Georg Huß ist 44 und sitzt seit über zwei Jahren im Gefängnis. Der gebürtige Deutsche wurde nach knapp sechs Monaten Untersuchungshaft im Sommer 2014 zu vier Jahren Haft verurteilt, weil er in einem Haus im Burgenland Gras angebaut haben soll. Seither kämpft er gegen seine Haftbedingungen.
Bereits kurz nach seiner Verurteilung begann Huß einen Hungerstreik, damals noch in der Justizanstalt Eisenstadt. In einem Brief an das THCene Magazine schrieb er: „Ich bin in der Hölle gelandet.” Vor allem die langen Verschlusszeiten—Huß schreibt von bis zu 23 Stunden am Tag, da es an Personal mangle—machten ihm zu schaffen.
Huß, der mittlerweile in der Justizanstalt Graz-Karlau einsitzt, verstand schnell, dass er alleine wenig ausrichten könne und begann sich zu organisieren. Im Herbst 2015 gründete er schließlich mit zwei weiteren Haftgenossen eine Gefangenengewerkschaft. Inspiriert und unterstützt wurde er dabei von der deutschen „Gefangenen Gewerkschaft / Bundesweite Organisation“, kurz GG/BO. Die GG/BO wurde 2014 von Oliver Rast und einigen Mithäftlingen ins Leben gerufen. Sie zählt mittlerweile über 850 Mitglieder aus 70 deutschen Vollzugsanstalten. Die neueste Teilgruppe der GG/BO ist der österreichische Ableger in Graz.
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Mit seiner Häfn-Gewerkschaft will sich Georg Huß vor allem gegen Zwangsarbeit hinter Gittern und für gerechte Entlohnung von geleisteter Arbeit einsetzen. Denn in Österreich ist jeder arbeitsfähige Gefangene verpflichtet, Arbeit zu leisten. Aber nicht nur das. Österreichs Gefängnisse umwerben sogar Unternehmen aus der Privatwirtschaft, die in Vollzugsanstalten billig produzieren lassen können. So findet man etwa auf der Website der Justizanstalt Leoben folgenden Hinweis: „Der Vorteil für Sie als Unternehmer besteht darin, dass hochmotivierte Arbeitskräfte sofort zur Verfügung stehen und bei einem derartigen Beschäftigungsverhältnis der Arbeitgeberbeitrag für die Sozialversicherung bei den Lohnkosten entfällt.”
Die Möglichkeit für Unternehmen, Häftlinge als billige Arbeitskräfte einzusetzen, wird außerdem als attraktive Alternative zu Outsourcing und Abwanderung ins Ausland angepriesen. Ein Gefangener bekommt jedoch für eine Arbeitsstunde lediglich 4 bis 6 Euro, je nach Tätigkeit. Gesetzlich vorgeschrieben ist ein Abzug von 75 Prozent für die „Unterbringung”. Bei 4 Euro bleibt dem Häftling also lediglich 1 Euro pro Stunde—man könnte von moderner Sklaverei sprechen.
Hinzu kommt noch, dass die Arbeit nach der Haftentlassung nicht angerechnet wird, sprich während der Zwangsarbeit im Häfn kein Geld in die Pensionskasse fließt. Ein Faktum, das von der GG/BO massiv kritisiert wird, da langjährige Häftlinge, die nach ihrer Entlassung keine Chance auf Reintegration in den Arbeitsmarkt mehr haben, oftmals mittellos dastehen und in die Armut getrieben werden. Ein Teufelskreis, der schnell wieder hinter Gittern enden kann.
Das Recht, einen Verein zu gründen, ist ein verfassungsrechtlich gewährleistetes Recht. Dazu gehört auch das Recht, Gewerkschaften zu gründen. Gerade für Staatengebilde ist das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmer eines der Kernthemen—und war historisch immer wieder Ausgangspunkt von Revolutionen und Aufständen. Letztlich ist das Arbeitsrecht auch Ausdruck des politischen Systems. So sind etwa in totalitären Systemen die Rechte der Arbeiter meist stark eingeschränkt und es gibt kaum Mitsprache- oder Wahlrechte für Arbeitnehmer.
Da Gefängnisse Teil der auf Rechtsstaatlichkeit basierenden repräsentativen Demokratie sind, sollte man meinen, dass auch in ihnen gewisse (Verfassungs-)Rechte nicht an Gültigkeit verlieren. Ein Recht auf eine Gefangenengewerkschaft scheint es aber nicht ohne Weiteres zu geben. Momentan überprüft das Justizministerium die Zulassung einer solchen Vertretung.
Wie mit Unterstützern und Unterstützerinnen (denn seit kurzem gibt es auch in einem deutschen Frauenknast eine Gruppe der GG/BO) von Gefangenengewerkschaften in Deutschland verfahren wird, weiß Oliver Rast: „Es gibt kaum einen GG/BO-ler, der nicht mit verstärkten Postkontrollen, Zellenrazzien, der Ablösung von der Arbeit oder mit Zwangsverlegungen konfrontiert ist. Wir haben hier die gesamte Palette der knastinternen Schikanen und Repressalien, die an unseren Mitgliedern durchexerziert werden”, erzählt er dem Augustin.
Da auch in Österreich die Arbeit der Gefangenengewerkschaft angeblich behindert würde, habe sich Georg Huß am 11. Jänner zu einem drastischen Schritt veranlasst gefühlt. Er nähte sich in seiner Zelle in Graz den Mund zu und befindet sich seither im Hungerstreik. Momentan steht er unter ärztlicher Beobachtung—unter Zwang dürfen ihm die Fäden aber nicht entfernt werden, da sie keine akute Lebensbedrohung darstellen. Huß geht es vor allem darum, Aufmerksamkeit für die Anliegen der GG/BO zu kreieren und mehr Häftlinge dazu zu motivieren, sich der Gewerkschaft anzuschließen. Laut eigenen Angaben gibt es bereits Kontakte zu Gefangenen anderer Justizanstalten.
Georg Huß solidarisiert sich aber auch mit dem kollektiven Hungerstreik dutzender Gefangener der Justizvollzugsanstalt Butzbach in Deutschland und der Anfang des 20. Jahrhunderts gegründeten, internationalen Unterstützer-Gruppe für Häftlinge „Anarchist Black Cross“. Damit will Huß zeigen, dass es ihm nicht nur um eine persönliche Hafterleichterung geht, sondern vor allem um eine ideologische Kritik am Gefängnissystem.
Paul auf Twitter: @gewitterland