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Es gibt nicht genügend nachhaltiges Fleisch auf dieser Welt, um deine Fast-Food-Sucht zu befriedigen

Anfang des Jahres 2014, vielleicht als eine Art Neujahrsvorsatz, verkündete McDonald’s der Welt, dass das Unternehmen bis 2016 für einen Teil ihrer Burger Rindfleisch aus nachhaltiger Produktion beziehen will. Walmart äußerte im Oktober 2012 eine ähnliches Vorhaben. Der Konzern will kein Fleisch von Kühen mehr verkaufen, die auf dem Stück Land grasten, das früher Teil des brasilianischen Amazonas war. Die Deadline ist Ende 2015.

Beide Unternehmen haben also nicht mehr viel Zeit. Klar existieren verschiedene Definitionen von „nachhaltig”. Der allgemeine Konsens besagt, dass Lebensmittel als solche bezeichnet werden dürfen, deren Produktionsprozess für die ökologische Gesundheit und wirtschaftliche Sicherheit der Bauern sorgt, indem sozial gerechte Praktiken eingesetzt und nichterneuerbaren Ressourcen effizient genutzt werden.

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Anders als bei „biologisch”, dem Lieblingskind guten Essens und der Bestimmungen der Regierung, gibt es keine formalen Anforderungen und es werden keine Zertifikate benötigt, um etwas „nachhaltig” nennen zu dürfen. Wenn ich also sage, dass dieser Burger nachhaltig ist, dann musst du mir einfach glauben.

Ab November wird es dank des Global Roundtable for Sustainable Beef (GRSB) etwas geben, das einer weltweit vereinbarten Definition sehr nahe kommt. Das GRSB ist das erste Kommitee, das die größten Rindfleischproduzenten der Welt— Cargill, Tyson und JBS aus den USA und Marfrig, der größte Lieferant in Brasilien—antreibt, darüber zu sprechen, wie sie aufhören können, die Umwelt zu zerstören. Die Diskussionen werden von einem sehr bereisten Executive Director, Ruaraidh Petre, geleitet, der bereits Erfahrung in der Nachhaltigkeitsarbeit mit Lebensmittelproduzenten in Indien, Pakistan und Botswana hat. Petre hat eine große Aufgabe vor sich und das Problem einer einheitlichen Definition ist nur der Anfang davon.

„Wir haben keine Vorstellung, wie viel des derzeitig weltweit produzierten Rindfleischs wirklich nachhaltig ist.”, erzählte er mir in seinem Büro in den Niederlanden. „Wir müssen in den Griff bekommen, was unsere Mitglieder machen und rausfinden, ob es auch funktioniert.”

Wenn die wichtigsten Definitionen erst einmal festgelegt sind, wird es für jedes Land runde Tische geben. Obwohl die USA noch keine offiziellen Schritte in diese Richtung gemacht hat, haben Kanada und Brasilien bereits Gremien eingeführt. In der Zwischenzeit wird der GRSB an einem umfassenden System zur Datenerhebung über die Situation in der weltweiten nachhaltigen Rindfleischindustrie arbeiten. Es ist eine beängstigende Aufgabe: Es gibt allein in den USA 729 000 Rindfleischproduzenten und es wird ziemlich schwierig werden, dass sich so viele Leute auf etwas einigen. Ganz zu schweigen davon, einen klaren Überblick zu bekommen, was auf den Bauernhöfen passiert. (Siehe die Flut an sogenannten „ag-gag laws”, die plötzlich überall in den USA auftauchen und die das Aufdecken von Tieresmisshandlung und/oder des Missbrauchs landschaftlicher Ressourcen zu verhindern versuchen oder sogar gänzlich verbieten.)

„Ein offizielles nationales Zertifizierungsprogramm einzuführen, ist aufgrund der Komplexität des Systems eine große Herausforderung.”, schrieb mir Dr. Kim Stackhouse-Lawson, Leiter der Nachhaltigkeitsforschung der National Cattlemen’s Beef Association, in einer Email. „Ein Viehzüchter in Georgia arbeitet mit ganz anderen Ressourcen, als einer in Idaho. Deshalb kann eine Einheitsmethode für Nachhaltigkeit einfach nicht nachhaltig sein.”

Wie läuft es denn mit McDonald’s Bemühungen, 118 Millionen Kilo Rindfleisch aus nachhaltiger Produktion zu beziehen? Jon Rump, Manager of Global External Communications von McDonald’s sagte VICE in einer Email: „Wir haben vor, bis 2016 einen Teil unseres Rindfleischs von verifizierten nachhaltigen Erzeugern zu beziehen. Länder wie Brasilien, Australien and Kanada sind führend im Bereich der nachhaltigen Rindfleischproduktion. Es ist wahrscheinlich, dass ein Teil unseres verifizierten nachhaltigen Rindfleischs, das wir bis 2016 kaufen werden, aus einem dieser Länder stammt und auch dort verkauft wird. Unser Vorsatz lautet nicht, in allen unseren Restaurants bis 2016 nachhaltiges Rindfleisch zu servieren. Wir werden unsere Pläne für 2020 und danach unserem Wissen und unseren Lernfortschritten anpassen. Das GRSB und seine Mitglieder haben eifrige und hilfreiche Arbeit geleistet, den Kurs der gesamten Rindfleischindustrie festzulegen.”

Ich fürchte das ist leichter gesagt, als getan. Frag mal die Fast-Food-Kette Chipotle, die dieses Problem schon seit Jahren thematisiert. Der Fast-Food-Liebling der Nachhaltigkeit hat derzeit ungefähr 1650 Filialen auf der ganzen Welt und mindestens 180 neue werden 2014 dazukommen. Das Unternehmen hatte letztes Quartal Einnahmen von fast 450 Millionen Euro—Kleingeld im Vergleich zu Walmarts 95 und McDonald’s’ 8 Milliarden, aber trotzdem nicht unbeträchtlich.

Aber egal wie viel Geld du auch hast, du kannst dir keine Nachhaltigkeit kaufen, die zur Zeit nicht existiert. Chipotle kaufte im Jahr 2013 20 Millionen Kilo „nachhaltig gezüchtetes” heimisches Rindfleisch, aber ein Rindfleischengpass führte dazu, dass das Unternehmen mehr Fleisch aus Australien beziehen musste. Chipotle warf sogar kurzfristig seine Nachhaltigkeitsstandards über Bord, weil einfach nicht genug geliefert werden konnte.

Nicht einmal Chipotle würde das als ideales System bezeichnen, aber die Nachhaltigkeits-Bewegung ist einfach nicht für dieses Ausmaß gemacht. Chipotle hat 1650 Filialen. McDonald’s hat allein in den USA 14100 (das restliche globale Imperium lassen wir mal außer Acht). Kühe haben eine 30-monatige Trächtigkeitsdauer und anders als bei Hühnern, die innerhalb von 60 Tagen ausgewachsen sind, haben wir noch keinen Weg gefunden, diese Zeit zu verkürzen.

Von all den Kühen, die in Amerika gezüchtet werden, werden ungefähr 5% mit Weidegras gefüttert, was für manche als Kriterium für eine nachhaltige Rindfleischproduktion gilt. Dazu kommt die Tatsache, dass die Rindfleischversorgung in den USA den tiefsten Punkt seit 60 Jahren erreicht hat. Jeder, der versucht, an eine verlässliche Quelle für nachhaltiges (besonders mit Weidegras gefüttertes) Rindfleisch zu kommen, ganz zu schweigen von Millionen von Kilos, wird vor einem Problem stehen.

„Wir hatten Schwierigkeiten mit der Rindfleischversorgung, [weil] sie flächendeckend schrumpft.”, sagt Chris Arnold, Chipotles Kommunikationschef. „Wir verwendeten dieses Jahr 35% mehr Fleisch im Vergleich zum Vorjahr. Diese Diskrepanz haben wir mit Weiderindfleisch aus Australien ausgeglichen.”

Forscher stimmen zu, dass die Nachfrage durchaus da ist, aber die Versorgung nicht nachkommt. „Die Wertschöpfungskette unserer Bauern ist für diese Zwecke unterentwickelt.,” erzählt mir Ferd Hoefner, der Policy Director der National Sustainable Agriculture Coalition. „Wenn jemand mit der Größe von McDonald’s die Hoffnung hat, seine Kunden mit dem zu versorgen, was das Unternehmen unter nachhaltigem Rindfleisch versteht, müssen sie entweder ihre Standards runterschrauben oder ihr 2016-Ziel nach hinten verschieben.”

Während Rindfleisch derzeit zu Rekordpreisen gehandelt wird und McDonald’s immer noch 1 Euro für einen Cheeseburger verlangt, kommt es dir vielleicht plötzlich ein bisschen dubios vor, dass das Fleisch in deinem Burger innerhalb von zwei Jahren „nachhaltig” sein soll.

Das Unternehmen hat aber einen großen Vorteil: Geld. „Die größeren Firmen haben mehr Einfluss auf die Wertschöpfungskette. Wenn du biologisches Fleisch in dieser Größenordnung kaufst, hast du natürlich mehr Macht als wir.”, sagt Arnold.

Kaufkraft beiseite, McDonald’s verkauft Hamburger, also können sie weniger wählerisch sein und einen größeren Teil der nachhaltig gezüchteten Kuh verwerten als Chipotle, die nur zwei bestimmte Teile des Rinds für ihr nach Wunsch gegrilltes Steak verwenden. „Wir kaufen 23% des ganzen Tieres.”, sagt Arnold. „Das bedeutet, dass die Händler Käufer brauchen, die bereit sind, einen Aufschlag zu zahlen, um für den Rest des Tieres aufzukommen. „Wir brauchen Leute, die die anderen 77% kaufen wollen, damit das, was wir brauchen, verfügbar bleibt.”

Es wird sich zeigen, ob McDonald’s, Walmart und andere große Konzerne ihre Marketingversprechen einhalten können. Die offiziellen Definitionen und die selbst gesetzten Deadlines, innerhalb derer sie sich auf die Sonnenseite der Lebensmittelproduktion und -versorgung begeben müssen, erscheinen noch am Horizont. Diese Unternehmen aber für das, was mit unserem Essen passiert, bevor es auf unseren Tellern landet, zur Verantwortung zu ziehen, wird erst richtig schwer durchzusetzen sein.