ist nicht so schlimm. Unsere letzte Schlacht bei Tannenberg vor gut einem Monat war viel härter”, erzählt mir der eine. „Unter unseren Rüstungen wurde es bis zu 70 Grad heiß.”
Plötzlich brüllt einer der Kampfrichter „LOS!” und das Chaos nimmt seinen Lauf. Zwei der Ritter jagen sich mit gezogenen Schwertern kreuz und quer über das Kampfgelände, während die Zuschauern jubeln und applaudieren. Überall scheppern Klingen gegen die Rüstung und Schilder von Kämpfern. Und vor der Burg steht sogar ein eigens errichtetes Zeltdorf, wo Ritter und Zuschauer gleichermaßen urig schlemmen und trinken können. Auch an eine Bogenschießanlage wurde natürlich gedacht. Und genau dort treffe ich auch Tomasz Duda, den Vorsitzenden der Ritterschaft von Ciechanów und Stellvertreter des Polnischen Verbands für Ritterkämpfe. Ich will von ihm wissen, wie es so ist, ein polnischer Ritter im 21. Jahrhundert zu sein.
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VICE Sports: Erzähl doch mal von den Anfängen dieser Kämpfe hier in Polen.
Tomasz Duda: Die ersten modernen Ritterturniere fanden in Polen schon in den 90ern statt, aber damals hatte das Ganze noch etwas von einer Theateraufführung. Die Kämpfe wirkten arrangiert und hatten nichts mit Sport zu tun. Das hat sich dann aber nach und nach geändert, weil immer mehr Leute Lust auf echte Kämpfe hatten. 1998 kam dann für uns der Durchbruch. In dem Jahr haben wir zum ersten Mal die Schlacht bei Tannenberg reinszeniert. Die Veranstaltung wurde im Laufe der Zeit immer populärer und hat auch viele Touristen aus Russland und der Ukraine angelockt.
Was ist dann passiert?
Uns wurde im Laufe der Zeit klar, dass wir uns zu einem Verband zusammenschließen müssen, wenn aus unserem Hobby eine richtige Sportdisziplin werden soll. 2011 haben wir folglich den Polnischen Verband für Ritterkämpfe gegründet. Wir wollen dafür sorgen, dass der Ritterkampf zu einem internationales Aushängeschild für Kampfsport made in Europe wird—genauso wie Taekwondo und Karate für typisch asiatische Kampfsportarten stehen.
Abgesehen von unserem Verband haben wir hier in Polen seit zweit Jahren auch eine eigene Ritterliga. Durch sie wollen wir mehr Ritter finden, die Polen bei kommenden Weltmeisterschaften vertreten können. Polen ist übrigens auch eines der Gründungsmitglieder der IMCF („International Medieval Combat Federation”—also der internationale Verband für Ritterkämpfe). Wir geben also für diese Sportart die Richtung vor.
Was muss man machen, um Mitglied in euerem Verband zu werden?
Jede Person, die Interesse an einer Mitgliedschaft hat, muss zuerst ein mehrmonatiges Noviziat ablegen. Dort gilt es, die nötigen Kampftechniken zu erlernen. Außerdem müssen zukünftige Mitglieder wissen, wie man eine Rüstung anfertigt. Zum Schluss müssen sie dann für sich entscheiden, ob sie wirklich ein Ritter werden wollen.
Mit welchen Schwierigkeiten müssen Rekruten rechnen?
Die erste Herausforderung besteht darin, sich an die Schmerzen aus Schlägen und Stößen zu gewöhnen. Denn trotz Helm und Rüstung erwarten dich eine Menge blaue Flecken und Prellungen.
Was ist eigentlich so toll daran, mit Schwertern auf andere Menschen loszugehen?
Es ist wohl ein bisschen so wie bei Extremsportarten. Wir spüren in uns einfach ein großes Verlangen nach Abenteuern, Adrenalin und Kampfszenen. Manche von uns glauben, dass es sich um einen uralten männlichen Impuls handelt, den andere schon verloren glaubten. Das Wichtigste ist für uns aber immer noch der Fair-Play-Gedanke. Das heißt im Klartext, dass wir uns in den Duellen zwar nichts schenken, aber danach trotzdem mit unseren Gegnern im Lager bei einem Bier zusammensitzen können.
Gab es schon ernstere Verletzungen?
Ab und zu, aber die Rüstung ist im Grunde so gebaut, dass sie den Körper gegen Stöße und Schläge gut schützt.
Was hat es mit der sogenannten Battle of Nations auf sich?
Das ist die Weltmeisterschaft für mittelalterliche Kämpfe. Der erste Wettbewerb fand 2010 in der Ukraine statt, in der Festung Chotyn. Zwei Jahre später war dann Polen der Gastgeber.
Welche Nationen hat das polnische Team bisher schon besiegen können?
Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Spanien, Portugal und Kroatien. In der Einzelwertung haben wir schon zwei Goldmedaillen gewinnen können und in der Gesamtwertung steht Polen auf Platz zwei.
Und wer sind die Champions?
Die USA! Ich weiß, das ist ziemlich verrückt, weil es dort ja gar keine Ritter gab. Jedes Mal, wenn dieses Thema aufkommt, weisen wir einfach darauf hin, dass die USA ein Land aus europäischen Einwandern ist. Wir glauben also, dass auch die Amerikaner tief im Herzen alte Ritter sind. Darum haben sie auch das Recht, an den Spielen teilzunehmen. Außerdem sorgen sie dafür, dass unser Sport auch auf der anderen Seite des großen Teichs immer bekannter wird—wofür wir ihnen sehr dankbar sind.
Dieser Artikel ist ursprünglich auf VICE UK erschienen.