Ein zerstörtes Haus in Lützerath. Hat mit der Wohnsituation nicht direkt zu tun, war aber ein visuell gelungener Gag, fanden wir.
Symbolbild Wohnungssituation | imago / Panama Pictures
Politik

Deshalb drohen uns zehn weitere Jahre Wohnungskrise

Eines der größten Wohnungsunternehmen will 2023 keine Neubauten mehr starten. Was das für uns heißt.

Bauen ist super teuer. Das kann man sich ja vorstellen, schon ein Kilo Hackfleisch ist heutzutage super teuer. Ein ganzes Gebäude könnten wir uns erst recht nicht leisten. Leider geht es so auch denjenigen, deren einziger Job es war, Wohnraum zu schaffen: Den Immobilienunternehmen. 

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Axel Gedaschko, der Präsident des Vermieterverbands GdW prophezeite deshalb kürzlich: "Die Wohnungsnot wird (daher) noch mindestens zehn Jahre lang dauern." Wie kommt er darauf? Und was geht uns das an?

In Deutschland fehlen derzeit etwa 700.000 Wohnungen, wie eine Studie des Pestel-Instituts ergeben hat. Das ist das größte Wohnungsdefizit seit 20 Jahren. Die Bundesregierung will gegensteuern. Ihr Versprechen war es, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu schaffen. Die müssen aber gebaut werden. Und, das haben wir bereits gelernt: Bauen ist teuer und gar nicht so leicht.

Zugegeben, es ist nicht der einzige Job von Immobilienunternehmen, Wohnraum zu schaffen, sondern auch, diesen instand zu halten und zu verwalten. Wenn sie privatwirtschaftlich organisiert sind, sollen sie daneben oft auch noch mächtig Rendite für die Anteilseigner erwirtschaften, also auf Kosten der Mieterinnen und Mieter Gewinn machen. Aber das ist ein anderes Thema.

Von den 700.000 fehlenden Wohnungen sind die meisten Sozialwohnungen. Elf Millionen Mieterhaushalte haben derzeit Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein und damit eine vergünstigte Wohnung, 90 Prozent davon werden keine finden. Den Bau von Sozialwohnungen hat die Politik jahrzehntelang verschleppt. Ende der 80er Jahre gab es in Westdeutschland noch etwa vier Millionen Sozialwohnung, heute sind es bundesweit etwa 1,1 Millionen. 

Oh, oh …

Und jetzt das: Vonovia hat angekündigt, 2023 keine Neubauten mehr zu errichten. Das ist ärgerlich, denn wie will die Bundesregierung jedes Jahr für 400.000 neue Wohnungen sorgen, wenn eines der größten Immobilienunternehmen im Land nicht mitzieht? Das wird nun nicht nur eng, sondern unmöglich. 

Bauindustrie und Immobilienunternehmen haben dabei durchaus einen Punkt: Wenn sie im Schnitt 5.000 Euro pro gebautem Quadratmeter Wohnfläche zahlen, kriegen sie das Geld kaum wieder rein, wenn sie dafür weniger als 20 Euro pro Quadratmeter verlangen. Was das bedeutet, ist klar: Menschen, die nicht stinkreich sind, werden aus den Städten verdrängt.

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Wo Hackfleisch unbezahlbar wird, baut auch niemand mehr Häuser

Die Gründe für die gestiegenen Kosten sind allerdings simpel und, wenn man der Logik privatwirtschaftlich organisierter Unternehmen folgt, auch nachvollziehbar: Bauen ist, wie gesagt, einfach fucking teuer geworden. Der Grund ist derselbe, aus dem wir derzeit aufs Hackfleisch verzichten: Die Inflation, die Inflation, die Inflation. Hinzu kommt ein Mangel an Handwerkern. Die werden dadurch natürlich auch teurer, das ist der Markt: Angebot und Nachfrage und am Ende sitzt du auf der Straße. 

Durch die Erhöhung des Leitzinses durch die Europäische Zentralbank Ende des vergangenen Jahres ist außerdem alles nochmal ein ganzes Stück teurer geworden, was Investitionen fordert. Wenn Unternehmen nämlich neue Projekte angehen, leihen sie sich dafür meistens Geld bei der Bank. Wenn Banken aber jetzt mehr Geld dafür fordern, dass Unternehmen sich welches leihen, wird dieser Leihvorgang auch teurer. 

Ja, aber: Was heißt das für mich?

Das ist alles das Einmaleins der Volkswirtschaft und dabei immer noch arg vereinfacht. Aber warum auch nicht? Wir wollen ja keine Ökonomen werden, wir wollen bezahlbaren Wohnraum. Wir wollen nicht die Hälfte des Geldes, das uns zur Verfügung steht, für Miete ausgeben. Wir wollen nicht in unseren schmuddeligen WGs wohnen bleiben, weil es da draußen keine bezahlbaren Wohnungen gibt und aus demselben Grund unsere Familienplanung hinauszögern. Und da kann man auch ruhig mal wütend werden. Das werden auch viele, denn dass wir so wenig Wohnraum haben, wird sich so bald auch nicht ändern. 

Alex Gedaschko, der Mann, der uns zehn Jahre Wohnungsnot prophezeit hat, fordert deshalb von der Politik, dass diese Bauvorhaben subventioniert. Sie soll Geld dazugeben, wenn privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen neue Gebäude errichten wollen oder ihnen zumindest günstiger Geld leihen als Banken es tun würden. Außerdem findet er, dass Kommunen und Länder alle potenziellen Baugrundstücke zur Verfügung stellen sollten, damit darauf, nun ja, gebaut werden kann. 

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Nun muss man dazu sagen, dass Vonovia vor allem in Berlin, wo das Unternehmen die meisten Neubaupläne hatte, die es nun abgesagt hat, reichlich unter Druck steht. Eine Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner hat 2021 dem Volksentscheid "Deutsche Wohnen und Co. enteignen" zugestimmt. In dem "und Co." war Vonovia 2021 noch mitgemeint, mittlerweile hat das Unternehmen Deutsche Wohnen übernommen.

Privatunternehmen und der gute Wille

Eine Enteignung wird in Berlin natürlich kaum umzusetzen sein, solange die SPD die Regierende Bürgermeisterin stellt. Die ist da nämlich ganz arg gegen. Um dem Volksentscheid aber die Argumente zu nehmen, nämlich dass der Wohnraum zu teuer ist, hat diese Bürgermeisterin, Franziska Giffey, ein Bündnis mit einigen Unternehmen und Verbänden, unter anderem Vonovia, geschlossen. Diese haben dabei versprochen, bis 2026 100.000 neue Wohnungen zu bauen. Den Bruch dieses Versprechens durch Vonovia dürften wir jetzt gesehen haben.

Manche finden diese Politik gut, auch wenn sie nur auf der Hoffnung basiert, dass Wohnungsunternehmen das Beste für die Bevölkerung wollen. Sie fragen, warum Vonovia weiter Neubauten in Berlin errichten sollte, wenn dort ohnehin bald die Enteignung droht. Schließlich regiere dort ein linkes Bündnis aus SPD, Grünen und Linken. Mietpreisbremse, Milieuschutz, Enteignung: Alles Maßnahmen, bei denen Unternehmen aus ökonomischer Perspektive doch bescheuert wären, wenn sie weiter in die Stadt investieren.

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Was könnte nun also geschehen? 

Der Bund könnte selbst Immobilien bauen und diese günstig vermieten. Dann müsste man sich auch keine Sorgen um das Wohlwollen der Unternehmen machen, die, seien wir ehrlich, zuerst an sich selbst denken. Man könnte sie stattdessen guten Gewissens enteignen.

Alternativ wäre es denkbar, dass die Politik konkrete Förderungen nutzt, um den Bau von Gebäuden zu unterstützen, die das soziale Wohnsegment bedienen. Gleichzeitig könnte sie Wohnungen, die bereits den Ländern und Kommunen gehören, zu Sozialwohnungen umwidmen. Und sie könnte Immobilienunternehmen auch einfach enteignen, um mehr Wohnungen zu besitzen, die sie günstiger machen kann.

Allerdings sind das alles keine kurzfristigen Mittel, um mehr Wohnraum zu schaffen. Wenn allerdings heute die richtigen Entscheidungen getroffen werden, können wir ernsthaft hoffen, in zehn Jahren genug Wohnungen zu haben. Die erste eigene Wohnung, mit der Freundin zusammenziehen, Kinder kriegen – in zehn Jahren fängt unser Leben an! 

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