Der Valentinstag rückt immer näher. Obwohl die Tradition in Deutschland nicht besonders etabliert ist, wird man in den Wochen vorher auch hierzulande stets daran erinnert: Werbeplakate in der ganzen Stadt fordern einen auf, noch schnell ein halbherziges Geschenk für seine(n) Liebste(n) zu kaufen, Restaurants werben mit romantischen Candle-Light-Dinner. Ein Tag gemacht für Floristen und Süßwarenhersteller. Wir alle wissen, wie scheinheilig dieser „Feiertag” in Wirklichkeit ist. Und doch kann man noch so sehr versuchen, den Valentinstag zu ignorieren, es klappt einfach nicht.
Am meisten am Valentinstag hasse ich, dass ich dadurch gezwungen bin, über mein Liebesleben nachzudenken. Ich kann mich nur an wenige romantische Gesten in meinem Leben erinnern. Ihr müsst mich jetzt nicht bemitleiden, aber ich wurde eigentlich noch so richtig zu einem romantischen Abendessen ausgeführt. Kein Date und keiner meiner Ex-Freunde hat mich mal in ein wirklich schönes Restaurant eingeladen. Damit meine ich solche Läden, wo man sich ein bisschen eleganter anzieht oder zumindest saubere Klamotten tragen sollte. Wo ich mir auch mal die Haare kämmen müsste, um reinzukommen. Daran bin ich allerdings auch nicht ganz unschuldig:Ich bin nunmal ständig pleite und ziemlich faul, da gehe ich lieber schnell zum Chinesen nebenan. Meistens waren wir die einzigen Gäste und die Kellnerin hat uns immer noch ein paar Glückskekse mehr gegeben.
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Jetzt kommt’s aber: Auch ich werde älter und langsam ist mir peinlich, dass ich mehr über das Geheimmenü bei McDonald’s als über französische Küche weiß. Wenn man mich nach meinen Lieblingsrestaurants in Los Angeles fragt, zwinge ich mich immer, wenigstens drei zu nennen, die kein Food-Truck sind oder keine Bar, wo ich gelegentlich rumhänge. Zeit, dass ich das Steuer mal in die Hand nehme und mich weiterentwickle. Schluss mit Tinder-Dates in irgendwelchen Spelunken. Ab jetzt gehe ich nur noch auf richtige Dates, wie eine Erwachsene. Nämlich dort, wo das Personal Krawatte und eine echte Uniform tragen muss. Auch die Frauen.
Dabei stoße ich allerdings schnell auf ein Problem: Keine Dates in Aussicht. Mein Liebesleben durchläuft gerade eine Dürreperiode. Mein letzter Typ ist nach Thailand gezogen. Also, was nun? Kein richtiges Erwachsenendate, nur weil ich keinen habe, der mit mir ein bisschen romantisch sein will? Scheiß drauf. Warum will ich unbedingt einen Mann haben, der mich umhaut, wenn ich das doch genauso gut alleine machen kann? Romantisches Essen zu zweit geht auch allein. Das ist mindestens genauso romantisch, wenn nicht sogar noch romantischer.
Als erstes musste ich das richtige Restaurant finden. Es musste romantisch und ein bisschen gehobener sein, aber eben nicht so fein, dass ich nach dem Essen kein Geld mehr für die Miete habe. Ich habe also ein paar meiner Freunde mit geregeltem Leben gefragt, welches ihre Lieblingsrestaurants in L.A. für Dates sind. Einer hat mir das Little Dom’s im Stadtteil Los Feliz empfohlen. Es ist gemütlich und romantisch und vor allem haben mir schon mehrere Leute erzählt, dass Ryan Gosling öfter da ist. Deal.
An einem Samstagabend sitze ich also im Little Dom’s in einem schwarzen Kleid, das ich vor Jahren einmal für eine Hochzeit gekauft habe. Ich habe mir nicht nur die Haare gekämmt, sondern sogar gewaschen. Und ich habe mich sogar geschminkt und Parfum aufgelegt. 19 Uhr und der Laden füllte sich langsam. Die meisten kamen zu zweit, eben wie bei einem traditionellen Date. Die Kellnerin fragte, ob ich an der Bar sitzen wollte, aber zu ihrem Entsetzen habe ich sie um einen eigenen Tisch gebeten. Ich wurde in den Außenbereich gesetzt, weil mein Anblick wahrscheinlich all die Verliebten zu sehr runtergezogen hätte, aber mir egal: Draußen war es warm und der schöne Abendhimmel hat die Stimmung noch romantischer gemacht. Auf meinem Tisch brannten zwei Kerzen. Sofort kam ein Kellner und bot mir etwas frisches Brot an sowie ein Glas Wasser. Außerdem räumte er das zweite Gedeck ab.
Heute wollte ich mal richtig in die Vollen gehen und das mir unbekannteste Gericht auf der Karte nehmen. Nachdem ich die Speisekarte durchhatte, fiel meine Wahl auf agnolotti mit Sellerie, ich hatte keinen blassen Schimmer, was das sein sollte. Auch die Beschreibung hat mich nur noch mehr verwirrt: „mit einer Sugo aus geräucherten Pilzen und fiore sardo”. Anstatt mein Smartphone zu zücken und Google zu fragen, hab ich mich dem Nervenkitzel gestellt und einfach ahnungslos bestellt. Für den Fall, dass die agnolotti der komplette Reinfall sind, habe ich noch gegrillte Artischocken als Vorspeise genommen. Normalerweise verzichte ich darauf, aber heute war ein besonderer Abend. Warum also nicht ein bisschen auf die Kacke hauen? Ich hab’s mir doch verdient. Mit dem gleichen Gedanken im Kopf habe ich mir noch einen Moscow Mule bestellt, der mir dann in einem der typischen kupfernen Becher serviert wurde.
Während ich so auf mein Essen wartete, wurde mir klar, dass das Beste an diesem Abend allein war, dass ich mich nicht durch diese unangenehmen Konversationen beim ersten Date quälten musste. Anders als bei anderen Treffen muss ich mir dieses Mal nicht die ganze Zeit Gedanken machen, ob der Abend super läuft oder nicht. Ich frage mich nicht, ob ich nicht in Wahrheit ein Serienmörder bin. Meine Einstellung zu Abtreibung und Homo-Ehe kenne ich bereits. Alle meine Lieblingsfilme und -bands finde ich sowieso gut. Außerdem muss ich keine Angst haben, dass ich Sublime als eine meiner Lieblingsbands aufzähle. Ich fühle mich wohl, ich könnte mir alles sagen, ohne Angst, dass jemand über mich urteilt. Wenn ich es sein muss, kann ich auch witzig und ausgelassen sein. Aber es ist auch OK, mal nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. Normalerweise finde ich es richtig unangenehm, wenn man sich bei einem Date zu lange anschweigt. Aber bei meinem Date mit mir selbst ist das vollkommen in Ordnung. Ich bin mir selbst mein bestes Date. Und vor allem sah mein Ausschnitt verdammt gut aus.
Als dann meine agnolotti kamen, stellte ich mit großer Erleichterung fest, dass das einfach nur Pasta war, die ein bisschen nach Pilzen und Käse schmeckt. Es war superlecker, genauso wie die zitronensaftgetränkten Artischocken. Während des Essens wurde mir aber zugegebenermaßen richtig bewusst, wie unsicher es einen macht, allein zu essen. An anderen Tischen haben sich die Leute unterhalten, und langsam fing ich an zu denken, sie redeten über mich. „Kaum zu glauben, dass sie hier an einem Samstagabend allein isst! Was ist nur mit ihr los? Ob sie emotional zu verschlossen ist und keinen an sich ranlassen kann? Das wird’s sein. Wahrscheinlich ist sie einsam, und ich wette mit dir, dass sie ihre Badewanne seit Monaten nicht geputzt hat.” Doch diese Paranoia habe ich schnell abgeschüttelt und mich daran erinnert, dass sich keiner in diesem Restaurant einen feuchten Dreck um mich schert. Ich habe sogar eine Unterhaltung belauscht, konnte aber nur hören, wie sie über ihren Hund diskutiert haben, der nicht nur einen Therapeuten hatte, nein, dieser Therapeut hat den Hund auch noch als „schwer depressiv” eingestuft. Mir geht’s definitiv nicht schlechter als diesen Leuten. Der Rest des Abends lief gut, mir gefiel die Atmosphäre und die Tatsache, dass ich allein war.
Als ich den letzten Schluck meines Drinks herunterkippte, wartete ich noch die Rechnung und dachte über diesen besonderen Abend nach, den ich mit mir ganz allein verbracht habe. Ich war richtig stolz darauf. Allein zu sein macht mir gar nicht so viel Angst, wie das, was die anderen von mir denken, wenn sie mich allein an einem Tisch sitzen sehen. Wir Singles neigen zu einer regelrechten Panik vor diesem sozialen Stigma, das mit dem Alleinsein einhergeht. Durch diese Angst aber tun wir am Ende die Dinge nicht, die uns glücklicher und ausgeglichener machen würden, die uns unser Alleinsein leichter akzeptieren lassen würden. Was das Singleleben nur unerträglicher macht, ist die Tatsache, dass wir uns einreden, dass wir bestimmte Dinge nur mit einem Partner machen können. Und genau diese Lektion habe ich von meinem Date mit mir selbst gelernt. Und wisst ihr was? Ab jetzt gehe ich auf mehr Dates, egal ob allein oder mit jemandem zusammen.