Screenshot vom YouTube-Video „Deutsche Frauen: IHR habt es in der Hand“
Die Diskussion über die Vergewaltigungen und sexuellen Belästigungen in Köln und in anderen Städten in der Silvesternacht sind noch lange nicht beendet. Gerade heute ist ausnahmslos.org gestartet, eine Initiative, die sich gegen sexualisierte Gewalt und gegen Rassismus ausspricht. Der Bundesinnenminister kritisiert die Polizei, die Polizei widerspricht offiziellen Darstellungen, der Polizeipräsident Kölns wurde in den Ruhestand versetzt. Mittlerweile wurden 32 Tatverdächtige ermittelt, bei mittlerweile mehr als 500 eingegangenen Anzeigen.
Aber Rettung naht und sie trägt ein Unterhemd. Hagen Grell, ein Aktivist aus dem Mahnwachenumfeld, erklärt (direkt aus seinem Badezimmer) der Welt und vor allem den Frauen, dass sie eigentlich selbst schuld sind.
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Zunächst mal stellt er fest, dass Frauen nach den Ereignissen in Köln, nach Schutz durch „ihre Männer” rufen und er und alle anderen Männer wären auch sofort dazu bereit, aber da ist ja der Feminismus.
Männer sind nämlich harte, kompromisslose Krieger (Wir erinnern uns da immer noch gerne an Manfred Horst, den Asylanten-Schlächter). „Wir Männer nehmen einen Angreifer Körperteil für Körperteil auseinander”, erklärt er uns dann auch. Die einzige Achillesverse des tapferen, deutschstämmigen Mannes ist allerdings die Frau. Zu Frauen ist der böse Krieger sehr nett und tut alles, was sie wollen. Und das ist dann auch das Problem. Der gute Hagen hat nämlich eine monatelange Umfrage unter Männern und Frauen gemacht und dabei herausgefunden, dass 90% aller Befragten bestätigen, dass der Feminismus das alles auf den Kopf gestellt hat. Schockierend. Insgesamt kennt Hagen eine Feministin (Alice Schwarzer), und sie und die und die namenlosen anderen „führenden Feministen” haben dafür gesorgt, dass der gute „deutsche” Mann seine Frau nicht mehr verteidigen kann. Schlimm.
Danach geht es weiter und weiter, Männer sind stärker und mutiger als Frauen, wenn Frauen Männer lieben und bewundern, werden Männer zehnmal so stark, das Gegenteil schwächt sie dann. Das sagt er tatsächlich und wie sehr man sich auch wünscht, das alles sei Satire, ist es vermutlich leider ernstgemeint.
Nichtmal danach ist Schluss. Nein, Hagen zählt ganz aufgeregt die Durchschnittsgrößen von Männer unterschiedlicher Herkunft auf: Der Mann aus deutscher Züchtung ist scheinbar durchschnittlich 1,80 m groß. Und dann das: „Eure Männer sind nicht schwach, sie gehören zu den größten, stärksten und edelsten der Welt” und weiter „Eure Männer müssen sich weder vor Afrikanern, Asiaten, Amerikanern oder Australiern verstecken. Sie gehören zu den stärksten und besten Männern der Welt.”
Man möchte laut lachen. Über das Video an sich, aufgenommen vor dem Badezimmerspiegel und der Fliesenbordüre und dem buntgestreiften Badetuch, das von der Duschkabine zum Trocknen hängt. Und über diesen Typen, der sich in seinem schwarzen Feinripp-Unterhemd als mutiger Kreuzritter für seine weiblichen Volksgenossinnen sehen will. Nur leider bliebt einem dasselbe Lachen in Hals stecken, wenn man darüber nachdenkt, dass er genau das ausspricht, was alle die, die über die „Asylflut”, die Lügenpresse und die „Volksgemeinschaft” reden, auch denken. In Form eines YouTube-Videos zeigt sich das Menschenverständnis all der Leute, die das Thema „Frauenrechte” gerade ganz neu für sich entdeckt haben.
Eigentlich ist das die exakt gleiche Geisteshaltung, die man auch den Tätern in Köln unterstellen kann. Frauen sind hilflose Objekte. Wenn kein Mann da ist, um sie zu beschützen, sind sie ausgeliefert. Umgekehrt sind Männer triebgesteuert und können einfach nichts dafür, dass sie Frauen belästigen. Außer es sind deutsche Männer, die dann „ihre” Frauen bis aufs Letzte verteidigen. Dass Männern (allen Männern) klar sein müsste, dass Frauen, egal, ob sie mit einem Mann zusammen sind oder nicht, das Recht haben, ohne dumme Anmachen und körperliche Übergriffe ihr Leben zu leben, kommt in dieser Philosophie nicht vor. Egal ob im radikalen Islam, bei Neonazis oder Antifeministen wie Hagen Grell, das Frauenbild ist am Ende immer das gleiche: Frauen haben nicht das Recht, über ihren Körper zu bestimmen. Dazu brauchen sie einen Mann, der ihnen sagt, was zu tun ist und der sie vor der bösen Welt und anderen Männern beschützt. Frauen sind und bleiben ausgeliefert, entweder den ungehemmten Horden draußen oder den Männern in ihrem Umfeld, die ihnen sagen, wie sie sich zu verhalten haben und die dann auch entscheiden können, ob sie verteidigt werden müssen. Natürlich gehören in dieser Denke Mann und Frau unzertrennlich zusammen. Single-, Transfrauen und Lesben kommen überhaupt nicht vor. Wenn es keinen Mann im Leben der Frau gibt, ist sie Freiwild.