Fotos: Maike Frye
Zugegeben, der Bandname Esben and The Witch verleitet uns zu der Annahme, dass das Trio aus Brighton eine Vorliebe zur Hexerei hegt und in ihrer Freizeit vorzugsweise ins Gruselkabinett geht. Und die Tatsache, dass ihre Songs mit einen gewaltigen Hauch Darkwave und Gothic untermalt sind, macht es nicht besser. Mit dieser gewonnenen Erkenntnis, haben wir uns auf den Weg zum Interviewtermin gemacht, mit der Erwartung drei in sich gekehrte und düstere Gestalten vorzufinden, die zum Lachen lieber in den Keller gehen.
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Zu unserer Überraschung kam es zum genauen Gegenteil: Euphorisch und bestens gelaunt begrüßten uns Daniel, Rachel und Thomas und drückten uns gleich ein Bier in die Hand. Im Januar haben Esben and The Witch ihr zweites Album Wash Your Sins Not Only The Face veröffentlicht und erzählten uns beim Interview, weshalb sie ihren Bandnamen nicht zu ernst nehmen, dass sie nicht von Märchen besessen sind und warum Kinder dem Childcatcher aus Chitty Chitty Bang Bang lieber aus dem Weg gehen sollten!
Daniel: Bier?
Noisey: Gern! Stoßen wir doch erst mal an, bevor das Interview losgeht…
Rachel: Haha. Alle Interviews fangen so an.
Ihr habt eine besondere Location gewählt, um an dem Album zu arbeiten. Eine Hütte, richtig?
Daniel: Das erste Album haben wir im Laufe von zwei oder drei Jahre geschrieben. Das neue Album wollten wir wirklich in einem Rutsch schreiben, in einer Denkweise und an einem Platz. Wir haben diese Hütte auf dem Land gemietet, East Sussex. Und außerdem wollten wir von Brighton wegkommen. Sicher, es ist toll, verschiedene Freunde um sich herum zu haben und verschiedene Dinge, die man machen kann. Aber es ist eben auch gut, eine etwas fokussiertere Denkweise zu bekommen. Das war so ziemlich die Motivation. Oder nicht?
Thomas: Ja. Wir haben nur an dem Album geschrieben, wenn wir dort waren. Im Grunde sind wir hinaus, um dem normalen Leben in Brighton zu entkommen und um lieber auf dem Land zu sein. Wir wurden von verschiedenen Einflüssen umgeben.
Daniel: Von gewaltigen Landschaften…
Thomas: Das Album ist mehr durch unseren Fahrten durch Amerika inspiriert … von dieser gewaltigen Weite. Wir haben also Bilder und Fotos aufgehängt und Wein getrunken.
Wann habt ihr angefangen, an dem Album zu arbeiten?
Rachel: Letzten Winter in etwa.
Also habt ihr quasi ein Jahr in einer Hütte verbracht?
Daniel: Haha, nicht ganz.
Rachel: Das wäre fantastisch.
Daniel: Das ist der nächste Plan. Irgendwo hinzugehen, wo wir schreiben und aufnehmen können. Vielleicht sogar in Deutschland, wenn wir den richtigen Platz dafür finden. Irgendwo, wo wir ein halbes Jahr bleiben können, wo wir dann schreiben, aufnehmen … vollkommen an diesem einen Ort. Manchmal ist es seltsam, sich zwischen verschiedenen Leben zu bewegen, mit deiner Band zu sein und dann kehrst du zurück in dein alltägliches Leben, zur Arbeit oder was auch immer. Von daher wäre es schön, das zu einem verbinden zu können.
Wie lief die Zusammenarbeit zwischen euch?
Thomas: Es war gut. Vielleicht sogar besser als es je zuvor. Jeder macht sein eigenes Ding. Das ist cool. Bei der ersten Platte, als wir anfingen, hat sich jeder ein anderes Instrument geschnappt, um sich daran zu gewöhnen. Jetzt sind wir klarer. Dan spielt Schlagzeug. Er hat Gitarre und Bass für ein paar Tracks geschrieben, aber live spielt er jetzt Schlagzeug. Ich spiele Gitarre und ein bisschen Keyboard. Rachel ist ganz offensichtlich das Steuer an den Lyrics … mit ihrem kleinen Buch.
Daniel: Mehrere Bücher … Haha.
Thomas: Stimmt.
Daniel: Es fühlt sich besser an, eine Rolle zu haben. Deshalb sind wir auch gespannt auf die zukünftigen Shows. Jeder von uns tut etwas. Und das tut er sehr gut.
Euer Album beschäftigt sich viel mit dem Thema innere Zwiespältigkeit und von dem Gefühl, vor verschiedenen Wegen zu stehen. Sind das eure eigenen Gedanken und Gefühle?
Rachel: Es ist ein Mix aus beidem. Vor über einem Jahr kam uns die Idee mit dem Titel des Albums und der Gedanke an Dualität und Doppelgänger. Die Frage, wie es ist, zwei verschiedene Wege zu folgen und Entscheidungen zu treffen. Das hat uns zum Nachdenken gebracht. Wir haben versucht, unsere eigenen, persönlichen Erfahrungen damit zu verbinden.
Erst stand der Titel fest und dann entstanden die Songs?
Daniel: Genau. Wir hatten diese Idee im Kopf. Wir fingen alle an, uns für Doppelgänger zu interessieren, für Dualität und Spiegelbilder.
Thomas: In Amerika … als wir in diesem Hotel ankamen und da war einfach niemand! Wir hatten kein Geld und steckten dort fest. Es war eher wie ein Motel.
Rachel: Das war wirklich unheimlich…
Daniel: Es waren nur wenige andere Menschen dort.
Rachel: Wir konnten nicht wirklich etwas machen, weil wir kein Geld hatten.
Verdammt. Das klingt irgendwie gruselig…
Daniel: Echt gruselig!
Rachel: Haha, ja das war es! Wir hatten total den Jetlag und tagsüber haben wir geschlafen…
Thomas: Und deprimierende Filme geschaut…
Daniel: Wir hatten vielleicht noch 35 Euro auf einer meiner Kreditkarten … Das waren die merkwürdigsten Tage überhaupt.
Thomas: Jedenfalls haben wir dort angefangen, darüber nachzudenken und darüber zu reden. Haha. Es gab einfach nichts zu tun und so sind wir immer zurück zu diesem Thema.
Wash The Sins Not Only The Face und auch euer erstes Album Violet Cries haben teils einen sehr düsteren Hauch, aber eben auch sehr gefühlvolle und verträumte Züge. Darf ich fragen was ihr früher so gehört habt?
Daniel: Für mich persönlich hatten Radiohead und Portishead definitiv einen großen Einfluss auf mich. Gemeinsam sind es Bands wie Godspeed you! Black Emperor. Die hatten großen Einfluss auf uns … zu erkennen, wie gefühlvoll Musik auch ohne Lyrics sein kann.
Thomas: Soundtracks und Landschaften haben uns immer sehr interessiert.
Rachel: Musik zu der man fahren kann. Wir fahren eine Menge. Haha. Ja, ich denke, solche Dinge prägen uns.
Thomas: Drone-Bands hatten Einfluss auf die Gitarre und … Future Islands sind toll.
Future Islands mag ich sehr.
Rachel: Die Energie ist super bei ihren Liveshows.
Thomas: Das ist die Inspiration für Bands denke ich, die Liveshows.
Daniel: Scott Walker ist toll, Bish Bosh. Die Sounds die er benutzt sind unglaublich, dieser gewaltige, menschliche Sound. Das lässt mir wirklich mein Herz aus meiner Brust schlagen, wenn ich das höre. Das ist das Ziel von Musik, dieses Level an Emotionen zu erreichen und die Leute etwas fühlen lassen. Scott Walker und Godspeed haben diese Teile, die schneller und schneller werden. Du merkst wie dein Herz anfängt höher zu schlagen.
Esben and The Witch ist der Titel eines dänischen Märchens. Märchen haben auch diesen leicht düsteren, gruseligen Hauch. Haben euch Märchen und Geschichten immer schon fasziniert?
Rachel: Geschichten auf jeden Fall. Die Leute denken manchmal, auf Grund unseres Bandnamens, dass wir besessen von Märchen sind, was aber nicht der Fall ist. Sicherlich faszinieren sie uns, aber da sind mehr Dinge, die uns inspirieren.
Thomas: Den Bandnamen haben wir ziemlich schnell ausgesucht. Wir haben nicht besonders viel darüber nachgedacht. Er erschien uns angebracht. Und die Songs auf der neuen Platte sind zum Beispiel vielmehr Reflexionen über uns selbst, als über Märchen.
Wo wir schon beim Thema Märchen sind. Habt ihr eine Lieblingsgeschichte? Ich habe jahrelang auf Peter Pan gewartet, allerdings ist er nie gekommen.
Rachel: Hahaha. Eines meiner liebsten Geschichten war The Faraway Tree von Enid Blyton. Da gab es diesen Baum im Wald. Die gelangweilten Stadtkinder begeben sich in das Waldgebiet und finden diesen riesigen Eichenbaum und klettern herauf. Jede Woche ist ein anderes Land an der Spitze des Baumes und so erleben sie diese Abenteuer. Das ist wirklich cool.
Daniel: Ich fand den Rattenfänger von Hameln immer gut. Aber die Geschichte hat eine echt dunkle Botschaft … Haha.
Thomas: Das ist wirklich eines der Extremsten!
Rachel: Rumpelstilzchen…
Daniel: Rumpelstilzchen ist richtig grausam!
Habt ihr euch vor irgendwas oder irgendwem wirklich gefürchtet?
Rachel: Der Child Catcher aus Chitty Chitty Bang Bang. Der ist wirklich furchterregend.
Daniel: Unheimlich.
Rachel: Dieser seltsame Mann mit seinem Hut. Er kommt mit dem Käfig und riecht an den Kindern. Mit seinen dunklen Haaren und dieser komischen Nase … Das hat mir wirklich Angst eingejagt als ich jünger war!
Was ich noch loswerden wollte … Meine Freundin hört viel Black-Metal und findet die Musik die ich höre größtenteils scheiße. Naja, bis auf Manson und Rob Zombie. (Alle lachen) Tatsächlich hat sie mich aber damals gefragt, ob wir nicht zusammen zu eurem Gig gehen wollen…
Rachel: Das ist echt toll!
Daniel: Sehr cool.
War’s euer Ziel verschiedene Typen anzusprechen und nicht ein bestimmtes Genre zu erfüllen?
Rachel: Es war ein ganz natürlicher Prozess, bei allen von uns. Es ist zufällig so passiert. Vielleicht auch deswegen, weil niemand von uns ausgebildeter Musiker war, als wir anfingen.
Thomas: Wenn wir zusammensitzen und schreiben, reden wir nicht über bestimmte Musik und denken uns: Wir wollen so oder so klingen. Wir tendieren eher dazu an Filme zu denken die wir mögen oder an Bücher die wir gelesen haben. Alles was du hörst beeinflusst dich irgendwie und die Art und Weise, wie du an dein Instrument herangehst. Der Film Black Swan hat uns wirklich beeinflusst. Wir haben viel über diesen Film nachgedacht und darüber, wie es ist am Rande zu stehen so wie es im Film der Fall ist.
Daniel: Wenn ich meinen Part mache, denke ich mir, dass ich nichts machen möchte, das bereits jemand anderes getan hat. Es ist auch irgendwie sinnlos etwas zu machen, das schon jemand anderes gemacht hat. Eigentlich diskutieren wir auch gar nicht darüber. Wir schreiben einfach. Wir haben unsere eigene und individuelle Herangehensweise.
Das ist wahrscheinlich der Punkt.
Thomas: Die Leute die zu unseren Shows kommen sind total gemischt.
Rachel: Du kannst es nicht wirklich sagen. Es sind alle Altersgruppen vertreten, Geschlechter und Sexualitäten. Einfach alles. Es ist eine bunte Mischung. Ich schätze es wirklich sehr zu sehen, wenn deine Freundin Black-Metal hört und du Indie, aber euch beiden gefällt unsere Musik.
Daniel: Tatsächlich kommen einige Black-Metal Fans zu unseren Shows. Das zeigt vielleicht, dass es eine Seite an uns gibt, die uns von vielen Indie-Bands wegbringt. Es ist echt ein Kompliment zu sehen, dass so viele verschiedene Leute kommen!
Bis später würde ich sagen! Danke!
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