Eigentlich ist die Welt von For Honor blutig, matschig und erbarmungslos: Auf den mittelalterlichen Schlachtfeldern dieses Videospiels schlüpfen Spieler in die Rüstung von Wikingern, Rittern und Samurai, um sich mit brachialen Exekutionen gegenseitig die virtuellen Gliedmaßen abzureißen. Faris Khalifa aber sollte ausgerechnet in dieser unfreundlichen Spielwelt genau das finden, was ihm im echten Leben lange Zeit gefehlt hat: Verständnis, Geduld und ein offenes Ohr.
Anzeige
Eine schwierige Krankheitsgeschichte erreicht ihren Höhepunkt
Anzeige
Diese aufrichtige und interessiert klingende Nachfrage ermutigte Khalifa dazu, sein Schweigen zu brechen und sich dem unbekannten Mitspieler anzuvertrauen: "Ich war ehrlich zu ihm – und dann gestand er mir seine eigenen psychischen Probleme." Das unverhoffte Verständnis und vertraute Gespräch habe Khalifa an diesem Abend das Leben gerettet. "Ich kann gar nicht genug betonen, was für einen großen Unterschied das für mich gemacht hat, dass da jemand war, der mir zuhörte und mich so akzeptierte, wie ich bin."Verständnisvolle Gespräche in einem sicheren Umfeld zwischen Gleichgesinnten ersetzen für Menschen mit psychischen Erkrankungen zwar keine Therapie oder ärztlichen Rat – und doch können sie das nagende Gefühl vertreiben, mit den eigenen Beschwerden alleine zu sein. Diese Erkenntnis ist auch in der Gaming-Community angekommen, die sich seit Jahren online in größeren und kleineren Selbsthilfegruppen organisiert.NightHaven, benannt nach einer Kleinstadt in der fiktiven Rollenspielwelt von World of Warcraft, ist eine der größten Plattformen und Treffpunkte, die es für Spieler mit psychischer Erkrankung dort draußen gibt. Die Community von NightHaven zählt derzeit über 500 aktive Mitglieder, die täglich im offiziellen Subreddit, auf Facebook und vor allem in den verschiedenen Chat-Räumen des eigenen Discord-Servers miteinander in Kontakt treten können.
Online-Selbsthilfegruppen als Kurort für die Psyche
Anzeige
Motherboard hat auf dem Discord-Server dieser Selbsthilfegruppe unter anderem mit den Moderatoren und Gründern des Projekts, Dale und Brandon, gesprochen. "Mir wurde eine Depression diagnostiziert, kurz nachdem meine Schwester nach drei Jahren an ihrer Krebserkrankung starb. Sie war gerade einmal 12 Jahre alt", erzählt der 21-jährige Brandon, der die ursprüngliche Idee für NightHaven hatte: "Nach ihrem Tod war ich wirklich lange arbeitsunfähig, konnte nicht mal mehr mein Zimmer verlassen und las ununterbrochen unsere alten Chat-Verläufe nach." Schließlich entschied sich Brandon dazu, Hilfe zu suchen und sich vor seinem Umfeld nicht mehr zu verschließen. Das habe ihm maßgeblich geholfen – und zu der Idee inspiriert, einen Ort wie NightHaven aufzubauen."Ich und mein Freund 'Guy' haben dieses Projekt auf die Beine gestellt, um Menschen in schwierigen Zeiten nicht alleine zu lassen – wenn sie das Gefühl haben, mit ihren Problemen alleine zu sein und niemanden zu haben, mit dem sie reden können." Mit diesen Worten fasst der 21-jährige Gründer die Idee von NightHaven zusammen, die mittlerweile noch weit mehr, als "nur" ein offenes Ohr zu bieten hat: Regelmäßig organisiert die Gruppe gemeinsame Karaoke- und Filmabende oder auch Diskussionsrunden über Lieblingsmusik und Lieblingsbücher.Mitmachen dürfen alle, sofern die Regeln der Gruppe eingehalten werden. Die lassen sich mit dem einfachen Credo "Respektiert einander und seid verständnisvoll" zusammenfassen – und die Moderatoren schrecken nicht davor zurück, Verstöße gegen diese Richtlinien zu bestrafen, wie mir Gründer Brian erklärt: "Wir als Community haben durchaus schon Erfahrungen mit Trollen gemacht. Wir halten uns dabei an ein einfaches System: Wir sprechen drei Verwarnungen aus, anschließend wird die jeweilige Person aus der Gruppe entfernt." Verhält sich ein Mitglied allerdings besonders schlimm und auffällig, könne sie unter Umständen aber auch direkt aus NightHaven verbannt werden.
Anzeige
Ein ehrliches Gespräch mit Profis: MysteryPrincess schultert tonnenweise Verantwortung
Zu diesen "Supports" gehört auch "Mystery Princess". Die Studentin aus England möchte zum Schutz ihrer Privatsphäre nur mit ihrem Nickname vorgestellt werden, der für Dutzende NightHaven-Mitgliedern zu einem Synonym der Hoffnung geworden ist: "Wir 'Supports' haben die Verantwortung, angemessen und verantwortungsbewusst auf die Probleme unserer Community-Mitglieder einzugehen – das betrifft sowohl alle möglichen Formen psychischer Erkrankungen, Beziehungsprobleme aber auch beispielsweise Fälle von häuslicher Gewalt", erklärt mir die junge Frau."Ob Depressionen, Beziehungsprobleme oder auch Fälle von häuslicher Gewalt – wir schultern diese Verantwortung und hören zu."