Erkan und Stefan sind zurück – und sie sind genauso scheiße wie früher

Erkan und Stefan schauen in die Kamera

Noch bis zur letzten Woche glaubte ich, wir hätten das dunkelste Kapitel des deutschen Humorzeitalters überwunden. Eine Epoche, in der deutsche Comedians den Assi aus sich herausholten, weil das Publikum nicht über sich selber lachen wollte. Es wollte die “Vollprolls” sehen, die man in der McDonald’s-Schlange nur von hinten angaffen kann. Die fettleibige Hartz-IV-Empfängerin im rosanen Trainingsanzug, den Türken mit Königskette und Aggressionsproblem.

Die Figuren hießen Cindy und kamen aus Marzahn. Oder aber Hakan (gespielt von Kaya Yanar) und waren Türsteher. Auch der dämlichste Zuschauer sollte ja verstehen, dass hinter der Rolle die echten Lachnummern aus der Unterschicht stehen. Jene Sondermenschen, die einem begegnen, wenn man mit dem Bus zur Arbeit fahren muss, weil der BMW einen Motorschaden hat.

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Eigentlich müsste ich mich gar nicht darüber aufregen. Die Zeit, in der Gymnasiasten ihre Gossen-Karikaturen präsentierten, ist lange vorbei. Nun sind Erkan und Stefan zurück. Für alle Leser unter 20, die sich jetzt fragen, wer den netten Herren vom Sparkassenschalter die Caps schief aufgesetzt hat, muss das Duo kurz vorgestellt werden.

Hauptschulhof-Gangster, die ihre Mitschüler mit “Isch mach disch Messer” bedrohen

Erkan und Stefan stehen für den bisher peinlichsten Versuch deutscher Comedians, den “Ghetto-Slang” zu parodieren. Nie passte die Bezeichnung Hampelmänner besser als für diese beiden Typen mit ihren XXL-Jerseys und dem breitbeinigen Gang (wegen dicken Eiern, haha!).

Erkan und Stefan bauten ihre Karriere auf einem einzigen Kunststück auf. Sie erinnerten ihr Publikum an einen Menschenschlag, den es niemals gegeben hat. An die Hauptschulhof-Gangster, die ihre Mitschüler mit “Isch mach disch Messer” bedrohten und die Aktion hinterher als “voll krass konkret” bezeichneten.

Aber woher sollten John Friedmann (Erkan) und Florian Simbeck (Stefan), aufgewachsen in Ingolstadt, auch wissen, wie die sogenannten Kidz von den Streetz sprechen? Für die Show war das vollkommen egal. Friedmann hatte ja immerhin dunkle Haare und konnte das R rollen. Wenn er sich nur oft genug am Sack kratzte und in jeden zweiten Satz einen Grammatikfehler einbaute, würde das Publikum schon einen richtigen Erkan in ihm erkennen.

So wurde Friedmann zu Deutschlands erstem “Bilderbuchk*****” in einer Zeit, als man bei Cem von Türkisch für Anfänger noch an den Lehrer eines Sprachkurses dachte.

Aber Erkan und Stefan hatten auch andere Qualitäten. Sie machten ja noch dieses neue Ding aus den USA, das bei den jungen Leuten so gut ankommt. Dieses HipHop, wo man die Hose in den Knien trägt und die Hände so merkwürdig verschränkt. Wenn sich junge Rapfans fragen, warum auch 2019 noch Menschen denken, dass man sich in der Szene mit den Worten “Yoyoyo, du Checker” begrüßt, können Erkan und Stefan stolz auf ihr Lebenswerk verweisen.

Aus heutiger Perspektive wirkt das alles völlig absurd. Allein die Berufsbezeichnung Rapper ist noch kein Gag. Wer arm, dick oder Migrant ist, kann heute erfolgreich Comedy machen, ohne sich selbst zur wandelnden Pointe erklären zu müssen. Für authentischen Straßenhumor gibt es “Rebell Comedy” oder “Ost Boys”. Die Prolls von früher dürfen sich inzwischen selbst veralbern. Sie müssen nicht mehr von Chorknaben aus Tölz nachgeäfft werden.

Und zu diesem Zeitpunkt hat auch wirklich genau niemand auf ein Comeback von Erkan und Stefan gewartet. Doch ab September gehen Friedmann (47) und Simbeck (48) wieder auf Tour. Vergangene Woche waren sie dort, wo perspektivlose Kleinkriminelle üblicherweise ihre Freitagabende verbringen: in der NDR-Talkshow.

Noch nie sahen Menschen so alt aus, die in der Zeit stehen geblieben sind

Wer gedacht hätte, dass Erkan und Stefan mit Trainingsanzügen von Paris Saint-Germain auftreten und die Witze ihres Partners mit einem “Lelele” untermalen, hat ihre Anpassungsfähigkeit überschätzt. Auch Moderatorin Barbara Schöneberger soll ja die niedlichen Assis von damals wiedererkennen.

Auf die Frage, was er die letzten Jahre so gemacht habe, antwortet Erkan deshalb: “Viel Sex, viel scharfe Bunny, viel Playstation.” Noch nie sah jemand, der in der Zeit stehen geblieben ist, so alt aus. Aber auch Stefans Auftritt wirkt so hilflos wie der Versuch eines Vaters, seinen pubertierenden Sohn aus der Masturbationshöhle zu locken, indem er auf der Musikanlage im Wohnzimmer das neue Capital-Bra-Album laufen lässt. Man kann für alle Beteiligten nur hoffen, dass es ganz schnell vorbei ist.

Dass Simbeck und Friedmann die Rap- und Humorbranche in Ruhe lassen, um wieder das tun, was sie die letzten zwölf Jahre gemacht haben. Simbeck saß zum Beispiel für die SPD im Kreistag einer bayerischen Provinz. Da sollte er vielleicht dranbleiben. Die können ein paar Straßenoriginale gut gebrauchen.

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