Popkultur

'Tenet' ist ein weiterer Nolan-Film, der dich einfach nur verwirren will

Vielleicht sind seine Filme auch einfach nur kacke?
Marc-Aurèle Baly
Paris, FR
Tenet ist ein weiterer Film von Christopher Nolan, der einfach nur wirr ist. Vielleicht ist Nolan nicht so gut, wie alle sagen
Tenet | Foto mit freundlicher Genehmigung von Warner Bros.

Kleine Spoiler vorhanden, aber verschmerzbar, da eh niemand diesen Film versteht.

Als 2017 Dunkirk in die Kinos kam, wähntest auch du dich vielleicht im Glauben, dass Christopher Nolan kurz davor stand, den Höhepunkt seines Schaffens zu erreichen. Sich der Regisseur auf seinen letzten Metern zum vervollkommnen Genie befand.

Da warst du leider schief gewickelt.

Das ist nach nur drei Minuten seines neuen und ungeduldig erwarteten Films Tenet klar wie Thüringer Kloßbrühe. Tenet ist Nolans bis dato unverständlichster Film, der sich schnell in einer heillos verschachtelten Handlung auflöst, der so schwer zu folgen ist, wie sie zu genießen ist.

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Der Plot lässt sich unmöglich zusammenfassen, stattdessen sind hier ein paar Sachen, die im Film passieren: diverse Autoverfolgungsjagden durch Raum und Zeit, eine Umkehrung der irdischen Entropie, eine Apokalypse, eine Spionagehandlung über gefälschte Bilder, mit denen Plutonium geklaut werden soll.


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Dieser Genre-Cocktail ist zeitweise auch recht kurzweilig. Und in gewisser Weise ist Tenet Nolans radikalster Film, in dem Sinne, dass er noch nicht einmal so tut, als würde er sich um eine Handlung, Figurenentwicklung oder auch nur einen Anflug von Realismus scheren. Der Film enthält dazu alle Nolan-Lieblingsthemen – in keiner bestimmten Reihenfolge: Glaube, Zeit und Raum, Tod, Familie, Pyrotechnik mit Autos. Gleichzeitig verzichtet er auf die Sentimentalitäten, die den Großteil seiner Werke versanden lassen – siehe: jede Szene mit Marion Cotillard oder Interstellar von Anfang bis Ende.

Auch deswegen fühlt sich am Ende Tenet extrem kühl und technisch an. Wenn du versuchst, die theoretischen Brotkrumen aufzusammeln, die Nolan in Windeseile verstreut, drohen dir die Synapsen durchzubrennen. Der Film ist so extrem überladen, dass es wieder billig ist.

Ein paar Beispiele: Kenneth Branaghs Figur, Andrei Sator, ist ein großer, böser, russischer Oligarch mit einem bösen, russischen Akzent – nicht weit von Arnold Schwarzenegger in Red Heat oder John Malkovich in Rounders entfernt. Dann ist da noch die Szene, in der Robert Pattinsons Figur der Figur des Hauptdarstellers John David Washington etwas in die Richtung von "Ich glaube, das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft … nur rückwärts", sagt – eine schlechte Parodie auf den berühmten Satz aus Casablanca.

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Tenet ist ein großer Ballon, der sich immer weiter aufbläht, aber nie platzt. Den Zuschauenden bleibt nur, sich zu fragen, warum bestimmte Entscheidungen getroffen wurden und vor allem: wo die Substanz des Ganzen ist.

Es ist möglich, dass Nolan das selbst nicht ganz weiß. Stattdessen verlässt er sich darauf, den Film mit dünnen Meta-Ebenen zu bepinseln, mit Easter Eggs und narrativen Falltüren. In dem Fall ist das Haupt-Easter-Egg, dass Tenet ein Palindrom ist – ein Wort, das man von vorne wie hinten lesen kann. Natürlich stellt man sich dann schnell die Frage, ob der Titel die Story reflektiert. "Hey! Was ist, wenn das Ende … der Anfang war?!" Das passt zu einem Filmemacher, dessen Währung Trickserei ist. Jeder Nolan-Film hat sein Publikum an etwas glauben lassen, das nicht existiert. "Aber ist das nicht der Sinn und Zweck des Kinos?", möchtest du da entgegnen. Möglich, aber in Tenet fühlt sich die Umsetzung gleichermaßen naiv wie prätentiös an.

Die gleichen Zaubertricks – billig und zugleich extrem anspruchsvoll – sind  auch der Mittelpunkt von Nolans Film The Prestige, einer Geschichte über zwei rivalisierende Zauberer im London des mittleren 19. Jahrhunderts.

In The Prestige, einem durchschaubaren Kommentar über sein eigenes Werk, wirft uns Nolan mal wieder in eine windige Erzählung, dieses Mal über die Selbstaufopferung des Künstlers. Das Ergebnis? Ein finaler Twist in schlechter M.-Night-Shyamalan-Manier. Christian Bale war in Wahrheit die ganze Zeit ein Zwillingspaar. Und ähnlich wie bei den Magiern in The Prestige basieren auch Nolans Werke vor allem auf einer Sache: Verwirrung.

Tenet hätte der große Post-Lockdown-Blockbuster sein sollen, fühlt sich aber am Ende so hirnerweichend wie jeder Marvel-Film an und macht dabei einen auf 2001: Odyssee im Weltraum. Nichtsdestotrotz muss man zugeben: Bei der heutigen Wirtschaftslage einen grottigen, zweieinhalb Stunden langen, 225 Millionen US-Dollar teuren Streifen abzuliefern, spricht für Nolans einzigartige Gabe, Leute zu verarschen. Und die kann ihm niemand nehmen.

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