Rapper Gzuz mit Zigarette im Mund, zeigt seinen Mittelfinger. Im Hintergrund sind zwei gekreuzte Richterhämmer zu sehen. Viele Rapper nutzen Gerichtsverhandlungen, um ihr Image zu pflegen
Fotos: GZUZ: imago images | Jan Huebner || Gerichtshammer: imago images | Steinach
Popkultur

Rapper vor Gericht: Die größten Macker-Momente von Gzuz, Shindy, Bushido und Co.

Die Inszenierung auf der Anklagebank ist das Beste, was ihrem Image passieren kann.
Philipp Sipos
illustriert von Philipp Sipos

Yeah, ich nehm' im Saal neben meinen Anwälten Platz
Ein Beamter in Schwarz nimmt mir die Handschellen ab
Und macht die Fußfesseln los (yeah)
Die Gerichtsschreiberin wird, nachdem ich ihr nonchalant zulächle, rot

aus: Kollegah, "Gerichtsverhandlung"

Ich beneide deutsche Rapper. Gzuz, Kollegah, Bushido, Shindy. Ich beneide sie alle. Ich hätte gerne nur einen Tag lang ihr Ego.

Würde ich mich verhalten wie Kollegah in seinem Song, sähe das so aus: Ich habe mit Absicht einen üblen Recherche-Fehler gemacht, finde aber total witzig, dass ich dadurch Menschen Schaden zugefügt habe, und ihr, meine Leserinnen, meine Fans, ihr supported mich eh. Die Geschäftsführung mahnt mich daraufhin ab, aber beim Gespräch in der Chefetage lächle ich die ganze Zeit den 18-jährigen Prakti an und fummle mir in den Haaren rum: "Lach doch mal, Sweetheart, später noch ein Bier?" Und dann schreibe ich einfach weiter.

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Wenn du diese Situation jetzt irgendwie strange findest, dann müsstest du auch all die Auftritte merkwürdig finden, in denen Rapper sich vor Gericht inszenieren, als wären sie im RTL-Nachmittagsprogramm. Deshalb haben wir uns die mal etwas genauer angeguckt und … ach, warte! Wir SIND ja im RTL Nachmittagsprogramm, da hat nämlich Gzuz' Anwalt seine eigene Sendung.

Gzuz mit TV-Anwalt: "Hier ist schlimmere Luft wie im Puff, Jungs!"

Hamburg, Juni 2020, geladen ist Kristoffer Jonas Klauß, also Gzuz. Vorgeworfen werden ihm Verstöße gegen das Waffengesetz, Drogenbesitz und Körperverletzung. Zu seinem Gerichtstermin im Februar war er nicht erschienen, das unentschuldigte Fernbleiben kostete ihn eine Kaution in Höhe von 100.000 Euro. Dieses Mal, zum zweiten Verhandlungstag an einem Dienstag Ende Juni, ist er pünktlich. So hat er auch genug Zeit, eine richtige Show abzuziehen.

Gzuz hat sich einen echten Staranwalt an seine Seite geholt. Nicht Staranwalt in dem Sinne, als dass der sonst nur Stars vertreten würde, sondern Staranwalt, weil TV-Anwalt Christopher Posch selbst berühmt ist. Er hat nämlich seine eigene Fernsehsendung, Christopher Posch. Ich kämpfe für Ihr Recht!, auf RTL und ist auch mal zu Gast bei Mario Barth deckt auf.

Gzuz, in Versace, Kaugummi im Mund, Smartphone in der Hand, läuft filmend durch den gekachelten Flur des Hamburger Gerichts, vorbei an zahlreichen Kameras: "Na, was ist mit Abstandsregeln? Corrrrooona! Wo sind die Masken? Hier ist schlimmere Luft wie im Puff, Jungs!"

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In einem Video des NDR hört man dann vereinzeltes Lachen, vom wem genau, ist schwer zu sagen, aber Gzuz hat es gegeben, was er vermeintlich suchte: Bestätigung. Und auch sein Plan ist aufgegangen: Keiner stellt Fragen. Denn genau darum geht es ja hier: Bitte keine Fragen zur Tat, sondern schön ablenken, dann schreibt die Presse auch am Ende nur über seine Selfies und nicht, worum es eigentlich geht. Zur Erinnerung: Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Drogenbesitz, Körperverletzung und Verstöße gegen das Waffengesetz vor.

Im Gerichtssaal angekommen, ermahnt der Richter den Angeklagten, sein Kaugummi rauszunehmen, und der Rapper nimmt an einem Tisch Platz, der stark an eine Schulbank erinnert. Irgendwie passt das alles zu gut. Da muss Gzuz erstmal wieder ablenken, bevor hier nicht mehr er der Macker ist, sondern der Richter, und schickt seinen Fans ein paar coole Greets an die Kamera ("Whoop, whoop!").

Gzuz' Anwalt stellt dann, bevor es zur eigentlichen Verhandlung kommen kann, erstmal einen Befangenheitsantrag gegen den Richter. Warum? "Wissen Sie, der Antrag hat neun Seiten, das zu verkürzen, bringt doch nichts", sagt Posch in die Kamera des NDR. Am Ende kann man sagen: Die beiden sind ein super Match. Es ging absolut nicht um die Vorwürfe, der Anwalt muss sein Vorgehen nicht einmal erklären, es ging nur um Gzuz selbst. Und das ist für die Karriere einfach genial.

Shindy kommt im Bentley, sagt aber, er habe kein Geld, um die Strafe zu zahlen

Ein himmelblauer Bentley, der kostet mindestens 200.000 Euro. Mit einem solchen Wagen fuhr Shindy, weniger bekannt als Michael Schindler, Anfang Juni vor dem Stuttgarter Amtsgericht vor. Er soll 175.000 Euro Strafe bezahlen, weil er mit einem Fantasiekennzeichen ("DAD DY 1") für einen Videodreh durch die Stadt gesaust war und dabei dummerweise geblitzt wurde. Das Kennzeichen klebte übrigens an einem Maybach Cabrio, Wert laut BILD: rund 350.000 Euro.

Das Gericht schätzte das monatliche Grundeinkommen des Rappers auf rund 150.000 Euro. Das ist die Grundlage für die Höhe der Strafe. Und wenn man sich den polierten Bentley so ansieht, ist das eine durchaus berechtigte Forderung. Aber Shindy sagt: Sein Einkommen sei deutlich niedriger, die Strafe viel zu hoch. Klar, wahrscheinlich hatte er sich den Bentley nur geborgt? Obendrauf stellte Shindys Anwalt auch hier einen Befangenheitsantrag gegen den zuständigen Richter und erklärte vor Gericht: "Der Richter erweckt den Eindruck, er habe sich schon vor Abschluss der Beweisaufnahme endgültig auf eine Verurteilung des Angeklagten festgelegt."

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Da ist doch ein Muster zu erkennen, oder? Wieder geht es überhaupt nicht um den eigentlich zu verhandelnden Fall (Kennzeichenmissbrauch und 22 km/h zu viel), sondern um Shindy selbst. Ganz klar, er ist das Opfer, die ganze Welt ist ungerecht, alle sind gemein zu Shindy. Der Arme. Abgeschlossen ist der Fall übrigens noch nicht.

Und selbst wenn er verliert: Wenn man erstmal an dem Punkt ist, einfach alles zu ignorieren, so Standards wie Moral oder halt das Gesetz, dann fühlt sich das sicher sehr gut an, dieses Gefühl der Macht, was einem da so in der Leistengegend hochsteigt.

Bushido fährt mit zwei schwarzen BMWs der Polizei vor

Inszenierung funktioniert übrigens auch andersherum, nämlich dann, wenn man sein Image als böser Junge loswerden will. So gesehen bei Bushido. Nach seiner öffentlichen Trennung von Geschäftspartner Arafat Abou Chaker war er im März 2019 zur Verhandlung geladen, um den Streit ein für alle Mal abzuschließen.

Weil mit einem Clanmitglied nicht zu spaßen ist, hatte das Berliner Landgericht die Sicherheitsmaßnahmen verschärft. Bushido wurde also in einem schwarzen BMW vorgefahren, den laut BILD die Polizei gestellt hatte. Auf dem Weg in den Verhandlungssaal wurde Bushido von drei vermummten und schrankbreiten Sicherheitsmännern begleitet. Das Gericht ging davon aus, dass für Bushido Lebensgefahr bestehe. Gut, die Sicherheitsmaßnahmen seien ihm gegönnt. Nur hat er ja sicherlich gewusst, auf welchen Freund er sich da einlässt, oder? Inhalt der Verhandlung war nämlich, dass Arafat Abou Chaker unrechtmäßig Gelder aus dem gemeinsamen Immobilienunternehmen abgezogen haben soll.

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Nun gibt also nicht mehr Abou Chaker dem Rapper "Rücken", sondern die Polizei. Die Message: Bushido ist der Gute, Abou Chaker der Schlechte. Bushido hat diesen Rechtsstreit übrigens gewonnen, Abou Chakers Anwalt hatte den Antrag zurückgezogen, das Verfahren wurde eingestellt. Bushido kann jetzt endlich mit Frau und Kindern ein entspanntes Leben führen.

Eins ist klar: Gerichtsverhandlungen gehören für Rapper zum Job, und jede Gerichtsverhandlung unterstreicht ihr Image – egal, welches sie sich gerade gegeben haben.

Und als ein Raunen im Raum entsteht, schreit er: "Raus mit dem!
Ich will diese unverschämte Sau in meiner Town nicht sehen!
Frachtet ihn ins Jail!" Sie zwingen mich aufzustehen
Ich zwinker' der Schreiberin noch mal zu, als wir nach draußen gehen (yeah)

Kollegah, "Gerichtsverhandlung"

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