Popkultur

Ein Besuch in Münchens Club für superreiche Männer

Der Treffpunkt ist ein Parkplatz auf einem Münchner Hinterhof nahe der Theresienwiese. Es ist 18 Uhr, nur in ein paar Fenstern brennt noch Licht. Man sieht Computerbildschirme und ein paar Hinterköpfe, Leute, die vielleicht gar nicht ahnen, was hier drei, vier Meter unter der Erde passiert.

Michael hat sich unter diesem Parkplatz sein Schloss gebaut, ein Ort, mit Goldplatten an den Wänden, Glitzersteinchen und Polstermöbeln, die aussehen wie aus einem Sisi-Film.

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“Contenance Club” hat er sein Reich getauft. Was er dort vorhat, klingt nach einer Idee, die Hugh Hefner gefallen hätte: Einflussreiche Männer mit dickem Konto sollen zusammen feiern. Künstler, Sportler, Berühmtheiten aus Film und Fernsehen. Dazu kommen vorher gecastete Frauen, größer als 1,75 Meter, leichter als 53 Kilo – und damit mit einem BMI, der gesundheitlich nicht mehr empfehlenswert ist.

In einer Zeit, in der sich Frauen auf der ganzen Welt gegen Typen wehren, die ihnen auf der Straße hinterherpfeifen, sie in der Kneipe begrabschen und im Meeting lieber das Kleid als die Arbeit loben, erschafft Michael einen Club für Supermachos – mit Regeln, die sich James-Bond-Drehbuchautoren in den 60ern nicht besser hätten ausdenken können: Im Contenance Club dürfen Frauen die Männer nicht ansprechen, sondern müssen warten, bis die Herren Lust dazu haben. Und weil die Welt da draußen von all dem, was hier drinnen passiert, nichts mitbekommen soll, sind Lage, Mitglieder und Betreiber geheim. Zumindest verbreitete all das die Boulevardpresse im Sommer. Inzwischen ist Spätherbst und man findet den Club bei Google-Maps. Er ist eingerahmt von einem Fitnessstudio, Agenturen und einem Café, in dem die Gäste Salat aus Einweckgläsern essen.

Michael tritt aus einer weißen Tür auf den Hof. Er ist ganz in Schwarz gekleidet, hat eine Glatze und müde Augen. Ihn begleitet eine Frau, Mitte 20, lange, dunkle Haare. Sie sei seine Eventmanagerin, wolle nicht sagen, wie sie heißt, verrät aber später, dass sie 1,80 Meter groß ist und etwas mehr als 53 Kilo wiegt. Dann schließt er eine Tür auf, die der Eingang zu einem Büro sein könnte.

Michael öffnet die Tür zu seinem Reich. Wo es liegt ist eigentlich geheim, aber inzwischen findet man den Club bei Google-Maps

Innen sind die Wände golden verkleidet, ein Kronleuchter hängt von der Decke. An der Seite steht eine blaue Couch mit goldener Aufschrift: “Beluga”. “Das ist Kaviar. 100 Gramm kosten 300 Euro. Ich kann das Zeug nicht mehr fressen. Es schmeckt mir einfach nicht mehr”, sagt Michael und geht die Treppe hinunter.

Dann steht man in einem Keller, die Decke gewölbt, die Wände aus Backstein. Es gibt vier Räume, insgesamt soll alles über 400 Quadratmeter groß sein. Früher lagerte eine Brauerei hier Bier. Bald will Michael Austern und Kobe-Rind servieren. “Schmeckt brutal. Die Viecher werden den ganzen Tag massiert und gestreichelt.” An den Wänden hängen riesige Bilder – von Kaiserin Sisi und Franz, von Jesus beim letzten Abendmahl, von nackten Engeln – alles auf goldenem Hintergrund. Auf einem sieht man eine Frau und drei Männer – zwei an ihren Brüsten, einer zwischen ihren Beinen. Monatelang dauere es, diese Bilder zu malen, sagt Michael. Dabei sehen sie gerade mal nach einem etwas besserem Volkshochschulkurs aus.

Drei Monate dauere es mindestens, so ein Bild zu malen, meint Michael

Michael ist 63, ein Münchner, bei dem das Bairische immer leicht mitschwingt. Seinen echten Namen will er geheim halten und auch sonst nicht viel über sich verraten: “Ich möchte die Öffentlichkeit nicht mehr”, sagt er und hört sich an, als würden sonst gleich zehn Paparazzi vor der Tür stehen. Dabei findet man, wenn man seinen echten Namen googelt, gerade einmal drei Artikel, in denen er erwähnt wird. In einem schreibt eine Boulevardzeitung nur einen einzigen Satz über ihn – nämlich, dass er in einem Lokal eine Stunde auf sein Essen warten musste. Trotzdem gibt er sich als einer, der ständig von Reichen und Schönen umgeben ist. Erzählt, wie Udo Lindenberg nur durch ihn ins P1 kam, wie er Boris Becker vor seiner ersten Frau Barbara warnte: “Eine Nutte, die kann gar nichts.”

Michael sitzt auf einer blauen Couch in dem Zimmer, in dem sich einmal reiche Männer die Champions League auf einer Leinwand anschauen sollen und dazu Zigarre rauchen. Die Leinwand gibt es noch nicht, bis jetzt ist der Raum vor allem Lager für viele goldene Polsterstühle.

Früher lagerte eine Brauerei hier Bier. Jetzt will Michael Kobe-Rind und Kaviar servieren

Eigenes Geld habe er nicht in den Club gesteckt. Der Investor sei ein Freund, Champagner und Wodka-Marken hätten die Einrichtung gesponsort. Wert sei das alles um die zwei Millionen Euro, behauptet er. Das Konzept, das Design habe er sich ausgedacht. Nicht einmal einen Architekten habe er gebraucht: “Fünf Jahre habe ich davon geträumt.”

In London gründeten sich schon im 17. Jahrhundert sogenannte Gentlemen’s Clubs, in denen Männer aus der Oberschicht unter sich waren. In Deutschland gibt es seit 200 Jahren die etwas unglamourösere Variante: Burschenschaften. Ex-Bild-Chef Kai Diekmann und Wohl-bald-Ministerpräsident Markus Söder sind zum Beispiel Mitglied in einer. In manche Gentlemen’s Clubs und Burschenschaften dürfen inzwischen auch Frauen eintreten – anders als im Contenance Club, wo sie bloß Dekoration sein sollen.

Wie viele Mitglieder der Club schon hat, will Michael nicht verraten. Jeden Tag bekomme er ein, zwei Anfragen, behauptet er. Neulich habe der Sohn eines berühmten Fußballers angerufen. Eine Mitgliedschaft in dem Club kostet zwischen 10.000 und einer Million Euro pro Jahr. “Für eine Million holt dich ein Privatjet von überall in Europa ab.” Sonst sei der Unterschied zwischen den einzelnen Preiskategorien: Wer weniger bezahlt, muss länger im Voraus reservieren. Und weil reiche Menschen ja nicht gerne warten, sei es ihnen das Geld wert, meint Michael.

Wie viele Reiche in seinem Club schon Champagner geschlürft haben, will Michael nicht verraten

Exklusive Clubabende fanden bis jetzt noch nicht statt, dafür Firmenfeste. “Gestern hatten wir einen Stehempfang”, sagt Michael. “Ein Get-Together”, verbessert ihn seine Eventmanagerin. Sie sucht für Michael die Frauen aus, die in dem Club arbeiten, 70 bis 80 sollen es an einem Abend sein. Über die strengen Größen, Alters- und Gewichtsvorgaben berichtete eine Boulevardzeitung vor Kurzem. Aber das seien eher Richtwerte, sagt Michael. “Ich wiege ja auch mehr als 53 Kilo”, ergänzt seine Assistentin. “Elegant sollen die Frauen sein”, meint Michael, “und sexy.”

Neulich, erzählt er, habe ihm ein Model aus der Bild abgesagt: “Sie hatte keine Lust, für 200 Euro die Nacht hier zu arbeiten.” Er klingt fassungslos. In Michaels Welt träumen alle Frauen von teuren Schuhen und einem Gucci-Täschchen. Und der Weg, beides zu kriegen, läuft in seiner Vorstellung immer gleich ab – sich einen reichen Mann zu angeln: “90 von 100 Frauen prostituieren sich. Die eine nimmt eine Tasche, die andere Geld und die nächste ‘ne Cola. Und ich sag’s dir: Das ist die Dümmste von allen.”

Professionelle Prostituierte sollen bei Michael aber nicht arbeiten, sagt er. Denn Contenance, also Zurückhaltung, sei nicht zufällig der Name des Clubs. “Schau dich um, hier gibt es keine Betten. Wir engagieren sogar Spion-Mädels. Die sollen aufpassen, dass sich niemand den Männern anbietet.” Und wenn eine Frau einem Mann ihr Kärtchen zustecke oder ihm ein Angebot mache, werde sie rausgeschmissen. Außerdem gibt es eine Regel: Frauen dürfen die Männer nicht ansprechen. Aber diese Vorschrift sei eigentlich Schmarrn. “Mal im Ernst: Eine normale Frau würde das doch sowieso nicht machen.”

Michaels Lieblingsraum ist das Bayern-Zimmer. Auf einer Glassäule steht eine Büste von König Ludwig, drum herum Spiegel und Glitzersteine. Unter einer Glasscheibe im Boden fließt Wasser, mal grün, mal rot angestrahlt. Dass Journalisten geschrieben haben, das sei alles billiger Kitsch, stört Michael nicht – sagt er zumindest. “Zwei Millionen Menschen besuchen jedes Jahr Schloss Neuschwanstein. Sind das alles Arschlöcher, oder was?” Bloß sieht sein Schloss eher aus wie eine Disneyland-Version davon. Gold, Glitzer, das sei seine Welt. “Ich bin ja auch Monarchist. Was König Ludwig alles für schöne Dinge geschaffen hat.” Michael zählt auf: Schloss Herrenchiemsee mit dem Tisch, der im Boden versinkt und gedeckt wieder hochkommt. Entwürfe für Seilbahnen und Flugobjekte, von denen der König träumte, lange bevor sie erfunden wurden. “Ich bin auch ein Träumer, ein Wahnsinniger.”

“Ich bin ja auch Monarchist”, sagt Michael. Im Bayern-Zimmer steht deshalb eine Büste von seinem Idol: König Ludwig

Dann macht er Musik an, Pauken und Trompeten: “Also sprach Zarathustra” von Richard Strauss. Bei Nietzsche ist Zarathustra ein Philosoph, der vom Berg herabsteigt, um den Menschen zu zeigen, dass es etwas Höheres gibt, nach dem es sich zu streben lohnt. Michael scheint das Höchste für sich schon erreicht zu haben: Er hat seinen Traumclub geschaffen.

Als Nächstes läuft der Opernsänger Andrea Bocelli. Michael singt mit. Dazu hebt er die Arme, als stünde er auf einer großen Bühne. Dann macht er “Gute Freunde kann niemand trennen” an. Franz Beckenbauer hat das Lied in den 60ern für die Fernsehlotterie aufgenommen. Michael singt wieder mit, klatscht, und wieder fragt man sich, ob er einem mit der Musikauswahl etwas sagen möchte. Also, was soll das alles?

“Soll ich ehrlich sein? Eigentlich will ich die Leute bloß ein bisschen verarschen. Alle denken, bei mir da passiert, wer weiß was.” Und dabei hätten die Reichen, die Schönen und die Einflussreichen in seinem Club einfach nur ein bisschen Spaß – nicht anders als normale Leute auch. Aber trotzdem dürfen “normale Leute” nicht rein. “Weil die zu viel meckern”, sagt Michael. “Ich will niemanden hier haben, der den ganzen Abend vor einer Cola sitzt und so eine Fresse zieht.”


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Michael will das Schöne, das Exklusive, den Glamour. Und zeigt dabei ein Stilbewusstsein wie Harald Glööckler. Der Club wirkt wie ein Ort, der auch in der 80er-Jahre-Serie Kir Royal hätte vorkommen können. Aber vielleicht sehnt sich Michael genau nach diesen Zeiten zurück, als die Welt noch einfach war, als Männer Frauen die Tür aufhielten, als niemand seinen Club “Macho-Laden” genannt und das als Beleidigung verstanden hätte. Vor Kurzem hat sich Michael bei Instagram angemeldet. “Da sind ja nur halbnackte Frauen und alle haben ein Handy vor dem Gesicht.” Aber wenn ein Mann die auf der Straße ansprechen, nach Hause einladen oder ihnen ein Kompliment machen würde, dann würden sie sagen: “So eine bin ich doch nicht.” Michael versteht das nicht, sein Club ist auch ein Zufluchtsort, an dem die Welt nicht so verwirrend ist.

In seinem Laden, sagt er, soll es den Frauen gut gehen. Es gebe Securitys, die sofort zur Stelle wären, wenn ein Mann sie belästige. Die Toilette soll mal ein Ankleide,- Schmink- und Frisierzimmer werden. Es soll Glätteisen geben und Föhne, sogar einen Kleiderschrank mit Outfits in verschiedenen Größen. Tatsächlich ist der Vorraum zum Klo größer als so manches WG-Zimmer. Bis jetzt ist er leer, es gibt noch nicht mal eine Tür.

Die Musik hat Michael inzwischen ausgemacht. Er hat es plötzlich eilig, noch ein Journalist habe sich angekündigt, der Fotos machen will. Er bringt einen rauf, zum Parkplatz im Hinterhof. Ob er wirklich glaubt, dass das Ganze klappt? “Na klar”, antwortet er. “Und ach, es geht doch um den Spaß.”

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