In einer Aktion, die gleichzeitig unverschämt, heuchlerisch und fehlgeleitet war, verurteilte Pamela Anderson kürzlich an der Seite eines Priesters die Natur von Pornografie und bezeichnete alle ihre Konsumenten als “Verlierer”. Porno-Konsum hängt für sie ursächlich mit den hohen Scheidungs- und Fremdgehraten in den USA zusammen und mache aus Männern Monster.
Aber auch, wenn ihr Essay sonst vollkommener Blödsinn ist, stimme ich ihr in ihrem Schlussstatement doch zu: Wir müssen unsere Kinder besser über Sex aufklären. Denn die traurige Wahrheit unserer modernen Gesellschaft ist, dass Kinder nicht durch ihre Eltern oder die Schule von Sex erfahren, sondern durch Pornografie. Und was sie dabei lernen, ist bestenfalls unrealistisch, aber schlimmstenfalls rassistisch, sexistisch und homophob.
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Wie Mainstream-Pornos unsere Kinder beeinflussen, wissen wir wissenschaftlich gesehen immer noch nicht. Sie sind die erste Generation, die mit Smartphones und ständigem Internetzugang aufwachsen. Sie sind die erste Generation, die nicht im geheimen Playboy-Vorrat ihrer Väter nachschauen muss, um ihre natürliche Neugier zu befriedigen, sondern die einfach “Sex” googeln kann, um in einer ganzen Welt aus Gratis-Videos und -Bildern zu landen.
Das offensichtlichste Problem mit Mainstream-Pornos ist ihre Frauenfeindlichkeit. Sie fördern die Idee, dass Frauen als Lustobjekte ohne eigene Sexualität existieren und jederzeit verfügbar für sexuelle Bedürfnisse sein sollten. Vieles davon schadet auch unseren Vorstellungen von Gender, Ethnie und Sexualität allgemein.
In der westlichen Welt war Pornografie immer ein Ort des Whitewashing, wo Women of Color exotisch von außen betrachtet wurden. Dieser Exotismus gegenüber vor allem schwarzen Frauen geht sogar noch auf die Zeit vor dem Kolonialismus zurück; gegenüber asiatischen Frauen findet immer noch eine ähnliche Stigmatisierung und Fetischisierung statt. Mainstream-Pornos unterstützen in ihren gängigsten Kategorien ethnische Stereotype und rassistischen Separatismus.
“Normale” Pornos handeln immer von weißen Frauen und Männern und alles davon Abweichende wird in Fetisch-Kategorien gesteckt. Dadurch entstehen nicht nur unrealistische Vorstellungen von Sexualität generell, sondern junge Menschen lernen außerdem, dass Anziehung zu einer schwarzen Person fetischisiert und ungewöhnlich ist. Welcher Effekt ergibt sich dadurch für weiße und nichtweiße Kinder gleichermaßen?
Die Frage, die wir uns dabei stellen müssen, ist, ob das wirklich die Vorstellung von Sexualität ist, mit der wir unsere Kinder aufwachsen lassen wollen.
Was mich zum Verhältnis von Gender und Sexualität bringt. Hier gibt es zwei offensichtliche Punkte. Erstens bringt Homosexualität für Männer immer noch immense Diskriminierung mit sich und wird nach wie vor als unmännlich gesehen. Schwulenpornos sind innerhalb ihrer selbst unterteilt, während der Kontakt mehrerer Männer mit einer Frau auch im heterosexuellen Mainstream-Porno vorkommt – allerdings ohne direkten Austausch der Männer und immer nur in Form der Bedienung an der Frau, wo jedes psychologische Einlassen auf die Situation abgeblockt wird.
Im Porno-Dreier gibt es in der Regel keinen Lustgewinn durch ein geteiltes Erlebnis in der Gruppe, sondern nur durch die Teilnahme oder Beobachtung von weiblicher Erniedrigung, die in dem Fall nicht nur einem, sondern gleich zwei Männern dient. Die gängigen Stellungen “Eiffelturm” und “Spit Roast“, die nicht selten zum Witz auf Kosten der Frau ausgebaut werden, zeigen, wie unmenschlich, maschinell und emotionslos solche Szenen von der Porno-Industrie inszeniert werden. Die Frage, die wir uns dabei stellen müssen, ist, ob das wirklich die Vorstellung von Sexualität ist, mit der wir unsere Kinder aufwachsen lassen wollen.
Die Fetischisierung von lesbischem Sex auf der anderen Seite wird als eigenständige sexuelle Ausrichtung im Porno-Spektrum beinahe völlig ignoriert. Das hat durchaus Geschichte, bis zurück ins antike Rom. Auch im Mainstream-Porno wurde lesbische Sexualität mittlerweile ersetzt durch zwei Frauen, die zur visuellen Befriedigung eines männlichen Publikums Sex haben. Das gilt sogar über die Grenzen von Pornografie hinaus; zuletzt machte auch der Film Blue is the Warmest Color denselben Fehler, als hierfür zwei heterosexuelle Darstellerinnen gewählt und von einem männlichen Regisseur in Szene gesetzt wurden – um eine filmische Situation zu erschaffen, mit der niemand der Beteiligten tatsächliche Erfahrung hatte.
Ein weiteres Problem im Mainstream-Porno ist die Frage des Einverständnisses – oder noch mehr die Annahme, dass alle Porno-Darstellerinnen entweder Drogenabhängige, Opfer von Menschenhandel oder psychisch gestört sein müssen. Das mag in einigen Fällen immer noch stimmen, ist aber längst nicht mehr die einzige (oder üblichste Option).
Ich selbst kenne viele Darstellerinnen, die eine bewusste Entscheidung getroffen haben und ihre eigene Arbeit zu schätzen wissen. Trotzdem gibt es natürlich nach wie vor Probleme, wie etwa das Tabu rund um jede Vergewaltigungsdiskussion im Mainstream-Porno, die meist einfach nicht geführt wird, und den Umstand, dass immer noch viele Frauen, die wir in Mainstream-Pornos sehen, lieber etwas ganz anderes tun würden.
Es gibt zwei Dinge, die wir tun können: bessere Pornos machen und Teenager besser über die Realität hinter Pornos aufklären.
Ein guter Teil des gratis zugänglichen Mainstream-Pornos im Netz baut nach wie vor auf Frauen, die mehr oder weniger zum Einverständnis gedrängt wurden. Diese Art von sexuellen Beziehungen ist es, von der die nächste Generation lernt, dass es sich dabei um die Norm handelt. Sexuelle Akte werden als Mittel zum Zweck und vor allem zur Erlangung von Respekt oder Bestätigung im Alltag porträtiert.
Junge Frauen berichten immer öfter davon, als Gegenleistung für einen Gefallen von jungen Männern um Sex gebeten zu werden. Alternativ wird von ihnen verlangt, sich filmen zu lassen. Das ist kein Verhalten, das junge Menschen von uns, ihren Eltern, lernen, sondern durch die Herangehensweise an Sex in Pornos. An uns als Erziehungspersonen liegt es, dagegenzusteuern und den Heranwachsenden zu erklären, wie vielschichtig Sexualität sein kann – und dass sie nicht mit abgeleisteten Gefallen, sondern mit gegenseitiger Lust zu tun hat.
Wenn das alles stimmt, wie viel Hoffnung gibt es dann noch? Ziemlich viel, würde ich sagen. Es gibt zwei Dinge, die wir tun können: bessere Pornos machen und Teenager besser über die Realität hinter Pornos aufklären.
Wie machen wir bessere Pornos? Wenn die Vorstellung von Frauen als Sexobjekten und dem Mann als Subjekt in der Porno-Industrie so fest verankert ist, wie kann Porno dann jemals für Empowerment oder sogar Erziehung stehen? Genau das ist seit über einem Jahrzehnt meine Mission. Ich wollte aktiv etwas ändern, nicht nur bestehende Porno-Klischees kritisieren.
Als ich an der Uni zum ersten Mal Mainstream-Pornos mit meinem damaligen Freund gesehen habe, war ich ziemlich schockiert und angewidert. Ich habe mich schnell nach Alternativen umgesehen, aber es gab keine. Also begann ich einfach, selbst erotische Filme zu machen, angefangen mit The Good Girl im Jahr 2004 über viele weitere Filme und vier Bücher bis hin zu meinem aktuellen Projekt XConfessions, bei dem es darum geht, dass ganz alltägliche Menschen aller Geschlechter und sexuellen Ausrichtungen ihre erotischen Geständnisse und Fantasien abgeben, aus denen ich dann möglichst cineastische Kurzfilme mache.
Für mich gibt es vier wichtige Punkte für das, was ich “ethischen Porno” nenne: Die Lust der Frau muss eine Rolle spielen; die Filme müssen einen cineastischen Anspruch haben; es müssen möglichst unterschiedliche Körpertypen, Altersgruppen und Ethnien vertreten sein; und der Produktionsprozess muss moralisch in Ordnung sein. Die Kombination dieser Elemente kann Pornos hervorbringen, die eine echte Alternative zum Mainstream darstellen.
Es ist eine Frage der Perspektive und der Diversität, dem weiblichen Blick im Porno seinen Platz zu geben. Das beginnt schon damit, Frauen hinter der Kamera einzubinden. Und es bedeutet übrigens nicht, dass die weibliche Perspektive – oder ethischer Porno insgesamt – unsexy oder langweilig sein muss. Es heißt auch nicht, dass keine Fetische erforscht, keine Tabus gebrochen und keine BDSM-Elemente eingebaut werden, weil Frauen schließlich genauso Fantasien zu allen diesen Dingen haben (sogar mehr als Männer, wenn es nach Pornhub-Statistiken geht).
Das einzige, das ethischer Porno anders macht, ist, dass er alle Teilnehmenden zu Subjekten im Film macht, mit einvernehmlichem Sex und echter Intimität im Wechselspiel von Kontrolle und Lust. Wichtig dafür ist, dass die Darsteller gut bezahlt werden, man am Set streng ist, wenn es um unvereinbarte Szenen geht und man generell einen respektvollen Umgang miteinander hat.
Darüber hinaus will ich alle Arten von Sexualität, Begierde und Fantasie erforschen. Auch wenn meine Stimme in der Porno-Industrie derzeit einzigartig ist, weil ich eine von nur sehr wenigen Frauen bin, die feministische Erwachsenenunterhaltung macht, möchte ich vor allem andere Filmemacherinnen ermutigen, es mir gleichzutun und mitzuhelfen, eine neue pornografische Welle zu schaffen, die hoffentlich genauso viel Verbreitung wie Mainstream-Pornos findet – und frauenfeindliche Sexfilme irgendwann überflüssig macht. Bei XConfessions arbeite ich deshalb mit Gastregisseurinnen zusammen und habe außerdem ein Projekt ins Leben gerufen, das bei der Finanzierung ethischer Pornos helfen soll.
Viel wichtiger als das alles ist aber, dass ich selber Mutter bin und gemeinsam mit meinem Partner und Mitgründer von Erika Lust Films, Pablo Dobner, zwei Töchter habe. Wir waren uns immer einig, dass die Aufklärung über Pornos dabei viel wichtiger ist als jedes Verbot. Die Tatsache, dass aber immer häufiger auch schon Kinder im Alter von 7 bis 9 in Kontakt mit Pornografie kommen, hat uns dazu gebracht, ein neues Projekt ins Leben zu rufen: ThePornConversation.org.
Die Idee von ThePornConversation.org ist es, den Austausch von Eltern und Kindern zum Thema Pornografie anzustoßen, auch wenn es ein unangenehmes Thema ist, weil es verlogen wäre, unseren Kindern einen verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol, Verhütung und Drogen beizubringen, aber bei Pornos jedes Gespräch zu vermeiden. Immerhin ist die Ausprägung einer gesunden Sexualität einer der wichtigsten Punkte beim Erwachsenwerden und es ist daher umso wichtiger, dass wir unseren Kindern beibringen, wie man respekt- und lustvoll miteinander umgeht.
Aber bevor wir das Gespräch zu unseren Kindern suchen, müssen wir erst mal uns selbst aufklären.
Unser Ziel ist es, Eltern ganz konkret mit Fakten und Gefahren rund um (zu viel) Pornografie zu helfen, aber auch gleichzeitig zu zeigen, wo die Unterschiede liegen und dass nicht alles im Internet, das mit Sex zu tun hat, so schlimm ist, wie sie vielleicht denken. Außerdem soll das Projekt Eltern Schritt für Schritt durch die Gespräche mit ihren Kindern führen und gleichzeitig eine Plattform zum Austausch von Eltern untereinander bieten.
Aber bevor wir das Gespräch zu unseren Kindern suchen, müssen wir erst mal uns selbst aufklären. Genau wie bei Medien insgesamt ist auch bei Pornos immer ein gewisses Maß an Quellenkritik angebracht: Wenn die Macher nicht öffentlich auftreten, weil sie womöglich nicht stolz auf ihre Arbeit sind, oder die Produktionsbedingungen intransparent wirken beziehungsweise die Firmen hinter den Pornos zwielichtig erscheinen, dann darf man zumindest skeptisch sein, ob die Filme ethisch einwandfrei hergestellt wurden.
Sich über die Produktionen und Pornostars zu informieren, kann auch ziemlich befriedigend sein, weil man die Darsteller besser kennenlernt und anders sieht als einfach nur als nackte Sexarbeiter.
Als Eltern müssen wir uns eingestehen, dass unsere Kinder online mit vielen Arten von gewalttätigen, herabwürdigenden Darstellungen von Sex konfrontiert sind – und das, lange bevor sie selbst überhaupt Sex haben werden. Und wir müssen akzeptieren lernen, dass sie trotz allem weiter Pornos schauen werden. Was wir aber können, ist, ihnen beizubringen, das Ganze mit Respekt voreinander zu tun – und sie ermutigen, eher Pornos zu schauen, die Sex realistisch und facettenreich darstellen, statt ihn zur Funktion zu machen.