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fotoanalyse

Wir haben Mikl-Leitners Hang-loose-Foto für euch analysiert

Echte Kunst wirft Fragen auf. Wie zum Beispiel "Ist das wirklich Kunst?" oder: "Was zur Hölle mache ich hier?" oder auch: "WTF, Johanna?"

Foto [via Facebook](h Foto

Johanna Mikl-Leitner hat mit ihren Aussagen schon für viele Schlagzeilen gesorgt. Da war der Asylstopp, der Sager vom "Gewalteinsatz" an der Grenze, das FPÖeske Plakat zur Abschreckung von Flüchtlingen und die Forderung nach einer Meldepflicht für Dschihadisten.

Und als wäre das alles nicht genug, warb 2015 auch noch die Piratenpartei mit Mikl-Leitners Antlitz auf YouPorn, um uns auf die unangehmste Art auf ihre Überwachungsforderungen aufmerksam zu machen und uns auch noch die letzte Bastion der Weltflucht zu nehmen.

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Insofern wird es niemanden wundern, wenn die ehemalige Innenministerin und amtierende Landeshauptfrau von Niederösterreich jetzt eine etwas andere Taktik fährt: Nämlich auf missverständliche Worte komplett verzichten und stattdessen einfach mal ein stummes Foto von sich im Hang-loose-Modus posten. Hier das Bild in seiner ganzen Schönheit und vollen Größe:

Das Bild entstand bei der Eröffnung der sogenannten "CityWave" vor der Shopping City Süd – und grindet so hart auf dem schmalen Grat zwischen Coolness und Peinlichkeit entlang, dass man schon mal den Überblick verlieren kann.

Damit euch das nicht passiert und um euch die Kontrolle über eure kognitiven Fähigkeiten zurückzugeben, haben wir für euch jedes Detail dieses Renaissance-Meisterwerks von einem Schnappschuss analysiert und können uns eigentlich nur einem Facebook-User anschließen, der unter Mikl-Leitners Posting schreibt: "In Niederösterreich tut sich immer was." Mit Punkt am Ende. Weil in Niederösterreich, genau wie in Mikl-Leitners Blick, die Euphorie zuhause ist.

Das "Hang loose"

Wir würden den Ausdruck "Hang loose" an dieser Stelle nicht verwenden, wenn nicht Mikl-Leitner selbst ihr Posting mit dem Hashtag "Hang loose" beendet hätte. Weil sie an diesem heißen Juli-Donnerstag anscheinend wirklich sehr loose hing. Man könnte natürlich ins Detail gehen und Haltungsnoten für die Spreizung und Ausrichtung der einzelnen Finger vergeben.

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Aber das wäre zirka so wie Richard Nixons Victory-Geste dafür zu kritisieren, dass der Präsident-gewordene Satan dabei den Buckel einer Bergbäuerin und die Geschmeidigkeit einer motorisierten Geisterbahnfigur hatte. Man sollte nicht zu kleinkariert sein, ist mein Punkt.

Zum richtig loose hangen gehört eben auch, einfach mal loose zu lassen, wenn es um die perfekte Handchoreo geht. Es sieht vielleicht aus ein altes Klapphandy, aber ich bin mir sicher, es fühlt sich an wie ein brandneuer iPhone-Dummy, der einem direkt von geflüchteten kongolesischen Kobaltminen-Kindern überreicht wird (die danach natürlich in einer Hercules-Maschine abgeschoben werden).

Das Face

Weiße Lippen sind hip unter Surfern, habe ich mir sagen lassen. Man zeigt damit über jegliche Sprachbarrieren hinweg, dass man zur Szene gehört. Farbloser Labello bietet zwar denselben Sommenschutz, aber damit könnte man im Umkreis der SCS missverständliche Signale senden und zu Verwechslungen mit Anrainern führen, deren Münder wegen eines gerade genossenen Grillhuhns von Fett umspielt werden – und wer will schon für einen Niederösterreicher gehalten werden, der in der SCS bei 30 Grad Grillhühner in sich hineinschaufelt.

Das andere Face

Was hinter diesen Augen passiert, weiß niemand. Vermutlich nicht mal Johanna Mikl-Leitner. Dafür bräuchte man mindestens einen Mikrogesicht-Experten wie den Typen, den Tim Roth in Lie to Me spielt. Zumindest sieht das Mittelfeld dieses Gesichts aus, als würde sich hier jemand sehr stark darauf konzentrieren, sich nicht zu vergessen und die Augenpartie nicht wie ein Acid-Freak komplett entgleisen zu lassen, und deshalb an nicht viel anderes denken als daran, die Contenance zu bewahren. Ich glaube, Mikl-Leitner könnte genauso gut vor dem ersten nordkoreanischen Atombombentest stehen und hätte dieselbe Konzentration auf die eigenen Gesichtsmuskeln im Blick. Oder nehmen wir statt Nordkorea einen anderen Ort, wo im Moment nur Wahnsinnige für Zerstörung, äh, faire Umverteilung sorgen:

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Hamburg. Hang loose. Nur. Nicht. Aufhören. Zu. Grinsen.

Das Facepalm

Wir fühlen dich, Junge.

Das SCS-Board

Als die Shopping City Süd Anfang der 10er-Jahre an ihrem Redesign arbeitete, um das Einkaufslazarett vor Wien attraktiver für das 21. (oder 20.) Jahrhundert zu machen, holten die Verantwortlichen den berühmten Marketing-Dramaturgen Christian Mikunda. Der "Vordenker der Erlebniswissenschaft", wie er im Kundenmagazin der SCS auch genannt wird, doktert an der menschlichen Wahrnehmung wie Johann Sebastian Bach an der Fuge und wird immer dann gerufen, wenn es gilt (unwissenschaftlich gesprochen), Kunden ein weniger beschissenes Gefühl beim Konsum zu geben – von der Einrichtung von TV-Studios bis eben zum Bau von Shopping-Centern.

Bereits als Einkaufen noch so aussah wie in Dawn of the Dead und aus möglichst vielen Shops mit möglichst viel Beton auf möglichst engem Raum bestand, war für Mikunda schon klar, dass es um etwas ganz anderes gehen müsste: nämlich um Wohlfühlzonen und Mood-Management. Sprich: Sitz-Oasen, kleine Sträucher, Kunstinstallationen und weitläufige Gänge. Irgendwie muss ich beim Bild dieses Boards an Christian Mikunda denken (dessen Vorlesung ich einmal während eines abklingenden Acid-Trips besucht habe; danke noch mal dafür, Herr Professor!).

Ich blicke auf das Board und sehe den Spagat zwischen Shopping und Meeresbrise meisterhaft exekutiert. Das ist kulturelle Leistung. Das ist Menschheit. Ich fühle meine Mood ziemlich perfekt gemanagt. Vielleicht ein bisschen zu perfekt. Es ist doch so: Im besten Fall denkt man beim Shoppen ans Meer; im schlimmsten Fall denkt man beim nächsten Mal am Meer an die Shopping City Süd.

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Das Publikum

Es war aber auch wirklich heiß an dem Tag.

Das Basecap

Kennt ihr noch Poochie, den pseudo-hippen Hund aus den Simpsons, der von den Machern der "Itchy & Scratchy Show" eingeführt wurde, um das junge Publikum besser zu erreichen? Poochie trug eine Sonnenbrille und ein Basecap – und zwar verkehrt herum, wie junge Leute das in den Augen alter Fernsehmenschen eben so machen. Poochie wurde nach kurzer Zeit und vielen Beschwerden wieder aus der "Itchy & Scratchy Show" herausgeschrieben. Never go full Poochie.

Das Ungetüm

Die berühmteste und wahrscheinlich beste Szene aus Fear and Loathing in Las Vegas – abgesehen vom "Fledermausland"-Sager, den kiffende Nerds immer noch ganz großartig finden – ist die, in der Hunter S. Thompson die 60er-Jahre als großartige Welle beschreibt, von der Anfang der 70er-Jahre nur noch eine Hochwassermarke übrig war.

Sagen wir es so: Die CityWave ist unser 10er-Jahre-Äquivalent zu dieser Welle und die nächste Hochwassermarke wird so niedrig liegen, dass sie sogar ein 3-Jähriger an den Beckenrand vor der SCS zeichnen kann. Was zufälligerweise auch ganz gut zum intellektuellen Niveau der Politik seit Donald Trump und Sebastian Kurz passt (ich erinnere nur an Trumps Wrestling-Vergangenheit und die Kurz'sche Tür ins Nichts).

Vielleicht ist die CityWave auch genau das: Eine Kommentar auf populistische Bullshit-Künstler und die maue Welle des westlichen Untergangs. In dem Fall verneige ich mich vor der Genialität jedes einzelnen Menschen, der mitgeholfen hat, Wasser in das Becken zu pumpen.

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Das Notausgangsschild

Notausgangsschilder haben eine ganz besondere Magie, ja fast schon eine lyrische Komponente. Sie zeigen uns den Weg aus einer Gefahrensituation – aber sie geben uns dabei nur die grobe Richtung vor (links oder rechts). Den Rest müssen wir schon selbst hinbekommen, was irgendwie vermutlich ein Sinnbild auf das Leben insgesamt ist (oder zumindest darauf, wie es ist, aus einem brennenden Shopping-Center zu entkommen). Insofern ist es auch ein Symbol für Mündigkeit und Aufklärung (und dafür, dass man nach links laufen muss, um aus dem brennenden Shopping-Center zu entkommen).

Würden Politiker und Politikerinnen uns dieselbe Mündigkeit zugestehen, gäbe es im Wahlkampf wahrscheinlich keine leeren Versprechen, keine gefälschten Studien und keine verkrampften Fotos von irgendwelchen Eröffnungen, bei denen Landeshauptleute so tun, als hätten sie Spaß oder würden auch nur einen halben Fick darauf geben, vor was und mit wem sie sich grinsend abbilden lassen.

Das "Dead inside"

Die Aufgabe von Kunst ist es bekanntlich nicht, nur schön auszuschauen (dafür gibt es Design), sondern Fragen aufzuwerfen. Fragen wie "Ist das wirklich Kunst?" oder "Nein WIRKLICH, was daran ist bitte Kunst??" oder "Was zur Hölle mache ich hier?". Das war schon so, als Marcel Duchamp das erste Pissoir mit dem Namen "Fontäne" in ein Museum gehängt hat und es ist immer noch so, wenn Milo Moiré auf der Art Basel farbige Eier aus ihrer Muschi presst.

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Im Fall von unserem Foto starrt das Kunstwerk sogar wortwörtlich auf uns zurück – auch, wenn der Spiegel, der uns vorgehalten wird, auf den ersten Blick vielleicht die Form eines Typen mit Tanktop und Flipflops und sehr viel Tagesfreizeit hat. Ihr müsst zwischen den Zeilen lesen. Dort steht zwar nichts, aber genau die Leere ist es, die das Gefühl der CityWave-Eröffnung am besten beschreibt.

Schaut euch diesen Blick an. Dieses fragende Gesicht, diese emotionale Leerstelle. WTF einfach, Johanna. Was machst du da mit deiner Hand. Was machst du neben dieser Welle. Warum bin ich hier und was zur Hölle macht ihr hier, vor diesem Foto. WTF einfach. WTF.

Markus auf Twitter: @wurstzombie

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