Als Christian Petersen-Clausen letztes Jahr Nordkorea besuchte, fiel ihm auf, wie wenige Menschen dort ein Handy hatten. In einer Welt, in der gefühlt jeder mit jedem durch Mobiltechnologie vernetzt ist, wurde das sogenannte Einsiedlerkönigreich seinem Spitznamen mal wieder mehr als gerecht. Als der in China lebende Fotograf dann Anfang dieses Jahres nach Pjöngjang zurückkehrte, waren Handys plötzlich allgegenwärtig.
“Wirklich jeder hatte eins”, erinnert er sich. “Manchmal habe ich sogar Menschen mit zwei gesehen.”
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Trotzdem sind Handys weiterhin selten in Nordkorea—in einem Land mit 24 Millionen Einwohnern gibt es lediglich 2,5 Millionen mit einem Handyvertrag. Die zunehmende Verbreitung von Handys ist allerdings nur einer der Indikatoren für den wachsenden persönlichen Reichtum, den eine bestimmte Gesellschaftsschicht akkumuliert.
Petersen-Clausens neusten Erlebnisse in Nordkorea—eine zehntägige Exkursion, aus der die Seite NK News einen Wandkalender machte—stimmt mit dem überein, was Experten und Regimeflüchtlinge seit Jahren sagen: Es gibt eine wachsende Schicht gut betuchter Bürger, die nicht direkt mit der allmächtigen Regierungspartei involviert sind. Auf Koreanisch werden sie Donju genannt, die “Herren des Geldes”.
Das sind die Menschen, die in “Pyonghattan” unterwegs sind. Das ist der Spitzname, den Ausländer einer wohlhabenden Enklave der nordkoreanischen Hauptstadt gegeben haben. Dort gibt es teure Geschäfte, Restaurants und einen 24-Stunden geöffneten Coffee Shop—in Nordkorea weiterhin neu und angesagt.
Nordkoreas Neureiche haben sich nach einem Regierungsbeschluss von 2002 herausgebildet. Seitdem ist es normalen Bürgern möglich, Handel zu treiben und Unternehmen zu führen, so Michael Madden—Gastprofessor am US-Korea Institute der Johns Hopkins School of Advanced International Studies. Heute, sagt Madden, hätten die Donju eine Art symbiotische Beziehung zu Kim Jong-uns Regime, das sie für Bestechungsgelder oder “informelle Steuern” gewähren lässt.
“Die sind wie russische Oligarchen”, sagt Madden. “Manche von ihnen haben es aus eigener Kraft nach oben geschafft, aber die Donju mischen im großen Stil bei der offiziellen Korruption in Nordkorea mit. Aus unserer Perspektive ist es Korruption, aber für sie ist es die Art, wie dort Geschäfte laufen. Du kannst [in Nordkorea| keine Geschäfte machen, ohne die Behörden zu bestechen—ob mit Geld oder Gütern, das ist egal.”
Madden sagt weiter, dass diese Unternehmer besonders von der Privatisierung einiger Industriezweige profitiert haben. Heute sind sie an fast allen Bereichen beteiligt: von Transport und Immobilien bis hin zu staatlichen Bauprojekten.
Trotz internationaler Sanktionen, die Nordkorea davon abhalten sollen, Luxusgüter zu importieren, schien es Petersen-Clausen zufolge in Pjöngjang mehr als genug teure Produkte zu geben, für die die Donju ihr Geld ausgeben können. Er erinnert sich, mehrere brandneue Audi A6 auf den Straßen gesehen zu haben. In den Geschäften gibt es Flachbildfernseher und Designer-Handtaschen zu kaufen.
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Eine Frau beim Reitunterricht im Mirim Reitverein, Pjöngjang
Auch wenn die Reichen des Landes vielleicht reicher werden, musste der Fotograf sich nicht weit aus Pjöngjang raus bewegen, um die verheerende Armut vorzufinden, unter der die allermeisten Koreaner immer noch leiden. Er erinnert sich an einen Bauernhof, den er auf dem Weg von der Hauptstadt zum Küstenort Wonsan gesehen hatte.
“Es war Erntezeit”, sagte er. “Ich hatte gerade erst China verlassen. Da benutzen alle die gleichen Erntemaschinen, die du auch in Iowa siehst. Dann kommst du in Nordkorea an und siehst 30 Menschen in einer Reihe, die Maiskolben aneinander weiterreichen. Das ist Knochenarbeit.”
Alle Fotos von Christian Petersen-Clausen via NK News. VICE-Leser erhalten 5 US-Dollar Rabat, wenn sie beim Kauf des North Korea 2017-Kalenders den Code “vicedonju” an der Kasse eingeben.