Es führt kein Weg an einer Oasis-Reunion vorbei

Update: Ehrlich gesagt: Wir schütten die ekligen Teeblätter weg, die am Becherboden kleben bleiben. Wir lesen auch nicht willkürlich aus Handflächen oder gießen zu Silvester lächerliche Bleifiguren. Und trotzdem, offenbar hat die Noisey-Crew doch hellseherische Fähigkeiten. Wahrscheinlich ist ihnen beiden die Kohle ausgegangen. Oder sie hegen doch noch ein bisschen Zuneigung zueinander? Uns ist’s egal, fest steht: Liam und Noel planen jetzt, Mitschnitte der legendären 1996er Knebworth-Konzerte, die sie vor gesamt 250.000 Fans vorgetragen haben, per Live-CD und super-extended Dokumentation zu veröffentlichen. Und auch, wenn sie das offenbar nur for the money und nicht for the love machen: bleiben wir doch naiv und malen uns eine schöne, glorreiche Wiederzusammenfindung aus. Brothers in arms.

„Beady Eye are no longer. Thanks for all your support. LGx” Liam Gallagher steht also wieder alleine da. Nachdem sein Bruder ihm schon 2009 dezent den musikalischen Mittelfinger entgegengestreckt und beschlossen hat, sich dessen Sauereien nicht länger anzuhören, geht’s offenbar auch dem Rest der Band so, mit dem Liam „Beady Eye” gegründet hat.

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We can’t stop crying our hearts out. Richtig erkannt, das wird wieder so ein Artikel, der strotzt vor popkulturellen Referenzen beziehungsweise teils willkürlich, teils angeberisch eingestreuten Songtextzitaten. Dafür haben Oasis aber auch einfach zu viele Gassenhauer hinausgeschmettert, als dass man das vermeiden könnte. An die Haters: Seid nicht beleidigt, nur weil ihr nicht alles auswendig zitieren könnt.

Nachdem—wie gesagt—im August 2009 die Schreckensnachricht der lange schon absehbaren Trennungsgerüchte rund um Oasis bestätigt wurde, ist etwas in uns zerbrochen. Da hätten auch Gin & Tonic nicht geholfen. Oasis waren und sind einfach die verdammt nochmal beste englische Indierockband, die die Welt je erleben durfte. Und jeder, der etwas anderes behauptet, sollte mal ein bisschen musikalische Früherziehung nachholen. Wo wart ihr denn, als Wonderwall noch kein Schlager auf jedem noch so abgesifften Dorffest war, wo noch nicht jeder peinlich unwissende 16-Jährige diesen heiligen Text volltrunken mitgrölen konnte. Wo wart ihr, als Liam ausgezeichnet wurde für den Best British Haircut (damn right, der Pilz ist back!). Wo wart ihr, als die runden Sonnenbrillen wieder trendy wurden. Natürlich, Haters gonna hate. Weil an dieser Stelle aber voll und ganz für Oasis eingestanden werden soll, muss auch dementsprechend gegen die Neider gewettert werden. Dies soll klarerweise keinen Angriff auf persönliche Befindlichkeiten darstellen, sondern viel eher ermutigen zu einer Liebe, die doch in Wahrheit in uns allen brodelt.

Eben diese Situation hat uns zu Folgendem angeregt: Listen up, wir wollen jetzt an beide Brüder Gallagher appellieren. Hier aufgelistet einige Gründe, wieso eine Oasis-Reunion einfach unumgänglich ist – musikalisch, liebestechnisch, ach Scheiße ganz einfach, weil wir es so wollen:

Foto: Jill Furmanovsky

FACE IT—BEZIEHUNGEN BRINGEN NUN MAL PROBLEME

„Stand by me, nobody knows the way it’s gonna be”: Na kommt schon, ganz ehrlich, was ist eine Romanze ohne die troubles, eine heiße Affäre ohne die Seitensprünge? Gain ohne pain? Ganz genau: ein trockenes Stück Brot, an dem die Butter mal eben so vorbeispaziert ist. Nick Cave ohne die Seeds. Jack White ohne seine Exfrau (oder ist sie doch seine Schwester?), Trent Reznor ohne… nun gut, nur Genius Trent braucht wirklich niemanden außer sich selbst.

Nichtsdestotrotz: Liam ohne Noel. Wir wissen, ihr hattet es nicht immer leicht. Der Vater, der euch verprügelt hat, die früh sich abzeichnenden Drogen- und Alkoholprobleme, die nicht geschafften Schulabschlüsse (ach scheiß drauf, wer braucht ein Abschlusszeugnis, wenn er im England der 90er großgeworden ist und genauso gut eine Rockband gründen kann). Da stehen euch schon einige Sachen im Weg. Aber wir raten euch hier jetzt mal was, aus paartherapeutischer Sicht: Zusammen könnt ihr die Krise überstehen. Springt über den Schatten, verkauft den Schweinehund, verbrüdert euch wieder. Gemeinsam gegen den Rest der Welt! Einer für alle (um keinen der beknackten All-for-one-Sprüchen auszulassen)! Wahrscheinlich hat der richtige Bruderzwist schon 1994 begonnen, als Liam einmal besoffenerweise beschlossen hat, mal kurzerhand alle Gäste einer öffentlichen Bar zu Noel ins Studio einzuladen, der—fleißige Arbeitsbiene, die er nun einmal ist—brav am Debüt der Band gebastelt hat. Da hatte dann sogar er die Schnauze so richtig gestrichen voll, geendet hat es in einer schönen Drescherei inklusive Cricketschlägern. Wir sehen also, hier steckt viel Aggressionspotential dahinter. Doch: Nur wenn zwei verbitterte Workingclass-Arschlöcher, die ihr nun einmal wirklich seid—wer das nicht glaubt, möge bitte einmal die Statements lesen, die diese beiden über Musikerkollegen haben laut werden lassen—sich zusammen tun, kann auch Großartiges entstehen. Das hat dann viel mit negativer Energie, die sich in positive verwandelt, zu tun. Minus und minus wird zu plus, das weiß doch mittlerweile wirklich jeder. Selbst ohne Schulabschluss.

photo credit: dullhunk via photopin cc

SORRY NOEL, ABER LIAM IST EINFACH DIE GEILERE SAU

Es wurde schon mehrmals betont, soll aber auch an dieser Stelle noch einmal ausführlich begründet werden. Noel ist super, gar keine Frage. Er ist der solide Typ, den man zwar trotzdem nicht seiner Mutter vorstellen will, aber immerhin eine beruhigende Nonchalance ausstrahlt. Der zwar schal wirkt, aber ziemlich viel auf der Platte hat. Als Teen entwirft er schon „Live Forever”, einen der späteren größten Hits, mal ganz abgesehen davon, dass sowieso Stücke wie „Wonderwall” oder „Don’t look back in anger” auf seinem Mist gewachsen sind. Nichtsdestotrotz hat Liam eindeutig den Bruderkampf gewonnen. Sei das deshalb, weil man auf Mistkerle einfach ein Auge werfen muss oder schließlich doch die gottgleiche Pose, die er beim Singen einnimmt (ach du je, wem beim Anblick Liams, der die Hände am Rücken zusammennimmt und sein Kinn Richtung Mikro streckt, nicht die Knie weich werden, kann sich genauso gut das kalte Herz aus der Brust reißen lassen)—er steht einfach drüber. Verdammt, wir stehen eben drauf, wenn wir im Publikum stehend von der Bühne aus angespuckt werden. Wenn wir uns ausgenutzt fühlen, wenn wir Liam auf die Nerven gehen dürfen, was er uns auch allzu gern wüst zur Schau stellt. Welches unaufgearbeitete Kindheitsdrama hier auch immer tiefenpsychologisch begraben liegt, sparen wir uns die Analyse, die Narrenfreiheit bekommt er. Was wir hier vor uns haben ist englisches Proletariat vom Feinsten, hochgespielt in den Charts der Insel und später der Welt, rotzfrech, überheblich, unangenehm und einfach der Hero einer Jugend der 90er Jahre.
Schlussendlich, lieber Noel, kannst du zwar super Platten im Alleingang produzieren, das hast du eindeutig bewiesen, aber im Endeffekt wird unsere Liebe für diese niemals an die Leidenschaft heranreichen, die ihr uns gemeinsam als Oasis entlockt habt. Sorry, but: not gonna happen.

NATÜRLICH GIBT ES AUCH MUSIKALISCHE GRÜNDE

Nun denn, da dies ein musikkritischer Artikel sein soll, sollte er sich also unabhängig von Teenie-Verliebtheiten auch dem Business an sich widmen. Während Liam jetzt also sein Soloprojekt endgültig an den Haken gehängt hat, zieht Noel eine Solokarriere auf, dass einem die Ohren nur so flattern. Dass er zwar der langweiligere, statisch-stoische Bruder ist, ist nach wie vor klar. Schade für Liam, doch gut für uns hat er aber offensichtlich das bessere Händchen, wenn schon nicht zum absoluten Groupiestar, dann doch zum Songwriting. Schon sein erstes Album mit den „High Flying Birds” war kurz gesagt eine absolute Frechheit—im positiven Sinne—definitiv der Knaller am Indie-Musikmarkt 2011. Jetzt kündigte er für Februar 2015 sein zweites Soloalbum und gleichzeitig einige Dementi bezüglich einer Wiedervereinigung von Oasis an. Also so geil du das auch kannst, Noel, alleine deine Songs zu schreiben und auf Vinyl zu pressen, wir finden das gar nicht so wahnsinnig witzig. Einerseits ist die Musik, die du produzierst, einfach zu gut, um sie zu hassen, dabei aber erinnert sie uns doch immer an den herben Verlust, den wir 2009 hinnehmen mussten. Eine zwiespältige Angelegenheit. Noch dazu, weil wir mit zumindest einem weinenden Auge Liam dabei zugesehen haben, wie er höchstens einen mittelklassigen Abklatsch dessen mit seiner Band Beady Eye produziert hat, den wir aus diesen Reihen normalerweise gewöhnt sind.

Fazit: Wie gesagt schreibt Noel zwar die feineren Songs, Liam verkauft sie aber schlichtweg besser. Das Rampensautum von Liam gepaart mit Noels unbestreitbar exzeptionellem musikalischen Talent ist hier die einzige Lösung. Basta.

photo credit: Christoph! via photopin cc

GO BIG OR GO HOME—VERSCHWENDET NICHT EUREN WELTRUHM

„I sold my soul for the second time, cos the man, he don’t pay me”: Schlussendlich bleibt zu sagen, dass Oasis sich zwar in England schon mehrere goldene Plombensätze verdient haben, aber ihr Ruhm geht natürlich viel weiter. Eigentlich liebt man sie ja weltweit. Deshalb: Keep on. Man sollte, wenn man sich in solch einer Position befindet, nicht einfach alles hinschmeißen (Stichwort Weltherrschaft). England bringt ja nach wie vor ganz nette Newcomer hervor, aber ehrlich gesagt, das große Jahrzehnt der besten Brit-Bands waren und bleiben die 90er. Damon Albarn ist zum Beispiel auch noch so ein Genius, der sich zwar nicht auf den Thron setzen darf (da sitzt wie gesagt neben Elizabeth, der alten Schrulle, Liam, dann gleich, doch ein bisschen versetzt dahinter, Noel), aber dessen musikalische Leistungen in besagtem Sektor immerhin für den Ritterschlag ausreichen dürften. Unterm Strich aber, um es noch einmal zu betonen, nehmt ihr, liebe Gallagher-Brüder, Ausnahmestatus ein. Leichtfertigkeit hilft euch da nicht weiter, irgendwann ist auch unsere Geduld am Ende.

Foto: Jill Furmanovsky

SHIT. JUST DO IT!

Nein, wir machen hier keine Werbung für diverse Sportmarken. Das ist eine direkte Aufforderung an eine Band, die in der Lage ist, uns schönste Stunden zu schenken. Im Endeffekt bitte wir nicht um die Reunion, wir verlangen sie. Und wir wollen vor allem mehr, als nur eine lahme Neuauflage des größten Albums, What’s the Story, Morning Glory—das ist viel weniger als nur zu wenig. In Ordnung, wir wissen auch, dass Noel eigentlich die Schweinebacke ist, die sich weigert. In einem Interview kürzlich hat er verlautbart, dass er um fünf Milliarden Pfund ein Get-Back-Together mit Bruder Liam in Betracht ziehen würde. Dann meinte er, dass es ihm eigentlich scheißegal sei, ob fünf Milliarden Pfund, Kondome oder pot noodles. Nur die Zahl der fünf Milliarden sei wichtig. Na komm schon Noel, stell dich nicht allzu großkotzig an. Wenn du willst, sponsern wir die Kondome. Oder auch gern die Teigwaren. Hör doch selbst auf das, was du seit Jahren voller Innbrunst predigst: Don’t look back in anger.

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