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rechte Szene

Zahlen der Bundesregierung: So viele Immobilien sind in der Hand von Neonazis

Sachsen hängt alle anderen Bundesländer ab.
Foto: imago | Seeliger

Wenn Neonazis ihre Rechtsrock-Festivals, Kampfsport-Events und Kundgebungen planen, verabreden sie sich eher selten auf einen Soja-Latte im nächstgelegenen Hipster-Café – sie versammeln sich in den Häusern, Wohnungen und Gaststätten anderer Rechter. Die Bundesregierung teilte jetzt zum ersten Mal mit, wie viele Grundstücke, Gebäude und Wohnungen in den Händen von Rechten sind.

Das Innenministerium geht von 136 Immobilien aus, die Rechte und Neonazis kontrollieren und in denen politische Aktivitäten stattfinden, so die Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der Linken. 74 davon stehen mit Ortschaft und Postleitzahl auf der Liste des Ministeriums: Es sind rechte Lokale wie etwa das Gasthaus "Goldener Löwe" im thüringischen Kloster Veßra, in dem an Hitlers Geburtstag Schnitzel für 8,88 Euro als "Geburtstagsangebot" verkauft werden, oder das Vereinshaus des "Bundes für Gotterkenntnis (Ludendorff)" im brandenburgischen Kirchmöser. Das Gebäude gilt als "Schule der Neonazis", der brandenburgische Verfassungsschutz stuft den Verein als rechtsextremistisch und antisemitisch ein.

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Aber das sind nur etwas mehr als die Hälfte der 136 Immobilien, die das Bundesinnenministerium bis Ende 2017 dem rechten Spektrum zuordnen konnte. Wer nachzählt (oder den entsprechenden Absatz in der Antwort des Ministeriums liest), dem fällt auf: Um auf 136 Immobilien zu kommen, fehlen in der Liste genau 62 Objekte.


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Dafür liefert das Innenministerium allerdings eine logische Erklärung: Bei den restlichen Immobilien lägen dem Verfassungsschutz zwar Informationen vor – diese können aus ermittlungstechnischen Gründen aber nicht freigegeben werden. Unter anderem will der Verfassungsschutz so V-Personen schützen, die sich in den extremistischen und gewaltbereiten Milieus bewegen.

Die Linke vermutet, dass es noch mehr rechte Immobilien gibt

Die Linken-Fraktion ist mit dieser Antwort auf ihre Kleine Anfrage eher semi-zufrieden: Die Innenpolitikerin der Partei, Martina Renner, kritisierte die "undurchsichtige Informationspolitik der Verfassungsschutzämter". Bekannte Objekte wie das Wohnprojekt der "Identitären Bewegung" in Halle oder das Rittergut des Verlegers Götz Kubitschek in Schnellroda in Sachsen-Anhalt seien nicht auf der Liste, sagte Renner dem RND: "Die Strategie der extremen Rechten ist bekannt und offensichtlich: Sie etablieren sich vor allem in kleinen Städten und Dörfern, um dort ungestört Propaganda betreiben und eine rechte Erlebniswelt schaffen zu können." Renner geht davon aus, dass es in Deutschland noch mehr als die 136 rechte Immobilien gibt, die das Bundesinnenministerium in seiner Antwort erfasst hat.

In seiner Antwort von Mitte Januar schreibt das Innenministerium, man habe nur Immobilien erfasst, "bei denen Rechtsextremisten über eine uneingeschränkte grundsätzliche Zugriffsmöglichkeit verfügen". Das sei der Fall, wenn die Rechten das Objekt pachten, mieten oder regelmäßig für politische Zwecke nutzen würden – oder wenn sie eben selbst die Besitzer seien.

Insgesamt besitzen Rechte und Neonazis 59 Objekte, bei 51 sind sie als Mieter eingetragen. Die restlichen 26 Immobilien stuft das Innenministerium als "nicht näher bestimmbar" ein. In jedem Bundesland gibt es Immobilien, die Rechten gehören und in denen sie ihren politischen Tätigkeiten nachgehen, aber in einem Bundesland scheinen sich die Neonazis besonders gerne niederzulassen: Insgesamt 25 rechtsextrem genutzte Immobilien gibt es in Sachsen – so viele, wie sonst in keinem Bundesland. Auf Platz Zwei landet Bayern mit 17 von Rechten genutzten Objekten, in Mecklenburg-Vorpommern sind es 15.

Ob sie nun in abgelegenen Dörfern agieren oder – wie im Fall der NPD-Zentrale – direkt in der Hauptstadt: Die Auflistung des Innenministeriums zeigt, dass sich Rechte in Deutschland mittlerweile überall wohlfühlen. Besonders besorgniserregend: Sie verfügen über ausreichend Infrastrukturen, um ihre ausländerfeindliche Politik weitestgehend ungestört zu planen.

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