Wer schon öfter bei der Wiener Uni aus- oder umgestiegen ist, kennt vermutlich auch Osarienem Sunday. Bereits seit 14 Jahren verkauft der gebürtige Nigerianer dort in der Schottentor-Passage den Augustin. Jetzt sieht er sich mit einer Strafverfügung in der Höhe von 200 Euro konfrontiert—wegen angeblich aggressiven Verhaltens.
Erklären kann sich das rund um Osarienems angestammten Verkaufsplatz allerdings niemand. Als einer der bekanntesten und auffallendsten Augustin-Verkäufer genießt er nicht nur einen durchwegs guten Ruf unter seinen Nachbarn, sondern erhielt seit Bekanntwerden des Falls auch zahlreiche schriftliche Solidaritätsbekundungen seiner Stammkunden.
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Seit April wurde Sunday, der übrigens schon seit 2006 die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, vermehrt von Polizisten kontrolliert und nach seinem Ausweis gefragt. Unangenehm? Ja. Da ihm das—wohl aufgrund seines Aussehens, wie er selber meint—in Wien aber leider ohnehin regelmäßig passiert, sei das nicht unbedingt etwas Neues für ihn, so Sunday.
Die Situation vom 24. August 2016 hingegen lag auch für ihn außerhalb der Norm. Eine ganze Gruppe von Beamten kam auf ihn zu. Wie immer wurde von einer Routinekontrolle gesprochen, aufgehalten wurde bis auf Sunday laut eigenen Angaben aber niemand. Im Gespräch äußerte Osarienem außerdem den Vorwurf einer “unverhältnismäßig ruppigen Vorgehensweise der Uniformierten”. Zuviel für den Augustin-Verkäufer. Verärgert und beschämt fragte er die Beamten laut, ob der Grund für die ständigen Kontrollen und die immer gleichen Fragen seine Hautfarbe sei. Die Polizisten gingen angeblich nicht weiter darauf ein, händigten ihm seinen Ausweis aus, und zogen ab.
“Egal was dabei rauskommt, ob ich jetzt zahlen, oder sogar ins Gefängnis muss—ich werde es mit einem Lächeln tun!”
Seit diesem Vorfall gab es keine Kontrollen mehr und Sunday versuchte, weiter ruhig und optimistisch zu bleiben. Bis er dann Anfang November eine Strafverfügung im Postkasten fand. Wie uns auch die Pressestelle der Polizei bestätigt, habe er an jenem 24. August Passanten den Weg verstellt, um ihnen die Zeitung aufzudrängen und schlussendlich auch den öffentlichen Anstand verletzt, weil er herumschrie. Gegenüber den Beamten soll er außerdem aggressiv eine Rassismus-Vermutung geäußert haben und nicht kooperationsbereit gewesen sein.
Es steht Aussage gegen Aussage—ein Pressesprecher der Polizei erzählt uns außerdem, dass die Beamten sehr wohl die zwei Anzeigen gegenüber Herrn Sunday aussprachen, ergänzte aber auch, dass die Polizei von mehreren wartenden Passanten aufgefordert wurde, einzuschreiten. Auch von rassistischen Motiven will man nichts wissen.
“Egal was dabei rauskommt, ob ich jetzt zahlen, oder sogar ins Gefängnis muss—ich werde es mit einem Lächeln tun!” Osarienem will sich sein fröhliches Auftreten bewahren, auch wenn es vielleicht so manchem ein Dorn im Wiener Grantler-Aug sein sollte.
Zu der besagten Rassismus-Vermutung steht der Augustin-Verkäufer aber—und ist damit nicht alleine. Die Antirassismus-NGO Zara sammelt jährlich Zeugnisse, die auf ein Rassismus-Problem der Polizei hinweisen. Die betroffenen Beamten würden demnach nur in den seltensten Fällen belangt. Da im Dienst nicht gelogen werden darf und im Umkehrschluss davon ausgegangen wird, dass sich Beamte daran auch halten, steht das Gesetz in der Regel auf der Seite der Exekutive. Auch wir haben in der Vergangenheit bereits von ähnlichen Fällen in Wien berichtet.
Was im Fall von Osarienem Sunday genau passiert ist, lässt sich nur schwer rekonstruieren. Wir haben versucht, mit Besitzern der anliegenden Shops zu sprechen und Augenzeugen ausfindig zu machen; bisher nur mit beschränktem Erfolg.
Die einzig bekannte Augenzeugin bestätigte uns gegenüber zwar gerne, dass sich Sunday weder aggressiv noch anderweitig unangemessen verhalten hätte—will dies aber nicht vor Gericht aussagen und auch in den Medien nicht mit ihrem Namen hinter der Aussage stehen; vielleicht bezeichnend für den Umgang mit Rassismus-Vorwürfen im Wien des Jahrs 2016. Sundays Anwalt hat gegen die Strafverfügung Einspruch eingelegt.