Fans an die Macht: Der englische Fußball braucht mehr mitgliedergeführte Vereine

Schon seit Jahren steckt der englische Fußball in einer Identitätskrise. Millionäre und Milliardäre kaufen und verkaufen Premier-League-Klubs, ohne groß mit der Wimper zu zucken—fast so, als würde es sich um eine nette, kleine Eigentumswohnung am Stadtrand handeln. Für einige Klubs wurde diese Entwicklung durchaus zu einem Glücksfall. Denn ein neuer Besitzer ist in vielen Fällen gleichbedeutend mit tonnenweise Geld und einer langfristigen Strategie. Doch für jedes Chelsea gibt es eben auch ein Portsmouth—ein uralter englischer Verein, der nach diversen Besitzerwechseln und chronischem Missmanagement tief in die Schuldenfalle getappt war. Der Verein—von 2003 bis 2010 durchgehend in der Premier League vertreten—musste in den letzten fünf Jahren gleich zweimal Insolvenz anmelden.

Heute spielt Portsmouth in der vierten englischen Liga, befindet sich dafür aber nicht mehr im Besitz ausländischer Geschäftsleute. Im April letzten Jahres hat sich nämlich eine Gruppe von Fans dazu entschlossen, den Verein zu kaufen. In einigen europäischen Ländern, allen voran Deutschland, ist es schon längst die Regel, dass Fans die Hauptanteilseigner ihrer Vereine sind—nicht aber so in England, wo meist Fremdinvestoren das Sagen haben. Genau aus diesem Grund fühlen sich englische Fan-Gruppen zunehmend ausgegrenzt.

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In diesem Zusammenhang sind Ticketpreise ein gutes Beispiel für die zunehmende Kluft zwischen Fans und ihrem Verein. Die Preisentwicklung für Spiele in der Premier League lag in den letzen Jahren weit über der Inflationsrate. Das preiswerteste Ticket für ein Spiel des aktuellen englischen Tabellenführers, Chelsea, kostet 50 Pfund, also rund 64 Euro. Zum Vergleich: Wenn du zu einem Spiel des deutschen Rekordmeisters—der auch in dieser Saison wieder einsam von der Tabellenspitze grüßt—gehen willst, musst du für die günstigste Eintrittskarte nicht einmal 16 Euro berappen. Neuere Umfragen—durchgeführt von Supporters Direct, einer Interessenvertretung für Fußballanhänger—legen nahe, dass unter englischen Fans eine große Unzufriedenheit herrscht. So finden nur 18 Prozent der Fans, dass ihre Klubs finanziell gut geführt werden, während 38 Prozent der Befragten der Meinung sind, dass Fans gesetzlich Anspruch auf ein Mitspracherecht in ihren Vereinen haben sollten.

Das hat vor allem damit zu tun, dass die aktuellen Regeln eine Fan-Übernahme nicht nur erschweren, sie machen sie fast unmöglich.

„„Die meisten Hindernisse sind rechtlicher Natur, die nichts mit Fußball zu tun haben”, erklärt mir Kevin Rye von Supporters Direct per Telefon. „„In vielen Fällen geht es um steuerliche Aspekte und ähnliche Dinge.”

Rye kommt in diesem Zusammenhang besonders auf Steuererleichterungen zu sprechen. „Wenn eine Privatperson 50 Prozent zuzüglich einer Aktie des Vereins erwirbt, kommt sie in den Genuss umfangreicher Steuererleichterungen. Im Fall von anderen Eigentumsmodellen werden hierfür aber 90 Prozent zuzüglich einer Aktie fällig. „Was purer Wahnsinn ist, wie auch jeder zugibt”, so Rye weiter.

Zudem begünstige das FA-Regelwerk Kapitalgesellschaften im Vergleich zu Kooperationsgemeinschaften. „„Das ist ein Zufall der Geschichte”, so Rye. „„Man beschloss im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, dass Privatunternehmen als Garanten für eine nachhaltige Klubführung und eine treue Fangemeinde fungieren sollten. Nur so, dachte man, sei die Zukunft des Vereins gesichert.”

Seitdem haben sich die Zeiten natürlich geändert, nicht aber die Statuten. Wenn man sich nur mal vor Augen führt, wie wenig für den Kauf eines Teams nötig ist (bis auf ein großes Portmonee, versteht sich), ist es auch kein Wunder, dass Übernahmen keine Seltenheit sind. Ein aktuelles Beispiel gefällig? Im Oktober letzten Jahres waren die englischen Zeitungen voll davon, dass Josh Harris—ein amerikanischer Milliardär, dem auch schon die Philadelphia 76ers und die New Jersey Devils gehören—den englischen Premier-League-Klub Crystal Palace übernehmen könnte. Auch wenn seitdem die Gespräche weitgehend im Sande verlaufen sind, spricht noch immer vieles für einen Eigentümerwechsel.

Die Fans sehen einer möglichen Übernahme mit gemischten Gefühlen entgegen. Vielleicht wird Harris Palace ja mit reichlich Geld vollpumpen und so zu einer nationalen Macht und—über kurz oder lang—internationalen Größe machen. Aber Palace ist eben auch ein Traditionsklub, der auf eine 109-jährige Geschichte zurückblickt. Irgendwie fühlt es sich falsch an, wenn ein Typ mal eben so über den großen Teich jettet und einen ganzen Verein übernimmt. Und selbst wenn Harris den Verein am Ende für 15 Jahre behalten sollte, ist es in Sachen Identifikation natürlich dennoch kein Vergleich mit all den eingefleischten Fans, die ihrem Verein seit Jahrzehnten—und zum Teil über Generationen hinweg—die Treue halten. Fußballklubs sollten nicht zu Spielzeugen von Megareichen verkommen. Sie sollten das bleiben, was sie sind: Institutionen einer ganzen Gemeinschaft.

Doch es gibt auch Hoffnung auf ein Umdenken im englischen Fußball. Denn im Oktober letzten Jahres hat das britische Ministerium für Kultur, Medien und Sport angekündigt, dass eine Arbeitsgruppe nach Möglichkeiten suchen wird, die wichtigsten Barrieren für eine Fan-Übernahme aus dem Weg zu räumen. Die sogenannte „„Supporter Ownership and Engagement Expert Group“—die noch im November ihre Arbeit aufnahm—setzt sich aus Mitgliedern verschiedener Interessenverbände, Abgesandten von Vereinen, bei denen schon heute Fans das Sagen haben (wie eben Portsmouth) sowie Liga- und Regierungsvertretern zusammen. Schon demnächst wird mit ersten Ergebnissen gerechnet, die dann dem britischen Sportminister vorgelegt werden sollen.

Aber werden diese Empfehlungen auch wirklich Eingang ins FA-Regelwerk und in die betreffenden Gesetzestexte finden? Werden Fans am Ende mehr Möglichkeiten haben, sich in ihren Vereinen Gehör zu verschaffen und ein größeres Mitspracherecht auszuüben? Schwer zu sagen. Fest steht, dass wir eine Menge Geduld mitbringen müssen. Ich für meinen Teil hoffe jedenfalls, in zehn Jahren folgende Überschrift lesen zu können: „„Fans kaufen Traditionsklub von amerikanischem Investor zurück.”