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Warum 'Stump Kitchen' genau die Kochshow ist, die wir jetzt brauchen

Alexis Hillyard, die mit einer Hand geboren wurde, kocht mit ihren Gäste vegane und glutenfreie Gerichte – und räumt ganz nebenbei mit einigen Vorurteilen auf.
Foto mit freundlicher Genehmigung von Stump Kitchen

"Benutzt du oft deine Füße beim Kochen?"

"OMG, DU BIST SO VERDAMMT FANTASTISCH! Wer bist du?!?!?!"

"Mein Mann schmiert gerne Erdnussbutter oder Schokocreme und Schlagsahne auf meinen Stumpf und leckt es dann runter."

Lies dir niemals die Kommentare durch, lautet eine goldene Regel auf YouTube. Die Kommentare, die sich unter den Videos von Alexis Hillyard finden, sind zweifellos alles andere als gewöhnlich.

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Hillyards YouTube-Serie heißt Stump Kitchen, weil die junge Kanadierin a) Koch-Videos produziert und b) ohne linke Hand geboren wurde. Jede Woche lädt sie eines ihrer Videos hoch, die mit spontanen Gesangseinlagen und improvisierten Rezepten gespickt sind. Manchmal kocht Hillyard auch gemeinsam mit Gästen, wie Natalee Pon, die ebenfalls ohne linke Hand geboren wurde. Das Video beginnt damit, dass die beiden Frauen in unkontrolliertes Lachen ausbrechen. Dann knallt Hillyard ihren nackten Fuß auf den Küchentisch und erklärt, dass die beiden nun einen Schokoladenpudding mit ihren Füßen zubereiten werden.

In der nächsten Einstellung sieht man, wie die beiden gekonnt Avocados mit Hilfe ihrer Füßen zerschneiden. Wenige Minuten später ist der Schokoladenpudding fertig – und wird direkt aus dem Standmixer gekostet.

Das Rezept für den Schokoladenpudding ist simpel, Hillyard ist keine Sterne-Köchin. Statt sich auf Haute-Cuisine zu konzentrieren, beschimpft sie den Mixer oder singt ein Loblied auf den Ahornsirup. Auch ihre anderen Rezepte sind ähnlich einfach und unterhaltsam gehalten: Erdnussbutter-Cups, Spaghetti Carbonara und French Toast, der über dem Lagerfeuer geröstet wird. "Mir ist jede Ausrede recht, um am Lagerfeuer zu kochen, denn das ist so ziemlich meine liebste Beschäftigung auf der ganzen Welt", grinst sie in die Kamera.

Auch wenn Stump Kitchen ganz anders ist als Mainstream-Kochsendungen, ist sie enorm wichtig.

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"Menschen mit Behinderungen werden nur selten in den Medien gezeigt, und wenn es doch geschieht, werden sie oft negativ stereotypisiert und nicht angemessen repräsentiert", lautet die Einschätzung der Vereinten Nationen, die auch besonders auf Food-Medien zutrifft. Eine der wenigen Stimmen ist JJ Goode, Journalist und Mitautor des Kochbuchs MUNCHIES: Late-Night Meals from the World's Best Chefs, der einen Arm hat.

"Nach all den Projekten, bei denen ich mitgearbeitet habe, hilft mein Arm mir, normal zu bleiben", sagt er mir. "Meine Kollegen schreiben inzwischen alle ihre eigenen Kochbücher, weil sie so gute Köche sind. Und ich bin immer noch der Meinung, dass Kochen verdammt schwer ist."

Auf der Suche nach weiteren Köchen mit Behinderung finde ich in den Mainstream-Medien lediglich die Channel 4-Produktion Kitchen Impossible, den Sterne-Koch Michael Caines, der seinen rechten Arm durch einen Autounfall verlor, und die blinde Gewinnerin von MasterChef US, Christine Hà. Nicht gerade eine fette Ausbeute, wenn man bedenkt, dass 15 Prozent der Weltbevölkerung eine Behinderung haben.


Auch bei MUNCHIES: Victoria van Violence: Das vegane Model


Bis der Rest der Branche aufholt, räumen Hillyard und ihre Gäste mit den gewöhnlichen Stereotypen auf, die Menschen mit Behinderung anhaften. Doch das ist nicht der Grund, aus dem Stump Kitchen entstanden ist. Hillyard begann, sich fürs Kochen zu interessieren, nachdem sie aus gesundheitlichen Gründen tierische Produkte und Gluten von ihrem Speiseplan verbannt hatte. Daher sind alle Rezepte, die sie in ihrer Show zeigt, vegan und glutenfrei.

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"Ich kämpfte damals mit psychischen Problemen und die Kochshow hat mir dabei wunderbar geholfen", erzählt mir Hillyard. "Ich habe die Freude, die mir das Kochen mit meinem Stumpf bereitet, in eine Videoserie verwandelt. Mir war nicht klar, dass anderen Menschen das auch gefallen könnte."

Seit ihrem ersten Video-Upload vor zwei Jahren, hat Hillyard über zweitausend Abonnenten und 200.000 Views auf YouTube gesammelt. Über die Crowdfunding-Plattform Patreon erhält sie umgerechnet 1.277 Euro im Monat für ihr Projekt. Was fasziniert ihre Zuschauer so sehr?

"Ich arbeite seit Jahren mit Kochsendungen", sagt Paul Lampa, ein Koch, der unter anderem bei The Great Canadian Baking Show mitgewirkt hat. " Stump Kitchen hat einen neuen erfrischenden Ansatz im Vergleich zu all den konventionellen Kochshows."

Hillyard hat ihre eigenen Theorien, warum Menschen ihre Videos mögen: "Es gibt viele Gründe, aus denen Menschen zu Stump Kitchen finden. Zum Beispiel, wenn du vegan lebst oder du nicht die gewöhnliche Anzahl an Gliedmaßen hast. Oder vielleicht gefällt dir auch einfach, dass ich manchmal Sweatpants und keinen BH trage."

Hillyard geht offen mit ihrer Queerness um, auch das dürfte einigen Menschen den Einstieg in ihre Show erleichtert haben. Ihre Partnerin Alison Brooks-Starks hat einige Videos für die Show gefilmt und ist manchmal auch in den Videos zu sehen. In ihrer Heimatstadt Edmonton in der kanadischen Provinz Alberta bekommt Hillyard auch im echten Leben viel positives Feedback für ihre Offenheit. "Aber jedes Mal, wenn ich ein Video mit LGBTQ-Inhalten hochstelle, verliere ich auch ein paar Abonnenten", fügt sie hinzu.

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Auch bei Kindern und deren Eltern ist Stump Kitchen beliebt. Für ihre jüngsten Zuschauer bespielt Hillyard extra eine kinderfreundliche Playlist – ohne Schimpfwörter, dafür aber mit kleinen Gästen. "Die Hand hat mir ein Hai abgebissen", scherzt die neunjährige Callie im pinken My Little Pony-Einteiler, die ebenfalls mit einer Hand geboren wurde, bevor sie mit Hillyard Rosenkohl röstet. Anfang des Jahres hat der kanadische Fernsehsender CBC Hillyard mit der sechsteiligen Webserie Stump Kitchen: Cooking With Kids beauftragt.

"Viele Erwachsene Sorgen sich zu sehr darum, kein Chaos in der Küche anzurichten oder alles korrekt abzuwiegen. Doch Alexis' natürliche spielerische Art in der Küche ist perfekt, um mit Kindern zu kochen", sagt Megan McChesney, Senior Digital Producer bei CBC Parents, gegenüber MUNCHIES.

Durch die Webserie hat sich Stump Kitchen eine respektable kanadische Community aufgebaut. Doch Hillyard möchte diesen Kreis gerne über ihr Heimatland hinaus ausweiten. "Als nächstes möchte ich meine Zuschauerzahlen und die Patreon-Seite ausbauen, damit ich irgendwann genug Einnahmen habe, um für Dreharbeiten zu reisen", sagt sie. "Ich möchte gerne Menschen auf der ganzen Welt zeigen und spannende Kollaborationen eingehen."

Wenn man den Kommentaren unter den Videos von Stump Kitchen glauben darf, ist Hillyard auf einem guten Weg. Und wie sie selbst sagt: "Du kannst eine wahre Köchin daran erkennen, ob sie auf einem Bein kochen kann oder nicht."

Dieser Artikel erschien ursprünglich auf MUNCHIES US.

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