Letzte Woche verstarb der kanadische Sänger und Songwriter Leonard Cohen im Alter von 82-Jahren—nur wenige Wochen nach der Veröffentlichung seines 14. Albums You Want It Darker. In den Reigen der Trauernden klinkten sich auch schnell viele Elektromusiker mit ein und teilten ihre Erinnerungen und Anekdoten mit und über den Ausnahmekünstler—darunter der Montrealer DJ und Produzent Tiga . Und auch wenn den Turbo Records-Gründer mit seiner clubtauglichen Musik auf den ersten Blick eigentlich nichts mit dem preisgekrönten, raustimmigen Dichter verbindet, aus dessen Feder “Suzanne”, “Bird on the Wire”, “I’m Your Man” und unzählige andere zeitlose Lieder stammen, erzählte uns Party-Veteran Tiga nachfolgend, dass vor allem sein ironischer Humor und seine Geduld den Künstler zu seiner persönlichen Nummer eins gemacht haben.
Tiga: Leonard Cohen … den Namen hatte ich immer wieder gehört, aber nie die Musik dazu. Wir stammen fast aus dem gleichen Stadtteil und haben beide eine sehr ähnliche, sehr jüdische Erziehung genossen. Mein Vater war sogar mit ihm befreundet und er ist auch einmal zu uns nach Hause gekommen. Ich erinnere mich noch, wie die beiden zusammen gejammt haben, wobei mein Vater übrigens kein Musiker ist. Das muss in den frühen 80ern gewesen sein und sie nahmen ein Lied auf ein paar alten Keyboards auf. Ich war aber noch unglaublich jung. Das ist meine erste Erinnerung [an ihn].
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Was Cohens Musik selbst angeht, würde ich nicht sagen, dass es gerade Kindermusik ist. Ich war damals jedenfalls nicht schlau genug dafür. So richtig habe ich mich erst viel später mit seiner Musik befasst. Das dürfte zehn bis fünfzehn Jahre her sein—aus eigenem Antrieb.
Seine ersten drei Alben habe ich wirklich rauf und runter gehört. Mit dem Zeug aus den 80ern, wie Various Positions [1984] oder sogar “Hallelujah”, konnte ich nicht so viel anfangen. Als ich die Musik dann gehört habe, als ich etwas älter und, sagen wir, mit Dingen zu kämpfen hatte, mit denen wir alle kämpfen, haute mich die Verbindung dazu komplett um. Von diesem Augenblick an war es, wie einen unglaublichen Freund zu entdecken oder einen unglaublichen Lehrer oder ein unglaubliches Buch. Du kannst einfach nicht fassen, wie gut du dich damit fühlst und wie sehr es dir hilft. Etwa zu der Zeit kam der Film I’m Your Man [2006] raus. Ich erinnere mich noch, wie ich ihn mir im Flugzeug angesehen habe und dabe nicht aufhören konnte zu weinen. Ich war unfassbar bewegt von den Auftritten. Es waren aber nicht nur seine Songs, es war einfach alles an ihm, das ihn langsam aber sicher zu meinem Vorbild machte.
Bei den meisten deiner Helden—oder Menschen, die du von Herzen liebst—entdeckst du irgendwann, dass es [in ihrem Werk] eine gute Portion Humor gibt. Er ist aber nicht immer so offensichtlich wie bei Louis C.K. oder Jerry Seinfeld. Leonard war unfassbar lustig, egal, ob er das jetzt heraushängen ließ oder nicht. Und jeder, der auf das Leben blickt und darin Humor erkennt, trifft bei mir einen gewissen Punkt. So bin ich nämlich auch. Manchmal kommt man, indem man den Humor in einer Sache entdeckt, der Wahrheit hinter dieser Sache ziemlich nah. Es ist auch cool, wie geduldig er war. So vieles an seiner Person stellt einfach das komplette Gegenteil zu heute dar. Sein Leben und sein Werk sind eine Erinnerung daran, die Dinge langsam anzugehen. Daran sollten sich alle ein Beispiel nehmen. Vielleicht sagst du dir: “Hey, mit 80 werde ich dann richtig durchstarten.”
Dieses Jahr—und das ist etwas, was ich für immer in meinem Herzen behalten werde—hat er mir zum Geburtstag gratuliert. Wir haben ein paar gemeinsame Freunde oder vielleicht hat mein Vater es ihm auch gesagt, jedenfalls habe ich von ihm zum Geburtstag eine E-Mail bekommen. Wie ein kleines Kind sitze ich vor dem Computer und sehe “From Leonard Cohen, happy birthday Tiga, fellow Virgo.” Ich war so glücklich!
Drei Tage später hatte er Geburtstag, also habe ich ihm zurückgeschrieben. Ich wusste, dass er krank war—jeder wusste, dass er krank war. Ich wünschte, ich hätte eine Gelegenheit gehabt, mich einmal richtig mit ihm zu unterhalten. Es gibt Worte, mit denen in unserem Metier geradezu um sich geworfen wird, “Genie” oder “Inspiration” zum Beispiel. Ich bin nicht besonders religiös, aber für mich war er derjenige, der einem echten Lehrer oder Propheten am nächsten kam—jemandem, von dem du lernen und dem du folgen konntest.
Aufgezeichnet von Max Mertens. Header: Wikimedia Commons. Dieser Artikel ist zuerst bei THUMP erschienen.
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