Ein Teller mit Brokkoliröschen, die Diät des Tech-Millionärs Bryan Johnson soll einen jünger machen.
Foto: Getty Image
Tech

Ich habe eine extreme Verjüngungsdiät für Superreiche ausprobiert

Babyblut gab's keins, dafür sehr viele verschiedene Sorten Schleim.

In der Welt der gesundheitsversessenen Männer mit fragwürdigen Ernährungsgewohnheiten gibt es zwei "Bryan" Johnsons. Der eine ist ein Brian mit einem i, besser bekannt als Liver King. Dieser Johnson ist berühmt, weil er rohe Innereien isst und sich mit Steroiden vollpumpt. Der andere ist Bryan Johnson, ein Tech-Millionär aus dem Silicon Valley. Dieser Johnson ist berühmt, weil er steinreich ist und jährlich zwei Millionen Dollar ausgibt, um seinen Alterungsprozess umzukehren.

Anzeige

Bryan Johnson ist 48 Jahre alt, aber behauptet, sein biologisches Alter liege etwa fünf Jahre darunter und er würde jedes Kalenderjahr nur noch neun Monate altern. Das weiß er, weil er regelmäßig verschiedenste medizinische Untersuchungen über sich ergehen lässt, die er natürlich alle selbst bezahlt. Zu seinem Standardprogramm gehören Darmspiegelungen, MRT-Scans und Blutuntersuchungen.

Für sogenannte Biohacker – also Leute, die versuchen, mit vermeintlichen Hacks wie kalten Duschen und LSD-Microdosing ihre sterblichen Hüllen zu optimieren – ist Bryan Johnson mit y der ultimative Vorreiter. Sein Ziel ist es, das biologische Alter eines 18-Jährigen zu erreichen. Und weil das mit ein bisschen Sport und einer guten Nachtcreme nicht zu schaffen ist, unterhält Johnson einen ganzen Stab an Medizinerinnen und Ernährungsberatern.


Auch von VICE: Jeremy Fragrance spricht mit einem Therapeuten über Sex, Gewalt und seine Mutter


Die Millionen, die Johnson in seine Verjüngung steckt, hat er mit seinem Online-Bezahldienstleister Braintree verdient, den er 2013 für 800 Millionen Dollar an PayPal verkaufte. Wenn es ihm anfangs vielleicht noch darum ging, sich den ausgedehnten Ruhestand zu versüßen und maximal in die Länge zu ziehen, ist sein Verjüngungsprojekt ziemlich schnell in richtige Arbeit ausgeartet.

Aber Johnson behält die Ergebnisse seiner Nachforschungen nicht für sich. Oh nein. Wie alle reichen algenschlürfenden Tech-Bros demokratisiert er die Erkenntnisse aus seinem Selbstexperiment.

Anzeige

Unter dem Namen Blueprint hat Johnson seine Anleitung für ewige Jugend kostenlos ins Netz gestellt. Auf der Seite findest du alle Mahlzeiten, Tests, Nahrungsergänzungsmittel und Mikronährstoffe, die für die eigene Verjüngung brauchst.

Laut der Website kostet dich Johnsons Programm umgerechnet etwa 19.135 Euro pro Jahr – oder 1.595 Euro pro Monat. Das ist nicht viel, wenn du mal ein Unternehmen für 800 Millionen Dollar verkauft hast, aber für Leute wie mich, die einen nicht unerheblichen Teil ihres Gehalts für eine Bruchbude in einem Außenbezirk ausgeben müssen, ist das eine ganze Menge. Ist ewige Jugend für Normalverdiener überhaupt machbar? Ich habe Blueprint ausprobiert, damit du es nicht musst.

Los geht's!

Johnsons Anleitung kann man in drei Bereiche einteilen: Ernährung, Sport, Untersuchungen. Ich mache auch ohne Blueprint schon recht viel Sport, dreimal pro Woche High Intensity Training und ein bisschen Pilates, so weit von Johnsons Empfehlung bin ich also nicht entfernt. Die ganzen Untersuchungen sind bescheuert und ich kann sie mir nicht leisten, also lassen wir die weg. Außerdem hätte ich das Experiment dann mehrere Monate durchziehen müssen, und darauf hatte ich absolut keinen Bock.

Der Blueprint-Ernährungsplan sieht täglich 1.977 vegane Kalorien vor und buchstäblich über 100 Pillen mit Nahrungsergänzungsmittel. Die meisten davon sind außerhalb der USA nicht leicht zu finden und kosten obendrein viel mehr, als ich für Lebenshaltungskosten ausgeben kann – vor allem, wenn ich dadurch noch länger leben sollte. Ich beschränke mich also auf die Lebensmittel, die ich hier im Supermarkt kriege. Die Essensration für drei Tage hat mich umgerechnet 72 Euro gekostet.

Anzeige

Was die Nahrungsergänzungsmittel angeht, durchsuche ich Johnsons Liste nach Zeug, das ich bei mir zu Hause rumfliegen habe – Kreatin und Vitamin D3, ich bin halt ein trauriger Gym-Boi. Außerdem finde ich noch eine Packung Multivitamintabletten. Ich nehme direkt drei in der Annahme, dass da eh viel verschiedenes Zeug drin ist. So was nennt man in der Fachsprache auch Annäherung.

Außerdem sagt die Ernährungsexpertin und Autorin von The Science of Nutrition Rihannon Lambert auf Nachfrage: "Es ist nicht empfehlenswert, Hunderte Nahrungsmittelergänzungsmittel zu nehmen. In den allermeisten Fällen reicht eine ausgeglichene, gesunde und abwechslungsreiche Ernährung, um sich mit allen nötigen Nährstoffen zu versorgen."

Grüner Riese, brauner Riese

Nachdem ich mir also alles für meine persönliche Verjüngung besorgt habe, mache ich mich an einem Dienstagmorgen um 10 Uhr daran, Johnsons Frühstücksdrink zu mixen: The Green Giant. Die Hauptzutaten sind Wasser, Chlorella-Pulver und Kollagenpeptide. Das Rezept gibt es auf der Blueprint-Website und ist nicht superkompliziert.

Zwei Fotos: Links ein Löffel mit grünem Pulver über einem Glas, rechts ein dunkelgrünes Getränk

Der grüne Riese | Foto: Rhys Thomas

er Drink selbst hingegen ist einfach abartig. Eigentlich habe ich nichts gegen algengrüne Lebensmittel, aber der Green Giant ist absolut widerlich. Er ist schleimig und wenn du ein Klümpchen erwischt, kommt dir sofort die Kotze hoch. Gut, ein richtiger Mixer hätte da vielleicht geholfen, aber auch die Stellen ohne Klümpchen sind schlimm. Ich möchte an dieser Stelle auch dringend davon abraten zu versuchen, mit dem Zeug die Nahrungsergänzungsmittel runterzuspülen. Glaub mir.

Anzeige

Die restlichen Mahlzeiten sind ganz gut. Super Veggie nennt Johnson das Gericht, das du täglich mittags essen sollst. Püriert oder stückig – tob dich aus. Ich entscheide mich für stückig, weil sonst alles in diesem Ernährungsplan flüssig, matschig, pulvrig oder auf Tablettenbasis ist – von ein paar Erdbeeren mal abgesehen. Die Mahlzeit besteht aus Brokkoli, Pilzen, Blumenkohl und Linsen mit Knoblauch, Ingwer, Apfelessig, Samen und Gewürzen. Es ist wirklich nicht schlecht – bis es dann am anderen Ende wieder rauskommt.

Nach 300 Gramm Linsen, einem ganzen Kopf Brokkoli und dem anderen Zeug ist dein Schiss absolut riesig und überragt locker den Wasserspiegel der Kloschüssel. Außerdem hat er die Farbe von schwarzen Linsen und ist so gemüsig, dass er ein bisschen wie schlechtes Gras stinkt. Ich will mir nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn ich die Breivariante gewählt hätte.

Die andere fest vorgeschriebene Mahlzeit für den Tag ist der sogenannte Nutty Pudding. Eigentlich esse ich so was Ähnliches normalerweise zum Frühstück: Mandelmilch, Blaubeeren, Himbeeren, Erdbeeren, drei Macadamia-Nüsse und eine halbe Paranuss. Dazu kommt noch Sonnenblumen-Lecithin und nicht-alkalisierter Kakao. Ohne Mixer ist mein Gericht zwar mehr Frucht-Nuss-Müsli als Pudding, aber ganz lecker.

Die letzte Mahlzeit des Tages ist ein 500 Kalorien-Gericht, das man sich selbst zusammenstellen darf. Johnsons Vorschläge lauten: Spargel-Mandel-Beete-Salat, Fenchel-Orangen-Salat oder vegetarisch gefüllte Süßkartoffel.

Anzeige
Zwei Teller mit Brokkoli, Blumenkohl und Pilzen

Das ist Super Veggie unpüriert | Foto: Rhys Thomas

Müde, einfach nur unfassbar müde

An Tag vier wurde mir das alles – Überraschung! – ziemlich langweilig und ich war – Doppelüberraschung! – sehr, sehr hungrig. Ein bisschen Kontext: Meine Standardbestellung in der örtlichen Hähnchenbude meines Vertrauens ist ein ganzes Hühnchen mit zwei oder mehr großen Beilagen – also ein Menü, das eigentlich für zwei Personen gedacht ist. Falls du einen nicht ganz so großen Appetit hast, funktioniert Johnsons Ernährungsplan für dich vielleicht easy. Ich persönlich kann mich jedenfalls nicht mit der Vorstellung anfreunden, mich jeden Tag für den Rest meines – zugegebenermaßen sehr langen – Lebens nur noch von demselben minutiös abgewogenen und pürierten Schleim zu ernähren.

Was meine Fitness anging, hatte ich an den ersten beiden Tagen sogar ziemlich gute Workouts. Ich hatte mehr Energie als sonst. Am dritten Tag bin ich dann aber kaum noch aus dem Bett gekommen, an Anstrengung war überhaupt nicht zu denken. Vielleicht hätte sich das wieder eingependelt, wenn ich keinen Job und 800 Millionen Dollar gehabt hätte. Leider ist dem nicht so und ich war sehr, sehr müde.

Zum ständigen Hunger und der Erschöpfung kamen auch noch Kopfschmerzen. Ich war häufig sehr durstig, konnte mich null konzentrieren und bekam fettige Haut. Immerhin habe ich dank Johnsons zweistündigem Bildschirmverbot vor dem Bett wie ein Baby geschlafen. Trotzdem war ich den ganzen Tag müde. Ein weiterer Pluspunkt der Blueprint-Diät: Ich fühlte mich weniger aufgebläht.

An Tag fünf entschied ich mich, das Experiment abzubrechen. Ich hatte schon weit über 100 Euro ausgegeben und außerdem meinte Ernährungswissenschaftlerin Lambert: "Es braucht noch viel mehr Untersuchungen, um die Vorteile und Risiken dieser Diät einschätzen zu können." Insbesondere Biohacking könne gefährlich sein, weil es gegen den natürlichen Alterungsprozess des Körpers geht, sagt sie.

Gesund oder nicht, ich bin mir nicht sicher, ob ich "das Beste" für mich will, wenn es Blueprint ist. Vielleicht würde ich auch mein Leben zu einem großen Laborexperiment machen, wenn ich einen Haufen Geld und sonst nichts zu tun hätte. Vielleicht. Aber wer will schon ewig leben? Ich definitiv nicht. Und auch wenn ich zu Lebzeiten natürlich gesund sein möchte, habe ich keinen Bock, mich nur von grünem Algenschleim, pürierten Linsen und Pillen zu ernähren. Ich wünsche dir trotzdem viel Erfolg, Bryan. Was ist eigentlich dein Plan fürs Überleben der Klimakrise?

Folge VICE auf Facebook, TikTok, Instagram, YouTube und Snapchat.