Wer ist Levon Vincent? Levon Vincent ist DJ. Levon Vincent ist Produzent. Levon Vincent ist Labelchef. Levon Vincent ist in seinen eigenen Worten “Forscher im Bereich der Arschwackelwissenschaften”. Am bekanntesten ist Levon Vincent wahrscheinlich für solche Hymnen wie “Double Jointed Sex Freak”, “Late Night Jam” und “Launch Ramp to the Sky”.
Wir haben den amerikanischen Künstler in London getroffen und über David Mancuso, Noam Chomsky, Martin Luther King und eine ganze Menge mehr gesprochen.
Videos by VICE
THUMP: Was bedeutet “Clubkultur” für dich?
Levon Vincent: Die Clubkultur umfasst mehrere Dialoge: einerseits die transzendente Erlösung, die Menschen auf der Tanzfläche anstreben, und anderseits die technische Ebene, bei der es ums Musikmachen geht—Studiokram, Produktionstechnik, Drum-Machine-Fanatismus, Plattensammler und so weiter. Clubkultur beinhaltet auch eine gewisse Folklore, die einem in Plattenläden und Clubs beigebracht und verbal überliefert wird. Es gibt natürlich auch entsprechende Websites und Merchandise wie Klamotten oder Plattentaschen, die im kleineren Rahmen ebenfalls ihren Teil dazu beitragen. Das alles zusammen ist Clubkultur.
David Mancuso hast du vor Kurzem bei Facebook als Visionär bezeichnet. Ist das eine Rolle, die DJs deiner Meinung nach generell ausfüllen können?
Zu meiner frühen Zeit galt Mancuso bei allen als einer der Hauptarchitekten der zwei Grundpfeiler der Clubmusik: Katharsis durch Musik und Zusammenhalt. Das war quasi Allgemeinwissen und die Leute sind damals durchgedreht, wenn man das nicht wusste. Sein Tod hat mich mitgenommen. Mancuso brachte den progressiven Idealismus der Bürgerrechtsbewegung und solcher Vorfälle wie den Stonewall-Unruhen mit. Sein Ansatz war so einzigartig, weil er Elemente der Protestkultur der 1960er einbezog. Er war ein bisschen “Hippie”. Er war ein Kind der 60er. Liebe stand für ihn über allem.
Die junge Generation ist auf dem Laufenden. Das verdient meinen Respekt. Die wissen, was los ist.
Insbesondere in Bezug auf Mancuso, war die Atmosphäre im Loft und der nachfolgenden Partys etwas, das du jemals in oder (vielleicht noch interessanter) außerhalb des Clubs einfangen wolltest?
Ich habe in den frühen 90ern drei oder vier Jahre im Pat Fields Shop gearbeitet und jeder einzelne Tag dort war großartig! Bei ein paar Partys, die ich vor Jahren organisiert habe, habe ich auchElemente der Loft-Partys wie Blumen übernommen. Überhaupt sind Blumen und Ballons nicht zu unterschätzen! Viel besser als Nebelmaschinen. Warum gibt es überhaupt eine Maschine, die die Luftqualität bei einer Veranstaltung verschlechtert? Hast du darüber schon mal nachgedacht? Ernsthaft, das ist doch bizarr. Dass es so eine komische Maschine überhaupt gibt.
Wenn ich sagen würde, dass die Clubwelt in großen Teilen von Elitismus und Hochnäsigkeit durchzogen ist, wie würdest du darauf antworten?
Ich müsste dir widersprechen. Aber ich bin auch wirklich nicht derjenige, der auf die nachfolgende Generation hinabschaut. Ja, das Internet hat Menschen ein bisschen nervig gemacht, aber man muss es der jungen Generation auch lassen. Das Internet hat jedem Menschen jede erdenkliche Subkultur zugänglich gemacht. Und wohin hat es diese Generation gezogen? Alle guten Dinge von damals werden heute verbessert: Skateboarding, Graffiti und Comics, HipHop und Jazz tagsüber, House in der Nacht. Noam Chomsky erfährt heute so viel Aufmerksamkeit wie 1990. Public Enemy erleben eine Renaissance. Die junge Generation ist auf dem Laufenden. Das verdient meinen Respekt. Die wissen, was los ist.
Was die Hochnäsigkeit in der Clubmusik angeht, so hocken die Menschen, die du als elitär bezeichnest, wahrscheinlich gerade vor einem Internetforum und blicken selbst nur von draußen rein. Mit ihren Gesichtern an die Scheibe gepresst schauen sie durchs Fenster rein. Verstehst du, was ich meine? Einsame Menschen. Aber die sind auch nur ein Teil der vielen verschiedenen Sorten von Außenseitern, die in der Gemeinschaft aufgenommen werden. Es ist eine weltweite Gruppe ähnlich tickender Individuen, die gerne gute Musik hören.
Eine Sache, die mir in letzter Zeit oft aufgefallen ist—sei es im Clubkontext oder anderweitig—, ist die Vorstellung, dass “Organisation” das einzige Mittel ist, das uns im Kampf bleibt, um eine Gefühl von Widerstand zu demonstrieren. Allerdings sagen die Menschen selten, was wir organisieren sollen. Gibt es irgendetwas, das wir als Clubgänger/Musikliebhaber gegen soziale Missstände tun können?
Gegen was willst du dich denn wehren? Gegen was willst du denn kämpfen? Ich glaube, es ist zu spät. Vielleicht gegen Clubschließungen. Es war wirklich inspirierend zu sehen, wie sehr sich die Menschen fürs Fabric eingesetzt haben, als der Club feige angegriffen wurde. Geopolitisch gibt es jetzt aber nichts, wofür mein Herz schlägt. Die Rechte, die uns am meisten geschützt haben, gibt es nicht mehr und es gibt keine Menschen, die sich als Anführer eignen. Jeder zukünftige Anführer wird unterdrückt werden. Mehr Menschen hätten das vor Jahren schon kommen sehen und aktiv werden müssen. Der einzige Kampf, den wir noch kämpfen, ist vor Ort ein guter Mensch zu sein und zu hoffen, dass wir nicht auf irgendeiner Überwachungsliste landen. Wenn sich ein Individuum gerade leer fühlt, versuche es mit Freundlichkeit.
Die Clubkultur ist wie eine Lehrzeit. Ich habe nie ein Buch über David Mancuso gelesen und ich kann dir auch nicht sagen, welche Schuhgröße er hat.
Braucht die Clubgemeinschaft einen positiveren Blick auf die Dinge?
Ich glaube, es gibt ein paar negative Menschen da draußen, aber ich habe in der Regel nicht wirklich etwas mit ihnen zu tun. Ich lebe ziemlich unbeeinflusst davon. Ich stehe hier, mache Musik und versuche sie mit anderen Musikliebhabern zu teilen. Ich kann dir sagen, dass meine Clique seit den 80ern unterwegs ist und wir generell sehr positiv eingestellt sind. Die jammern vielleicht zwischendurch über den Zustand der Szene, aber sie sind immer gewollt, ihren Teil beizutragen—Dinge zurück in ein positives Licht zu bringen. Du siehst über die Jahre Moden kommen und gehen. Wir beobachten sie wie Ebbe und Flut. House und Techno sind aber immer da, sie sind unsere Heimatbasis.
Auch wenn es etwas ktischig klingt, aber glaubst du an den elektronischen Protestsong? Gibt es Platten, die du im Clubkontext spielst, die eine gewisse gesellschaftskritische Message haben?
Ich finde, dass Harry Belafonte und James Brown großartige und tanzbare Protestsongs geschrieben haben. Ich spiele gerne die “Free at Last”-Rede von Martin Luther King Jr. über Instrumentaltracks—oder “Shut up, be happy” von Jello Biafra. Solche Sachen.
Kann man sagen, dass wir die Macht von Clubs bei der Förderung eines Inklusionsgefühls überschätzen?
Das hängt von der Einstellung ab. Jemand nimmt vielleicht die Lektionen, die er beim Tanzen gelernt hat, und wendet sie auf andere Bereiche im Leben an. Vielleicht ist es die einzige Form von Katharsis, die jemand kennt. Wir haben gute Chancen, etwas Positives in den Menschen zu bewegen, wenn sie tanzen und offen gegenüber ungefilterten Gedanken sind. Manche DJs hinterlassen einen Eindruck bei Menschen, andere vielleicht nicht. Ich kann nur raten, es zumindest zu versuchen.
Die Clubkultur ist wie eine Lehrzeit. Ich habe nie ein Buch über Mancuso gelesen und ich kann dir auch nicht sagen, welche Schuhgröße er hat—auch wenn es in irgendeinem Forum bestimmt einen Typen gibt, der das und noch viel mehr weiß. Die Älteren haben mir von seinen Partys und seiner Message erzählt. Das hat mich, als ich noch jünger war, positiv beeinflusst. Ruhe in Frieden.
Folge Josh bei Twitter. Und folge THUMP auf Facebook und Instagram.