Es ist vielleicht gar nicht so dumm, an Aliens zu glauben

stephen hawking

Thomas würden die meisten wohl als “normal” bezeichnen. Er ist ein erfolgreicher Biotechniker, er hat eine Frau und ein Kind. An den Wochenenden geht er gern spazieren und ins Restaurant. In seiner Arbeit erschafft er bahnbrechende Technik, die kranken Menschen hilft. Doch die Inspiration für einige seiner erfolgreichsten Entwicklungen teilt er nicht öffentlich. Denn dann fänden viele Thomas wohl nicht mehr so normal. Deswegen verwenden wir hier auch nicht seinen richtigen Namen.

Thomas’ Ideen kommen von “nicht-menschlicher Intelligenz”. Zumindest sagt er das im Gespräch mit VICE. Unter anderem hat er schon ein Implantat entwickelt, das so mit Lasern graviert wird, dass der Körper des Empfängers das Implantat für einen Teil des eigenen Gewebes hält. Außerdem hat Thomas eine Methode entwickelt, um mit uralten Stammzellen Schmerzen bei Krebskranken zu lindern. Aber seine Ideen, so sagt er, sind eben nicht seine. Sie sollen aus einer übernatürlichen Quelle kommen, vielleicht seien sie sogar außerirdischen Ursprungs.

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Seine Vorgehensweise bei der Forschung war bei seinen bisherigen Projekten nicht gerade transparent: Er habe den Wissenschaftlern, die er für sein Team anwarb, nie gesagt, woher er die Ideen hatte. “Erstens hätten sie mich dann für seltsam gehalten”, sagt Thomas. “Zweitens, und das ist noch viel wichtiger: Wenn sie die Wahrheit gekannt hätten, dann hätten sie meine Vision niemals umsetzen wollen. Weil das nicht in ihre Weltsicht passt.”


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Schon seit in unserer Welt von außerirdischen Ufos die Rede ist, werden Menschen, die an sie glauben, als Sonderlinge angesehen – der Physiker Stephen Hawking war ein berühmter Vertreter dieser kritischen Ansicht. Auf der anderen Seite gibt es auch Nobelpreisträger, die selbst von Begegnungen der außerirdischen Art berichten. Zum Beispiel den Mathematiker John Nash und den Biochemiker Kary Mullis. Selbst der gefeierte Evolutionsbiologe Richard Dawkins, der für seinen strengen Atheismus bekannt ist, hat schon gemutmaßt, dass unsere menschliche Zivilisation außerirdischen Ursprungs sein könnte.

Abseits der heiligen Hallen renommierter Universitäten ist der Glaube an Aliens allerdings noch verbreiteter. Wie neue psychologische Forschung zeigt, nimmt er aktuell sogar rasant zu. Bei den Recherchen zu meinem Buch American Cosmic: UFOs, Religion, Technology habe ich gesehen, dass gerade Technik-Unternehmer wie Thomas Außerirdischen überraschend aufgeschlossen gegenüberstehen. Wer wie ich Ufo-Gläubige mit hohem Bildungsstand eine Weile begleitet, stellt schnell fest: Die Überzeugung, dass nicht-menschliche Intelligenz irgendwo da draußen existiert, hat immer größeren Einfluss auf unsere Gesellschaft, nicht nur im Entertainment-Bereich.

Der wahrscheinlich erste Tech-Unternehmer, der sich offen zu seinem Ufo-Glauben geäußert hat, ist Jacques Vallée. Der Informatiker und Ufologe arbeitete damals am vom US-Militär finanzierten ARPANET, dem Vorgänger des Internets, wie wir es heute kennen. Tatsächlich experimentierte er während der Arbeit an der neuen Computertechnik auch mit etwas, das gemeinhin als Pseudowissenschaft gilt: Telepathie. Vallée wurde für sein Ufo-Interesse so bekannt, dass Regisseur Steven Spielberg ihn bat, für den Film Unheimliche Begegnung der dritten Art als Berater zu fungieren. Die Rolle des französischen Wissenschaftler Claude Lacombe, im Film gespielt von François Truffaut basiert auf Vallée. Er war einer der ersten Technologen, die sich lautstark für die Erforschung von Ufos eingesetzt haben.

Jacques Vallée hat damit den Weg geebnet für eine ganze Riege von Forschern und Biotechnikerinnen, die daran glauben, dass Alien-Technologie ihnen zum Erfolg verhilft – sei es durch Artefakte, die angeblich aus abgestürzten Ufos stammen, oder durch Informationen, die sie angeblich durch “mentale Downloads” erhalten haben.

Der Gaming-Experte, Technologe und Investor Rizwan Virk sieht ebenfalls einen Trend zum Ufo-Glauben. In einem Artikel für die Website Hacker Noon schreibt Virk, er habe persönlich mit Forschern von Elite-Unis wie Stanford, MIT und Harvard gesprochen, die Alien-Artefakte mit eigenen Augen gesehen hätten. Auch ich habe bei meinen Recherchen solche Forscher kennengelernt. Mehrere von ihnen habe ich zu einer angeblichen Ufo-Absturzstelle im US-Staat New Mexico begleitet. Sie sagten mir zwar, es sei “nicht Roswell”, aber wo genau wir uns befanden, kann ich nicht sagen, weil ich bei der Fahrt eine Augenbinde tragen musste.

Im Grunde ist es gar nicht so überraschend, dass auch reiche, wissenschaftlich gebildete Unternehmer im Silicon Valley an außerirdisches Leben oder sogar an Alien-Technologie glauben. Religionen, Spiritualität und Überzeugungen sind Produkte ihrer Umgebung. Unsere moderne Realität ist stark geprägt von Unterhaltungsmedien und digitalen Welten – man denke nur an die Jedi-Religion, die aus dem Star Wars-Universum in unser eigenes geschwappt ist. Die verbreitete Überzeugung, dass Ufos und Aliens existieren, wurde uns nicht nur durch Bücher – inklusive religiösen Schriften – vermittelt, sondern auch durch Filme, Computer und Handys.

Vielleicht ist das der große Wendepunkt, den wir gerade erreichen: Langsam geht unserer Gesellschaft auf, dass die Vorstellung von außerirdischem Leben eben gar nicht so unwissenschaftlich ist. NASA-Forscherinnen und – Forscher sind überzeugt, dass sie Leben auf anderen Planeten finden können, ob nun in Form von Mikroben oder komplexeren Lebensformen. Das unterscheidet diesen Glauben von den traditionellen Religionen. Denn Christen und Muslime können – und wollen – nicht erwarten, dass der wissenschaftliche Beweis für Gottes Existenz jeden Moment gefunden wird.

Selbst mit der Aussicht darauf, dass wir irgendwo im Universum auf Leben stoßen, fliegen die Schlüsselfiguren dieser neuen Form der Religiosität weiterhin unter dem Radar. Den Grund für die Geheimniskrämerei von Thomas und den anderen bezeichne ich gerne als den John-Mack-Effekt. John Mack war ein forschender Psychiater, der an der Harvard-Universität arbeitete und mit einem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde. Durch seine Qualifikationen und Forschungserfolge hätte seine akademische Karriere nicht besser laufen können. In den 1990er Jahren begann er aber damit, Menschen zu untersuchen, die behaupteten, mit außerirdischen Wesen in Kontakt gewesen zu sein. Bei diesen Forschungen beachtete Mack alle wissenschaftlichen Vorgaben seines Fachbereichs und kam zu dem Schluss, dass seine Probanden – abgesehen vom Glauben an Aliens – in jeder Hinsicht normal seien, also weder wahnsinnig noch krank.

Das Buch zu diesen Forschungen, Entführt von Ausserirdischen, wurde schnell zum Bestseller. Es führte allerdings auch dazu, dass Harvard eine interne Untersuchung zu John Macks Arbeit einleitete. Die Verantwortlichen wollten wissen, warum sich der Psychiater überhaupt mit Menschen beschäftigte, die an Dinge wie Aliens glaubten. Macks Forschungen gefährdeten seine Karriere, die durch das Buch entfachte Publicity sowie die interne Untersuchung ließen ihn verrückt erscheinen. Da kam Alan Dershowitz ins Spiel, ein Anwalt und Professor an der Harvard Law School, dem das Thema akademische Freiheit sehr am Herzen liegt. Dershowitz gehörte zu mehreren Akademikern, die Mack öffentlich in Schutz nahmen. Zwar stellte sich heraus, dass bei Macks Forschungen alles korrekt lief, aber sein Ruf war dennoch beschädigt. Und das Ganze hatte zur Folge, dass kaum mehr Stipendien für die Forschung zu Ufos vergeben wurden. Niemand wollte mehr den eigenen Ruf aufs Spiel setzen.

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Aber was ist nun der Schlüssel dazu, irgendwann andere Planeten, Galaxien oder Universen zu bevölkern? In einer Präsentation im Consortium for Space Genetics an der Harvard Medical School ist die Rede davon, dass die Menschen am besten für die Erforschung des Weltraums geeignet seien, die in der Lage sind, übernatürliche Dinge zu erkennen – also eine Art sechsten Sinn besitzen. Hinter dieser Präsentation steckt Garry Nolan, ein Molekularbiologe mit Fokus auf Genetik an der Stanford-Universität. In seiner Präsentation bezeichnete Nolan die Gehirne solcher Menschen als “hyper” und erklärte, dass es bei der Erforschung des Weltraums viele Gefahren gebe, etwa Strahlung oder die langsamen Raketenantriebe. Wegen solcher Faktoren setze die NASA verstärkt auf Rover-Fahrzeuge und andere Entdeckungstechnologien. Nolan ist davon überzeugt, dass die Menschen, die in Sekundenbruchteilen die richtigen Entscheidungen treffen, die Erforschung von außerirdischen Zielen übernehmen sollten.

Komischer- oder vielleicht auch passenderweise bringt uns das Konzept dieser Hyperintuition zurück zu Vallée. Der zählt “Discernment”, also gutes Urteilsvermögen, zu den effektivsten Forschungsmethoden, wenn es darum geht, sich mit dem Thema Ufos auseinanderzusetzen. In anderen Worten: Man muss in der Lage sein, auch ohne relevante Informationen den richtigen Weg einzuschlagen und das angepeilte Ziel zu erreichen. Der Begriff leitet sich vom griechischen “Aisthesis” ab, was den Vorgang beschreibt, jegliche Ablenkung so lange auszublenden, bis man die Wahrheit erkennt. Nolan stellt in seiner Arbeit eine Verbindung zwischen Aisthesis und einem tatsächlichen Korrelat im menschlichen Körper her, das möglicherweise verändert oder – laut Thomas’ Forschungen – verstärkt werden kann. Wie die Ansichten dieser Wissenschaftler zeigen, verschwinden die Grenzen zwischen Technologie und menschlichem Körper immer weiter.

Wohin wird uns diese Bewunderung für nicht-menschliche Intelligenz führen? Neue religiöse und spirituelle Ansätze schließen auch Technologie, die Zukunft und die Aussicht auf fast unvorstellbare Infrastrukturen im Weltall und auf der Erde mit ein. Und wir haben es mit einer neuen Form der Religion zu tun. Eine Form, die nicht allein auf Glauben basiert, sondern auch darauf, dass ihre Thesen wahr sein könnten.

Oder wie es Vallée sagt: Die gefühlte Absurdität der Thesen bedeute nicht, dass sie falsch sind.

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