Ich bin der Beauty-Industrie wirklich zutiefst dankbar. Ohne sie würde ich hassen, wie ich aussehe. Ich weiß, was ihr jetzt denkt: Eigentlich sind Kosmetik-Unternehmen überhaupt erst der Auslöser für meinen Selbsthass und ich müsste mich nur endlich von den aufgezwungenen Schönheitsstandards unserer Gesellschaft lösen. Aber das stimmt in meinem Fall nicht. Ich finde mich ohne Make-up einfach hässlich. Punkt.
Unter meinen Augen befinden sich lila Halbmonde und meine Kopfhaut schuppt bei Stress. Meine Augenpartie sieht nur dann gut aus, wenn ich sie mit Eyeliner und Lidschatten bearbeite. Puder hilft gegen meine fettige Haut. Ich benutze immer starkes Deodorant, weil ich große Angst davor habe, dass ich stinke und andere Leute deswegen über mich tuscheln. Wenn ich ohne Make-up aus dem Haus gehe, betonen meine Freunde entweder, wie gut ich aussehe (definitiv eine Lüge), oder sie vermeiden Augenkontakt. Männer, die laut eigener Aussage einen “natürlichen Look” bevorzugen, verursachen bei mir Brechreiz.
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Neuerdings beschleicht mich bei meiner Beauty-Routine jedoch ein schlechtes Gewissen. Vor Kurzem habe ich Urlaub in Kambodscha gemacht und dort mit eigenen Augen gesehen, wie sehr die Kosmetikindustrie der Umwelt schadet. Leere Shampooflaschen und Zahnpastatuben schwimmen dort im Meer herum und in den ländlichen Gegenden türmen sich am Straßenrand Plastikberge auf.
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Schuld sind wir Konsumenten. Laut der gemeinnützigen Umweltorganisation Green Alliance werden jährlich um die 12,2 Tonnen Plastikmüll in die Ozeane gespült. Ein Beispiel dafür sind Mikroperlen in Peeling-Produkten, die der Tierwelt schaden und oftmals in der menschlichen Nahrungskette enden. In den USA und in Großbritannien ist solches Mikroplastik bereits verboten, inzwischen fordern viele ein EU-weites Verbot. Wissenschaftliche Untersuchungen haben zudem ergeben, dass nur 50 Prozent der Produkte, die wir regelmäßig im Badezimmer benutzen, auch recycelt werden.
Immerhin: Es verändert sich etwas. “Vor allem jüngere Konsumenten und Konsumentinnen werden sich ihrem ökologischen Einfluss immer mehr bewusst. Das Gleiche erwarten sie dann auch von Beauty-Unternehmen”, sagt Andrew McDougall vom Marktforschungsunternehmen Mintel. McDougall zufolge achten 47 Prozent der Käufer und Käuferinnen inzwischen darauf, nur noch natürliche und biologische Beauty-Produkte in ihren Einkaufskorb zu legen – weil die besser für die Umwelt sind. “Konsumenten und Konsumentinnen denken mehr über ihren Plastikverbrauch nach. Das führt dazu, dass die Hersteller von Kosmetikartikeln ihren Einsatz von Plastik und Plastikverpackungen ebenfalls überdenken”, so McDougall weiter.
Kathryn Kellogg hat das Buch 101 Ways to Go Zero Waste geschrieben. Sie sagt: “Es ist schon verrückt, wie die Anti-Plastik-Bewegung komplett durch die Decke geht. Wir fragen uns jetzt, was das Beste für unsere Körper und für die Umwelt ist.” Kellogg stellt ihre Hautpflegemittel am liebsten selbst her, aber wenn es nicht anders geht, kauft sie ihr Make-up in Läden, die ethische Ansichten vertreten und auf Plastik verzichten. “Für mich ist es unglaublich wichtig, Marken zu unterstützen, die Gutes tun!”, so Kellogg weiter.
Die unschöne Wahrheit ist: Wir selbst haben es zu verantworten, dass die Kosmetikindustrie die Umwelt so verschmutzt. Wenn wir mit unserem Konsumverhalten belohnen würden, dass die Beauty-Unternehmen in nachhaltige Produkte und Verpackungen investieren, dann würde auch weniger Plastikmüll im Meer schwimmen. Aber wie einfach ist es überhaupt, bei der persönlichen Beauty-Routine komplett auf Plastik zu verzichten? Ich habe es eine Woche lang ausprobiert.
Montag
Da ich gerade versuche, mich regelmäßig ins Fitnessstudio zu quälen, wache ich auf und mache mich fertig für mein Training. Eigentlich will ich den Deoblock benutzen, den mir Lush freundlicherweise zugeschickt hat. Weil die einzelnen Bestandteile des PR-Pakets aber nicht beschriftet sind, habe ich keine Ahnung, was genau der Deoblock ist. Und weil ich meine Achselhöhlen nicht versehentlich mit einem Wärmeöl einschmieren will, ziehe ich ohne Deo los.
Nach meinem Training benutze ich beim Duschen ein Duschgel von REN, das sich in einer Plastikflasche befindet, die aus im Ozean eingesammelten Plastik besteht. Das Duschgel riecht wie die von teuren Fitnessstudios: sehr gut. Nach der Dusche schmiere ich mich mit einer feuchtigkeitsspendenden Körperbutter von Happy Holistic ein. Die Inhaltsstoffe – Aloe Vera, Lavendel und Kamille – beruhigen mich wirklich, das Ganze riecht zudem sehr angenehm.
Danach behandle ich mein Gesicht mit einer Creme von Fat and the Moon, die ich vor allem als Nachtcreme empfehlen würde, weil sie so gehaltvoll ist. Für den Morgen ist sie hingegen nicht sonderlich geeignet. Mein Gesicht sieht nach dem Eincremen aus wie ein fettiger Braten, der gleich in den Ofen kommt. Schließlich finde ich doch noch den Deoblock von Lush, der aber sofort auf meine Kleidung und den Boden krümelt. Benutze ich ihn falsch? Bei einer schnellen Google-Suche stoße ich auf mehrere Rezensionen, in denen sich die User über die krümelige Beschaffenheit des Produkts beschweren. Nein, ich habe keinen Fehler gemacht. Der Deoblock ist einfach nicht gut.
Ich trage das Lippen- und Wangen-Rouge von Fat and the Moon auf und bin begeistert. Der Farbton erinnert mich an den “Black Honey”-Lippenstift von Clinique. Unter meine Augen kommt der “Uncover Up”-Concealer von RMS, der super zu meinem Hautton passt und so nicht auffällt. Obwohl ich schon zu spät für die Arbeit bin, experimentiere ich noch ein wenig mit einem dunkelblauen Creme-Lidschatten von Kjaer Weis herum.
Mein erster Eindruck ist positiv. Normalerweise bin ich meinem Standard-Eyeliner treu, aber mit einem Holzpinsel von Antonym lässt sich auch der Creme-Lidschatten dünn auftragen. Müsste ich meinen Look beschreiben, würde ich es so tun: Bianca Jagger reitet auf einem Pony ins Studio 54. Abgerundet wird mein Make-up mit einem Mascara von Kjaer Weiss. Sonst habe ich nämlich absolut keinen Mascara gefunden, der in einer Metallverpackung daherkommt. Er ist OK.
Als ich im Büro ankomme, fragt mich meine Kollegin direkt, ob ich diese Woche das Make-up ohne Plastik verwende. Als ich nicke, sagt sie nur: “Ah, deswegen ist dein Augen-Make-up so seltsam.” Ich blicke in einen Spiegel und muss feststellen, dass mein Lidschatten wirklich total versaut ist. Ich sehe aus, als hätte ich zwei glitzernde blaue Augen.
Dienstag
Heute entscheide ich mich für einen meiner Standard-Looks: braungeschminkte Augen, rosa Wangen und rosa Lippen. Ich trage die Foundation von Antonym Cosmetics in der Farbe “Nude” mit einem buschigen, plastikfreien Puderinsel aus Holz und Pferdehaar der spanischen Marke Sin Plastico auf. Die Foundation wirkt eher wie ein traditionelles Setting Powder, aber sie macht ihren Job. Und mir gefällt die Holzverpackung.
Als Lidschatten wähle ich ein Dunkelbraun und ein helleres Braungrau aus der “Quattro Eyeshadow”-Palette von Antonym Cosmetics. Die Farben passen gut zu meinen Augen und alles läuft super, bis ich versuche, den flüssigen Eyeliner von Elate Cosmetics aufzutragen. Katastrophe! Die Anwendung ist der Horror. Fast so, als müsste ich den Lidstrich mit einem Holzzweig ziehen.
Normalerweise würde ich jetzt ein Wattestäbchen in etwas Mizellenwasser tauchen, um den Eyeliner wieder zu entfernen. Das geht jetzt jedoch nicht, weil Mizellenwasser in Plastikflaschen verkauft wird. Stattdessen nutze ich ein Glas Kokosöl zur Make-up-Entfernung. Das klappt aber nur, wenn man nicht sowieso schon spät dran ist und keine Kontaktlinsen trägt, die durch das Öl trübe werden.
Ich wische den verschmierten Eyeliner weg und trage wieder den durchschnittlich guten Kjaer-Weis-Mascara von gestern auf. Ich seufze, als ich mir auffällt, dass meine eyelinerlosen Augen aussehen wie die runzlige Zitronenhälfte, die ich mal in meinem Kühlschrank gefunden habe. Ich komplettiere meinen Look mit dem “Lip2Cheek”-Rouge von RMS im “Modest”-Farbton. Und damit lande ich einen Volltreffer: Die pink-orangene Farbe kommt super, sowohl auf meinen Wangen als auch auf meinen Lippen.
Mittwoch
Ich habe mich jetzt zwei Tage lang nicht getraut, meine Haare mit einem der mir zugeschickten Shampoos in fester Riegelform zu waschen. Ich kann aber nicht mehr länger warten und stehe deswegen extrafrüh auf und benutze das Haarwaschmittel von Peace from the Wild. Alles läuft prima. Zwar entsteht beim Waschen kein Schaum, aber nach dem Ausspülen fühlen sich meine Haare sauber und frisch an. Über den Conditioner-Riegel von Peace from the Wild kann ich leider nichts Gutes sagen, denn nach der Benutzung macht mein Haar einen schlappen und knotigen Eindruck. Vielleicht habe ich aber auch zu viel Produkt verwendet.
Weil die Haarwäsche so anstrengend war, gebe ich mir beim Make-up heute keine große Mühe. Deswegen müssen etwas Mascara von Kjaer Weis und Lippenstift von Elate Vibrant ausreichen. Aber gerade der Lippenstift im Farbton “Blaze” gefällt mir super. Dazu kommen noch etwas gut riechendes Deodorant in fester Form von Ben and Anna sowie etwas Parfüm von Le Labo in der Duftnote “Santal 33”. Ich rieche wie die Art Sex, die viel attraktivere und reichere Menschen als ich in lichtdurchfluteten Strandhäusern haben – zum Beispiel Gwyneth Paltrow.
Donnerstag
Ich ärgere mich jetzt schon die ganze Woche darüber, keinen plastikfreien Eyeliner zu finden, der nicht komplett beschissen ist. Beim Herumkramen fällt mir diesen Morgen zum Glück auf, dass sich mein Gel-Eyeliner von Bobbi Brown in einem Glasgefäß mit Metalldeckel befindet. Endlich kann ich meine Augen wieder richtig schminken. Zuerst trage ich die intensiv rotbraunen “Eye Coal”-Creme von Fat and the Moon auf meine Lider auf und ziehe mir anschließend einen Lidstrich.
Außerdem probiere ich heute die neue Foundation im “12/W”-Farbton von Lush aus. Die Konsistenz der Foundation erinnert mich an ein hartgekochtes Ei und ich komme mir etwas komisch vor, als ich mein Gesicht damit einreibe. Sie verteilt sich aber sehr gut und verleiht mir einen natürlichen, frischen Look. Anschließend sette ich mein Make-up, indem ich die Foundation von Antonym Cosmetics als Puder verwende, und runde das Ganze wieder mit Lip2Cheek als Rouge und Lippenstift ab.
Inzwischen weiß ich, dass viele plastikfreie Make-up-Produkte bei ihrer strukturellen Zusammensetzung auf Wachse und Fette setzen. Das heißt, dass sie auf dem Gesicht gerne mal verlaufen. Wenn du keine besonders fettige Haut hast, wirst du dieses Problem nicht haben. Meine Augenlider sind allerdings extrem fettig, weshalb mein Augen-Make-up in dieser Woche in kürzester Zeit absolut furchtbar aussieht. Heimlich sehne mich mich nach meinem vertrauten Eyeshadow Primer von Urban Decay.
Freitag
Heute bin ich den ganzen Tag bei einem Foto-Shooting. In anderen Worten: Ich habe weder Zeit noch Lust, Make-up aufzutragen. In der klirrenden Kälte behandle ich meine spröden Hände nur mit etwas beruhigender Salbe von Neal’s Yard ein. Ein Traum.
Samstag
Ein weiteres ganztägiges Foto-Shooting steht an. Also gibt es tagsüber wieder kein Make-up. Abends gehe ich allerdings auf eine Party, bei dem auch einige Typen anwesend sind, mit denen ich schon geschlafen habe. Deswegen muss ich fantastisch aussehen. Ich denke kurz darüber nach, einfach auf mein normales Make-up zu setzen und zu lügen, aber ich will ja ein besseres Mensch sein. Also trage ich zuerst wieder die Foundation von Lush auf, streiche mir etwas “Living Luminize”-Highlighter von RMS auf die Wangenknochen und probiere roten Lidschatten aus. Ich trage ein wenig Puder auf meine Augenlider auf, damit sie nicht mehr so fettig sind, und zücke dann die Universal Crème von Elate Cosmetics in einem strahlenden Burgundrot. Abgerundet wird mein Look durch Mascara und noch ein wenig von dem Burgundrot auf meinen Wangen und Lippen. Normalerweise würde ich noch viel mehr Make-up tragen. Auf der Party bekomme ich dann aber viele Komplimente dafür, wie frisch ich wirke. Vielleicht benutze ich in Zukunft ja weniger Make-up?
Sonntag
Weil ich den kompletten Samstag durchgearbeitet habe, bin ich total erschöpft und liege den ganzen Tag nur im Bett und rieche immer wieder am Santal-33-Parfüm. Dabei schaue ich mir Bilder von Gwyneth Paltrows Freund und von Strandhäusern an. Ich bin aber auch erleichtert, dass die Woche vorbei ist und ich wieder meine alten Make-up-Utensilien in die Hand nehmen darf. Alles in allem waren meine plastikfreien sieben Tage aber trotzdem eine gute Erfahrung. Und ich weiß jetzt, dass ich jahrelang in einem ungesunden Make-up-Trott festgesteckt war.
Weil ich über einen längeren Zeitraum hinweg weniger Make-up getragen habe als sonst, bin ich mit der Zeit auch mit einem sonst verhassten natürlicheren Look immer selbstbewusster geworden. In Zukunft will ich versuchen, bei zwei Sachen sparsamer und bewusster zu agieren: zum einen bei den Beauty-Produkten, die ich kaufe (auch wenn ich nicht komplett auf Plastik verzichten kann), und zum anderen beim Auftragen des Make-ups.
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