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Ein Sounddesigner erklärt, wie er die ekligsten Geräusche macht

Ronnie van der Veer smashing a watermelon with a bat in front of a microphone. Watermelon juice is splattered on the camera, like blood.

Wenn Ronnie van der Veer seine Arbeit gut macht, fällt sie gar nicht auf. Er sorgt in Filmen dafür, dass ein Mantel richtig raschelt, wir Schritte hören und Türen knarzen. Van der Veer ist ein Foley-Künstler, ein Geräuschemacher. Der Sounddesigner hat schon Geräusche für die Netflix-Serien Der Aufstieg von Weltreichen: Das osmanische Reich und Ares gemacht sowie für den Film The Lobster. Am liebsten erschafft van der Veer allerdings Geräusche, die dir die Haare zu Berge stehen lassen.

Als ich van der Veer bei Skype anrief, steckte er gerade mitten in  der Arbeit. Sein Studio sieht aus wie eine Lagerhalle, in der illegale Raves stattfinden. Dort habe er alles da, um deine Lieblings-Horrorszenen zum Leben zu erwecken, sagte er.

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Geräuschemacher Ronnie van der Veer zerbricht einen Bund Stangensellerie vor einem Mikrofon
Mit Sellerie lässt sich wunderbar das Geräusch brechender Knochen imitieren

VICE: Was ist das erste Geräusch, das du versucht hast nachzumachen?
Ronnie van der Veer: Als ich Musiktechnologie studierte, bekam ich die Aufgabe, Geräusche für einen Horrorfilm aufnehmen. In der Szene wurde jemandem der Finger abgerissen. Das habe ich mit einer Stange Lauch imitiert, die ich in der Mitte durchgebrochen habe. Darüber habe ich dann noch andere Geräusche gelegt. Dabei habe ich gemerkt, dass mir diese Arbeit richtig Spaß macht und ich gut darin bin.

Suchst du im Internet nach fiesen Videos, um herauszufinden, wie sich etwas anhört?
Nein. Die Realität ist oft viel unspektakulärer als die Geräusche in Filmen. Ich habe vor Kurzem in Amsterdam eine Schlägerei erlebt. Da habe ich nur Geschrei gehört, keine Schläge. Die Geräusche, die wir Foley-Künstler machen, sind übertrieben. Die Zuschauer sollen fühlen, wie hart der Schlag war und wie schmerzhaft.


VICE-Video: Ich habe Plätzchen aus meinem Blut gebacken und sie dann gegessen


OK, aber wie weißt du dann, wie es sich wirklich anhört, wenn jemandem ein Arm abgerissen wird?
Vor mir haben schon viele andere Leute brutale Szenen vertont. Ich weiß also, wie es sich anhören sollte. Du schaust dir dann genau an, was du siehst, wenn ein Finger abgerissen wird. Ein Finger ist kleiner als ein Arm, also sollte das Geräusch höher und pointierter sein. Du hast Knochen, Sehnen und Haut. Für jedes davon nimmst du einzeln Reiß- und Brechgeräusche auf. Die kombinierst du am Ende. Stangensellerie eignet sich zum Beispiel super für Knochen. Lauch ist ein bisschen knackiger, also perfekt für einen Finger. Und den fleischig-saftigen Sound kriegst du hin, indem du zum Beispiel Tomaten in deiner Hand zerdrückst.

Der Sounddesigner steht mit zwei Säbeln vor einer Leinwand, auf der ein Film mit einem Schwertkampf
Van der Veer vertont einen Schwertkampf … mit Schwertern

Welche Geräusche sind am schwierigsten nachzumachen?
Subtile Geräusche sind schwer, weil man da schnell merkt, wenn sie nicht passen. Wenn jemand zum Beispiel seine Bartstoppeln kratzt, musst du genau die gleiche Art Gesichtsbehaarung aufnehmen. Das gleiche gilt fürs Schreiben. Dafür brauchst du genau das gleiche Papier und Schreibutensil. Wir haben vor Kurzem an einem Film gearbeitet, in dem der Protagonist anfangs schüchtern und unsicher ist und später selbstbewusster wird. Wir haben den Klang seiner Schritte durch den Film hindurch verändert, um diese Entwicklung hörbar zu machen.

Du trägst also einen Teil zur Erzählung bei.
Ja. In The Lobster gibt es eine Szene, in der jemand seinen Kopf auf den Tisch knallt, um Nasenbluten zu bekommen. Das hat Spaß gemacht. Ich habe meinen eigenen Kopf auf eine Tischplatte gehauen und einen ganzen Bund Sellerie durchbrochen. Das zusammen hat die Szene noch eindringlicher gemacht.

Welches ist das ekligste Geräusch, das du je gemacht hast?
Für Ares mussten wir das Ausreißen eines Fingernagels vertonen. Das sah schon richtig furchtbar aus, aber das Geräusch hat es noch schlimmer gemacht. Ich habe dafür Pistazien genommen. Wenn du die Schalen aufmachst, bekommst du dieses schnappende Geräusch. Wie bei einem Nagel, der von der Haut abgerissen wird. Das haben wir dann mit dem Schälen einer Mandarine kombiniert. Das Geräusch am Ende bestand aus vier Schichten und klang exakt so, wie ich es mir vorgestellt hatte.

Wird das nicht manchmal auch etwas zu heftig?
Ja, aber bei der Arbeit musst du diesen Schalter umlegen. Einmal mussten wir das Geräusch von blutigem Verbandmull imitieren, der einem aus der Nase gezogen wurde. Wir mussten mehrere Takes aufnehmen und irgendwann meinte mein Kollege: “Können wir mal schneller machen? Ich halte das nicht mehr aus.”

Der Sounddesigner hüpft in einer mit Sand gefüllten Kiste hoch. Daneben sind zwei weitere Kisten mit verschiedenen Sorten Erde
Van der Veer bei der Arbeit

Gab es mal ein Geräusch, das du nicht imitieren wolltest?
Nein. Aber bei dem irischen Film Mammal schlug der Regisseur mir vor, dass ich ein totes Schwein kaufe und mit einem Stock drauf einschlage, um eine Schlägerei zu imitieren. Das wollte ich aber nicht. Stattdessen habe ich mir einen Sandsack besorgt und eine Lederjacke drumgewickelt. Das hat genauso gut funktioniert. Wir haben beim Metzger auch ein Hühnchen gekauft und es geschlagen, aber das hat sich am Ende nicht besser als der Sandsack angehört.

Man muss auch überhaupt kein echtes Fleisch verwenden. Ich habe mit einem Veganer an einer Dokumentation gearbeitet, in der ein Reh gehäutet wird. Wir haben uns dann entschieden, die Geräusche mit Obst und Gemüse zu imitieren. Wenn das Messer in die Haut des Rehs schneidet, schneide ich in Aubergine.

Kannst du nachts überhaupt noch schlafen?
Ich bin empfindlicher gegenüber Geräuschen geworden, vor allem gegenüber nervigen Geräuschen. Das kann ich auch im Bett nicht abschalten. Aber diese erhöhte Sensibilität hat auch eine gute Seite, weil ich dadurch von der echten Welt lernen kann.

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