Eine Woche Porn Grind – mit Cliteater und Waco Jesus auf Tour

Aus der The Holy Cow Issue

Wenn die Welt mal wieder weinen will, gibt es ein Heilmittel: Kopf aus und Porn Grind an. All die moralischen Sinnstrukturen ausknipsen und die Körperbeherrschung verlieren. Bands wie Kadaverficker, Razor Rape und Anal Grind sind da genau das Richtige. Für den Moment zumindest. Dass wir aber plötzlich mit unserer gerade erst gegründeten Band Verderver von zwei Szenegrößen eingeladen werden, ihren Tourbus gemeinsam zu beschmutzen, macht mir doch ein mulmiges Gefühl. Ich meine, was sind das für Menschen hinter Zeilen wie “punch you in the cunt”? Waco Jesus heißen die “Scum Grind IV Life Tour”-Veranstalter, die auf ihrem meistgekauften Kleidungsstück den Aufdruck einer nackigen Dame glänzen lassen, die einer anderen nackigen Dame in den Rachen stuhlt. Na wer drauf steht.

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26.02.16 Oberhausen, Helvete Club
Früh um 6 Uhr, der Bus geht auf. Aus dem Heck kommt ein Kasten Bier angeflogen. Pflichtprogramm ab sofort. Grindcore geht so. Doch mein Körper sackt müde in sich zusammen, während im Kopf wirre Träume ihr Unwesen treiben. Ich sehe eine Frau mit dem nackten Unterkörper nach oben gerichtet. Direkt vor der Kamera quillt ihr Darm aus dem Analtrakt. Ich schrecke auf, Waco Jesus stehen in der Tür. Die selbsternannten Scum Grinder haben meine Angstvision auf CD gepackt: Filth heißt ihr ehemals indiziertes Album mit dem, nun ja, speziellen Cover. Nach überraschend herzlichen Umarmungen taumele ich aus dem Bus, direkt in die Arme von Cliteater. Wir lachen uns verlegen an, helfen, das Merch in den Keller zu bringen. Auf T-Shirts: ein verstümmelter Frauentorso zwischen Blut und Gedärmen, der Kopf der Blondine zwischen ihren Geschlechtsteilen, an den Seiten riesige Hackbeile. Warum? “Das ist nur Fiktion, alles Spaß”, grinst mich ihr Gitarrist Ivan Cuijpers an. “Du guckst doch auch Horrorfilme und Pornos.”

27.02.16 Lyss (CH), Kulturfabrik
Geblendet vom Tageslicht stolpere ich in die Lysser Kulturfabrik, direkt in einen Maskenball. Der Moment, wo eigentlich alles schiefgehen kann und muss: Ich sehe schon kaputte Tische vor mir, Erbrochenes auf samtweichen Kleidern und weinende Mädchen. Entsetzt stelle ich das Gegenteil fest: Mit offenen Armen und lachenden Gesichtern begrüßen uns maskierte Anzugträger, sogar der Herr des Hauses hängt sich in unsere Arme und feiert wild.

28.02.2016 Tannheim, Schwarzer Adler
Tiefstes Baden-Württemberg, Sonntagnacht. Kaum eine Menschenseele kämpft sich durch die dichten Wälder. Extreme Metal und keine Zuschauer, kennt man. Ein paar turnen nachts dann doch noch nackt im Kreis herum, fassen Waco-Jesus-Sänger Shane Bottens sogar mehrmals an den Schwanz. Was bringen solche Shows mit sieben Verrückten? “Wir sind froh, wenn wir am Ende mit null rausgehen. Das ist nicht mein Job, sondern mein Hobby”, grinst der Hüne.

01.03.2016 Ljubljana, Klub Gromka
In einem Rausch unendlicher Bierquellen und mörderischer Musik bahnen sich die Tage zu einem undurchschaubaren Knäuel an fragmentarischen Erinnerungen. Fruchtige Selbstgebrannte lassen den Kater aus Wien vergessen (wann war Wien eigentlich?). Die Slowenen behandeln Waco Jesus wie einen Staatsbesuch. Mitternacht ist Abfahrt. Ivan schmeißt Anekdoten um sich: “Da hat sich ein nackter Typ auf unserer Bühne einen gewichst. Und dann hat ein Mädel aus der ersten Reihe seinen Schwanz in den Mund genommen und ihn geblasen. Oder der Typ, der sich vor der Menge den Finger in den Arsch gesteckt hat.”

03.03.16 Leipzig, 4rooms
Ivan ist stiller als sonst, seine Freundin hat ihn verlassen. In einer ruhigen Minute gesteht er, dass der Humor von Porn Grind nicht immer ankommt. Beim Berliner Swamp Festival 2015 wurden Cliteater geächtet von einer anderen Band: “Sie haben uns unterstellt, wir seien homophobe, frauenfeindliche Rassisten. Sie wollten die Bühne nicht mit uns teilen, es wäre eine Schande.”

04.03.15 Dresden, Skullcrusher Club
Volles Haus, endlich! Grindcore dient als Auflösung erwachsener Verpflichtungen, all der Alltagsfrust verpufft in rotzigen Slam-Parts. Waco Jesus wollen uns nicht gehen lassen, bieten Schlafplätze in der Buslounge an. Verdutzt, überwältigt und mit Tränen in den Augen schiele ich zu Ivan rüber: “Es geht nicht darum, wie lange du das schon machst”, wird er ernst, “es geht um den Respekt und das Teilen derselben Sache.” Und am Ende traut man seinen eigenen Augen nicht, wenn bei WhatsApp die nächste Herzchen überflutete Nachricht von Cliteater kommt: “we miss you guys”.

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